Danke, Philadelphia! 2014 war ein wunderbares Jahr für den Punkrock
Von Stephan Wabl
1994 wird gemeinhin als das Jahr bezeichnet, indem es Punkrock von kleinen verschwitzten Klubs in die Ö3-Hitparade geschafft hat. Die Verantwortlichen: Bands aus dem sonnigen Kalifornien wie Green Day, Lagwagon, Rancid, NOFX, Offspring. 20 Jahre später war erneut ein bemerkenswertes Jahr für den Punkrock. Doch die Zeiten haben sich geändert: strenger Wind hat die sonnige Stimmung verdrängt, das Wirtschaftswachstum der Clinton-Jahre wurde durch einen Zustand der Dauerkrise abgelöst. Kein Zufall also, dass die aktuell spannendsten Punkrock-Bands nicht aus den Surf- und Skateboardstädten an der Westküste, sondern aus dem rauen Osten kommen. Phildalphia nimmt hierbei einen ganz besonderen Platz ein. Keine andere Stadt hat im Jahr 2014 eine derart große Dichte an fabelhaften Punkrock-Songs in den Rest der Welt geschickt. Zeit für eine Würdigung mit ausgewählten Song-Highlights:
Beach Slang: Filthy Luck (Album: Who Would Ever Want Anything So Broken?)
Die Band rund um Ex-Weston-Sänger James Snyder kam aus dem Nichts und schaufelte mit dem ersten Riff, Lyrics wie aus einem Punkrock-Sprüchekalender und zwei EPs in letzter Zeit leicht Verschollenes wieder frei: Verzweiflung, Euphorie, Lebenslust, Lust am Abgrund. Album und Tour in Europa demnächst. "This guitar wants to die!"
Cayetana: Black Hills (Album: Nervous Like Me)
Die drei Frauen (siehe Foto) legten mit ihrem Debüt ein Album vor, das 2015 auf keiner Hochzeitsparty mit Geschmack fehlen darf. Dann lassen sich nämlich auch die Erinnerungen daran nach der Scheidung in drei Jahren besser ertragen.
The Jazz June: Over Underground (Album: After The Earthquake)
Das erste Album nach zwöf Jahren der Emo-Band aus dem erweiterten Philadelphia-Umfeld und der Beweis: Auch nach dem Erdbeben geht das Leben weiter - irgendwie.
Little Big League: Sucker (Album: Tropical Jinx)
Zweites Album, und Michelle Zauners raspelnde Lyrics über gefundene und verlorene Plätze, Menschen und Freuden lassen trotz gegenteiliger Bekundung ("I dont want to leave the house/Im a sucker") nur einen Schluss zu: Raus aus dem Haus und rein ins Leben.
The Holy Mess: Liza And Louisiana (Album: Comfort in the Discord)
Bier spuckend, bärtig, ordentlich tätowiert, nackter Oberkörper, Bandana am Kopf - sieht aus wie Old School, klingt auch Old School.
Beach Slang: American Girls And French Kisses (Album: Cheap Thrills On A Dead End Street)
Eurokrise, Ukraine-Krise, Umweltkrise, Bankenkrise. Und Beach Slang singt: "I hope when I die, I feel this alive." Dafür darf man sich dann schon einmal bedanken.
The Menzingers: I Know Where My Heartache Exists (Album: Rented World)
Ja, Menzingers "Rented World" kommt nicht ganz an den Vorgänger "On the Impossible Past" heran. But who cares, wenn man solche Lieder hinterherschickt.
Restorations: Seperate Songs (Album: LP3)
Zugegeben: Klingt hie und da ein wenig nach U2. Aber auch raue Ecken haben weiche Seiten. Und bevor es zu kuschelig wird, haben sich die Wege eh schon wieder getrennt...
Radiator Hospital: Honeymoon Phase (Album: Torch Song)
... und finden später bei Radiator Hospital wieder zusammen. Punkrock und Philadelphia, das heißt eben auch: vergeben, zurechtschütteln, Dosenbier aufmachen, anstoßen, weitertanzen.
Torch Song by Radiator Hospital
Ex-Friends: Don't Do It Like That (Do It Like This) (Album: Animal Needs)
Die kurzlebigen Ex-Friends haben 2014 mit ihrer fantastischen EP klar gemacht: Auch wenn der Abschied schon naht, geschwitzt wird bis zum letzten Riff.
Special Mention: Hop Along
Auch wenn Hop Along 2014 keine neuen Songs veröffentlicht hat, die Flugtickets für die Release-Show des für heuer geplanten Albums sollte man schon jetzt buchen. Oder besser noch: Jetzt gleich den kompletten Umzug planen!