Das Problem mit den Kellernazis
Heinz-Christian Strache, vulgo Heinrich, wie er zu Zeiten des Untergrunds in der einschlägigen Szene genannt wurde, hat sich Großes vorgenommen. In diesem Jahr noch will er Wien erobern und sich handstreichartig des rechten Rands seiner Partei entledigen.
Kaum ist die propagierte Erneuerung ausgerufen, macht freilich ein gewisser Richard Melisch von sich reden, ein Mann mit ziemlich kranken Ideen, der einer zionistischen Weltverschwörung auf der Spur sein will, die in Europa durch exzessive Einwanderung eine minderbemittelte hellbraune Rasse zu etablieren plane.
Melisch, ein gefragter Referent und Publizist im rechtsradikalen Milieu, treibt sich auch bei den Freiheitlichen herum. Einmal trat er vor den Senioren auf, ein anderes Mal bei der Bezirkspartei in der Josefstadt. Selbst Strache zitiert ihn bisweilen als Kronzeugen gegen die Globalisierung.
Vor wenigen Wochen hielt Melisch auf Einladung des Vorsitzenden des freiheitlichen Akademikerverbands in Salzburg, Wolfgang Caspart, einen Vortrag. Die Geschäftsführung des Seminarhotels am Stadtrand von Salzburg genierte sich hinterher so sehr für das Spektakel, dass sie sich entschuldigte und die Raummiete der Israelitischen Kultusgemeinde als Spende überwies.
Bei der Burschenschaft Arminia Czernowitz in Linz war Melisch in diesen Tagen zu Gast. Auf der Einladungskarte fand sich, eingerahmt von den Insignien der schlagenden Verbindung, ein notdürftig verfremdetes NS-Sujet: ein starker Arm, der eine Schlange würgt, auf der, statt wie zu Hitlers Zeiten die Hochfinanz, nun die Globalisierung angeprangert wird und anstelle des Marxismus die Fremdherrschaft. Fein abgepaust. Nur das Hakenkreuz fehlte.
Prominentes Mitglied dieser Burschenschaft ist der Linzer FPÖ-Stadtrat für Sicherheitsfragen, Detlev Wimmer. Der 25-Jährige hat wenigstens keinen Ruf zu verlieren. Seine rassistischen RFJ-Aufkleber, auf denen eine Zigarettenmarke Gemischte Sorte mit dem Warnhinweis Zuwanderung kann tödlich sein abgebildet war, fanden in Neonazi-Foren im Internet großen Anklang, ebenso wie seine Infragestellung des NS-Verbotsgesetzes. Eine Offizierslaufbahn beim Bundesheer war ihm seiner einschlägigen Kontakte wegen verwehrt worden, in der FPÖ machte er eine steile Karriere. Oberösterreichs Landeschef Manfred Haimbuchner, der über Wimmer und andere Burschen mit einschlägiger Vergangenheit seine schützende Hand hält, gehört neuerdings zu Straches Dreamteam.
Zumindest nachfragen könnte Strache auch bei seinen Leuten, die der Burschenschaft Silesia angehören. Ein Dutzend Parlamentsreferenten von FPÖ und BZÖ (die Liste der Teilnehmer liegt profil vor) feierte vor Kurzem in einem Rotlicht-Etablissement am Wiener Gürtel ein feuchtfröhliches Silesia-Fest, das darin gipfelte, dass ein Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf schwer verletzt mit der Rettung ins AKH geführt wurde, während seine Frau, Straches Chefsekretärin, in Begleitung des stadtbekannten Neonazis Gottfried Küssel zum Lokal zurückkehrte.
Die Steiermark wäre ebenfalls einen Lokalaugenschein wert. Der Landesobmann der Freiheitlichen und Nationalratsabgeordnete Gerhard Kurzmann, seinerseits Mitglied beim Traditionsverband der Waffen-SS und leidenschaftlicher Kämpfer für den Erhalt der deutschen Sprache (etwa gegen Slipeinlagen), hat einen Bezirkspolitiker in seinen Reihen, der auf Facebook mit einem Skinheads Steiermark-Sweatshirt posierte. Kurzmanns Stellvertreter, der steirische Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zanger, fand schon mal gute Seiten am Nationalsozialismus. Und Mitglieder der steirischen FPÖ-Jugend schrammen immer wieder haarscharf am NS-Verbotsgesetz vorbei.
Eine wahre Sisyphusarbeit hat sich Strache da aufgehalst. Seine Mitstreiter sehen das allerdings nicht so eng.
