Interview: Rumäniens Präsident Johannis über Putin und Griechenland
INTERVIEW: OTMAR LAHODYNSKY, BUKAREST
profil: Die neue griechische Regierung will ihre Schulden nicht zurückzahlen. Was halten Sie als Präsident des zweitärmsten Landes der EU davon, dass Griechenland wieder mehr Beamte einstellt und Privatisierungen stoppt? Klaus Johannis: Ich denke, da wirkt noch die Wahlkampagne nach. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Land der Eurozone von einem ganzen System verabschiedet. Ich hoffe, dass man dort bald mit kühlem Kopf zu verhandeln beginnt.
profil: In Griechenland wurde schon der Mindestlohn auf 750 Euro angehoben. In Rumänien liegt er bei etwa 250 Euro bei ähnlichem Preisniveau. Johannis: Herr Tsipras hat im Wahlkampf alles Mögliche versprochen, kam so an die Macht und steht nun unter Zugzwang. Das ist das Hauptproblem – für ihn, aber auch für seine EU-Partner.
profil: Der Wahlsieg von Tsipras könnte andere Länder wie etwa Spanien dazu bringen, vom harten Sparkurs abzugehen. Johannis: Man muss realistisch sein. Das Resultat der Wahlen in Griechenland wird Folgen haben, sicher auch in Spanien, wie man jetzt schon an den Demos in Spanien sehen kann. Ich hoffe nur, dass dies dort einen moderaten Effekt hat und den traditionellen Parteien in Spanien nicht zu viele Wähler wegnehmen wird.
profil: Der neue griechische Außenminister Nikos Kotzias hat bereits den Kurs des russischen Präsidenten Putin gelobt. Damit wackelt auch ein NATO-Partner. Johannis: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Griechenland wirklich die Fahne wechseln will.
profil: Rumänien ist von Putin-Anhängern in Serbien, Bulgarien oder Moldau umringt. Auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zeigte sich voll des Lobs für Putin und empfängt ihn demnächst in Budapest. Johannis: Welch seltsame Blüten Wirtschaftskrisen treiben können, zeigt sich am Beispiel der Annäherung Ungarns an die russische Föderation sowie mancher Äußerungen der neuen griechischen Machthaber. Aber das sind noch keine Entwicklungen, die man nicht rückgängig machen kann. Sehr bald wird allen bewusst werden, dass man schlecht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen kann.
Putins Politik passt nicht in das Konzept von einem Zusammenleben in einem Europa des 21. Jahrhunderts
profil: Wie sehr bereitet Ihnen der Krieg in der Ostukraine Sorge? Immerhin sagte Putin vor ein paar Monaten, die russische Armee könnte innerhalb von zwei Tagen auch in Bukarest einmarschieren. Johannis: Putins Politik passt nicht in das Konzept von einem Zusammenleben in einem Europa des 21. Jahrhunderts. Wir haben jahrzehntelang geglaubt, dass das Problem Krieg aus Europa verbannt wurde. Das ist jetzt wohl leider Geschichte.
profil: Sie gelten als treuer Anhänger der NATO und haben im Wahlkampf eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets angekündigt. Johannis: Ich habe auch nach den Wahlen dasselbe gesagt und dazu bereits einen politischen Konsens erreicht. Alle politischen Parteien haben sich dazu verpflichtet, Rumäniens Verteidigungsausgaben bis zum Jahr 2017 auf zwei Prozent des BIP zu erhöhen und es auf diesem Niveau zehn Jahre lang zu halten.
profil: Das ist viel Geld, das Rumänien in anderen Sektoren dringender benötigen würde. Johannis: Es geht nicht anders. In direkter Nachbarschaft eines bewaffneten Konflikts, dessen Ausgang völlig ungewiss ist, kann man nicht einfach nur dasitzen und zuschauen. Die NATO-Mitgliedschaft ist sehr wertvoll, aber im Falle des Falles, der hoffentlich nie eintritt, müssen wir selbst zur Verteidigung unseres Landes bereit sein. Und dazu muss das Militär fit und entsprechend gerüstet sein.
profil: In Rumänien wünscht keine politische Gruppierung eine Annäherung an Russland? Johannis: Bei uns gibt es keine einzige Partei oder gar Fraktion, die sich nach Osten orientiert. Die rumänische Bevölkerung ist seit langer Zeit europäisch und transatlantisch ausgerichtet. Man kann der politischen Klasse nach der Wende 1989 viel Negatives nachsagen, aber zwei Dinge haben funktioniert: zuerst der Beitritt zur NATO, dann jener zur EU. Darüber besteht Konsens bis heute. Das macht uns zu einem seriösen und stabilen Partner des Westens.
profil: Die benachbarte Republik Moldau hat das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. Könnte das die Spannungen mit Moskau rund um Transnistrien verschärfen? Johannis: Die Wahlen haben gezeigt, dass mehr als 50 Prozent der Moldawier pro-europäische Parteien gewählt haben. Das Problem Transnistrien ist ein gefrorener Konflikt, aber er kann gelöst werden.
