Peter Stein scheitert an „König Lear“ im Burgtheater

Theater. Peter Steins biedere Märchenstunde bleibt alle Antworten schuldig

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Eigentlich ist dieser König viel zu agil, um bereits abzutreten. Klaus Maria Brandauer strotzt vor Elan, er witzelt und tänzelt auf der weiten Burgtheater-Bühne, er wirkt am Zenit seiner Macht. In Shakespeares düsterer Generationentragödie „König Lear“ nimmt das Verhängnis seinen Lauf, sobald er das Reich auf seine beiden Töchter aufteilt. Wer die Macht aus der Hand gibt, wird zum armen Narren. Jede „Lear“-Inszenierung muss sich daran messen lassen, wie die Regie die Sympathien zwischen Jugend und Alter aufteilt. Regietheaterverächter Peter Stein macht es sich dabei ein bisschen zu einfach. Die beiden ehrgeizigen Töchter sind vom ersten Moment an Karikaturen ihrer selbst: Corinna Kirchhoff und Dorothee Hartinger spielen eiserne Ladys, kalt und egomanisch. Und Brandauer tänzelt lieblich und virtuos, aber ohne die Abgründe seiner Figur deutlich werden zu lassen, durch eine Inszenierung, die ein bisschen an jenes Theater erinnert, das man im Sommer gern auf Burgen und Schlössern zeigt: pseudohistorische Kostüme, ausgiebige Fechtszenen, laute Trompetenfanfaren – viel Äußerliches, aber kein schlüssiges Konzept, warum man diesen Stoff auf vier lange Stunden auswälzen muss. Peter Steins biedere Märchenstunde bleibt alle Antworten schuldig, außer, dass sie das Alter und wohl auch sich selbst feiert.

Karin   Cerny

Karin Cerny