profil: Wie stehen Sie zum Konflikt in der EU zwischen Anhängern eines strikten Sparkurses wie der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und EU-Ländern, die wieder mehr Geld für Wachstum ausgeben wollen? Johannis: Rumänien hat schon einen harten Sparkurs hinter sich. Und das Resultat kann sich sehen lassen: Unser Budgetdefizit liegt bei 1,8 Prozent. Wir haben eine geringe Auslandsverschuldung, und die Arbeitslosigkeit liegt bei unter sieben Prozent. Man sollte einen Kurs halten, bei dem Sparen nach wie vor keine künstliche, sondern eine vernünftige Maßnahme ist. Einsparen dort, wo die Ausgaben nicht notwendig sind, das ist allemal sinnvoll. Aber man kann Einsparungen nicht auf ewig fortsetzen, denn von irgendwo muss doch auch das Wirtschaftswachstum herkommen. Irgendwann möchte auch Rumänien beim Lebensstandard so weit sein wie Deutschland, Österreich oder Frankreich.
profil: Nach Ihrem für viele unerwarteten Wahlerfolg: Welche Prioritäten setzen Sie als Staatsoberhaupt? Johannis: Rumänien hat noch immer ein Problem mit der Korruption. Aber wir sind auf gutem Weg, dem beizukommen. Wenn man sieht, dass in jüngster Zeit auch Leute, die früher eine hohe Position hatten, überführt wurden, kann man nur zum Schluss kommen, dass wir in Rumänien dieses Problem sehr ernst nehmen. Die Bekämpfung der Korruption werde ich mit allen Kräften unterstützen, und ich bin mir sicher: Das wird gute Resultate bringen und generell eine bessere Atmosphäre für die Politik schaffen.
profil: Soeben wurde ein Richter wegen Korruption zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. Johannis: Es ist hier sehr viel möglich geworden. Aber parallel zur Bekämpfung der Korruption müssen wir die öffentlichen Systeme bei Bildung, Gesundheit, Renten oder die Infrastruktur verbessern. Dazu müssen wir ausländische und inländische Investitionen fördern. Eine vernünftige, voraussehbare Haushalts- und Finanzpolitik muss dafür die Grundlage sein. Bei den öffentlichen Anschaffungen muss Transparenz herrschen. Ich weiß, dass ich mir da sehr viel vorgenommen habe. Aber dies lässt sich alles machen.
profil: Aber Sie sind nur Präsident und haben eine Regierung samt Parlament, das von ihren Gegnern beherrscht wird, gegen sich. Johannis: Natürlich ist das nicht die Idealsituation, aber ich denke, dass diese Situation spätestens bei den Wahlen 2016 so geändert wird, dass Reformen zügig umgesetzt werden können. Premierminister Ponta war mein Gegenkandidat im Wahlkampf. Aber auch in dieser Konstellation ist es möglich, Probleme des Landes zu lösen. Gleich nach den Wahlen hat das Parlament anders als sonst agiert. Auf einmal war es möglich, dass die Staatsanwaltschaft Politiker anklagen konnte. Auch das geplante Amnestiegesetz für Politiker war plötzlich vom Tisch.
profil: In den alten EU-Mitgliedsländern hat man Angst vor einem Zustrom von Rumänen, die hauptsächlich soziale Leistungen in Anspruch nehmen wollen. Was wollen Sie dagegen tun? Johannis: Es gibt eine fragwürdige Tendenz, den grenzenlosen Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer in der EU mit Fällen von sogenannten Sozialhilfe-Schnorrern zu vermischen. Denn es ist schon ein wertvolles Gut in der EU, dass sich Arbeitnehmer in der EU frei bewegen können. Es ist auch verständlich, dass kein Staat soziale Leistungen an Personen, die nur einreisen, um diese zu kassieren, leisten will. Aber dieses Problem ist lösbar, ohne dass die Freiheit, in der gesamten EU zu arbeiten, infrage gestellt werden muss.
profil: Kann das 315-Milliarden-Euro-Projekt von EU-Kommissionspräsident Juncker für Wachstum in der EU sorgen? Johannis: Juncker ist jemand, der solche Großprojekte nicht nur entwerfen, sondern auch umsetzen kann. Es muss möglich sein, Wachstum zu provozieren, ohne gleichzeitig wieder zu viele neue Schulden zu machen. Aus der Finanzkrise ist man auch durch Einsparungen rausgekommen. Jetzt muss man mit der neuen Situation etwas Vernünftiges anfangen.
Zur Person:
Klaus Johannis, 55 Der Siebenbürger Sachse ist seit Dezember 2014 Staatspräsident Rumäniens. Der Physiklehrer machte als Bürgermeister von Sibiu/Hermannstadt seine Stadt 2007 zur Kulturhauptstadt Europas. Johannis (rumänisch: Iohannis) wurde 2014 Chef der Nationalliberalen Partei und gehört heute der „Europäischen Volkspartei“ an. Im November trat er bei den Präsidentenwahlen gegen den sozialdemokratischen Premierminister Victor Ponta an. Erst in der Stichwahl gewann er mit Ansagen gegen Korruption.