Der Historiker Lothar Höbelt hält die propagierte Abgrenzung für ein altes Ritual. Die letzten Liberalen habe die FPÖ längst schon vertrieben. In den traditionellen Hochburgen wie Oberösterreich, Salzburg und Steiermark gebe es freilich akuten Handlungsbedarf.
Der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, für den 2004 eine Hundertschaft von Korporierten unter seinen Unterstützern war auch Richard Melisch den Weg ins EU-Parlament ebnete, nimmt die Ankündigung schon aus eigenem Interesse nicht so ernst. Der Bruch mit den Burschenschaften ist ein Wunschdenken.
Der Abgeordnete und Anwalt Peter Fichtenbauer, der eine Zeit lang selbst bei einem Gedenkverein tätig war, der die Rechtsradikalen anzog, wäre froh, wenn es auf diesem Gebiet keine Fragezeichen mehr gäbe und die FPÖ sich von solchen Dingen fernhält. Auf die Frage, ob das auch gelingen könne, meint Fichtenbauer: Die Straßenverkehrsordnung wird auch nie 100-prozentig eingehalten.
Das Neue an der Erneuerung besteht offenbar darin, dass sich FPÖ-Politiker an die Gesetze halten und ihre Skepsis gegenüber dem NS-Verbotsgesetz nicht mehr hinausposaunen sollen was auch Strache selbst schon mehrmals getan hatte. Wahlkämpfe sollen fortan nicht unnötig gestört werden.
Die Bemühungen um eine Entfernung der so genannten Kellernazis, ein Begriff, den der frühere FPÖ-Obmann Norbert Steger prägte, sind bisher immer gescheitert.
Steger wurde von Jörg Haider mithilfe der Burschenschaften am Innsbrucker Parteitag weggeputscht. Haider bediente die Klientel dann jahrelang mit seinem nationalsozialistischen Unterschleif, während er eine rechtspopulistische Partei aufbaute, die zu ihren besten Zeiten fast ein Drittel der Wählerstimmen bekam. Haiders Resonanzboden war eine Art von Volksgemeinschaft, in der sich auch die Burschenschaften wiederfanden. Erst 2004, als Andreas Mölzer bei der EU-Wahl nicht an die erste Stelle gereiht wurde, stellten sich die Korporierten gegen den Parteichef. Es wurde eine siegreiche Machtdemonstration. Mehr aus Not denn aus innerer Überzeugung trennte sich Haider daraufhin von diesem Lager und gründete das BZÖ, das allerdings nur noch in lokalen Resten vorhanden ist.
Das Projekt wird auch diesmal scheitern. Das liegt am Wesen dieser Partei. Schon der Gründung der FPÖ lag das Motiv zugrunde, ehemaligen Nationalsozialisten eine Heimat zu sein. Ihren akademischen Nachwuchs rekrutierte die FPÖ jahrzehntelang vor allem aus den Reihen der Burschenschaften. Einzelne, offen neonazistische Proponenten, wie der frühere NDP-Chef Norbert Burger, traten zwar aus der FPÖ, doch nicht aus ihrer Burschenschaft aus. Das wiederholte sich zwei Jahrzehnte später mit den jungen Neonazis vom Schlage eines Gottfried Küssel.
Rechtsnationale Korporationen hatten bald eine Scharnierfunktion zwischen der Parlamentspartei und dem äußersten rechten Rande eingenommen, der in den Jahren von Schwarz-Blau in die Mitte der Gesellschaft rückte. Zahlreiche Männer mit Schmissen zogen damals in die Verwaltung der Ministerien ein, ins Parlament und in staatsnahe Unternehmen. Dort sind sie zum Großteil heute noch anzutreffen.
Ihre Macht liegt nicht in ihrer Zahl, sondern in der Verankerung in Stabsstellen der FPÖ und ihrer organisatorischen Kraft. Korporierte finden sich in Landtagen, Stadtparlamenten und Bezirksräten. Die Hälfte der freiheitlichen Nationalratsabgeordneten entstammt diesem Milieu, sogar von ganz rechts. Der Klubdirektor der FPÖ im Parlamentsklub etwa ist Mitglied der rechtsextremen Verbindung Olympia, ebenso der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf und Straches Jugendfreund, der Nationalratsabgeordnete Harald Stefan.
Ihr Einfluss liegt freilich auch in ideologischer Übereinstimmung mit der FPÖ-Politik. Die deutschnationale bis rechtsrextreme Sichtweise auf die moderne Welt-Überfremdung schätzt rabiate Anti-Ausländer-Wahlkämpfe. An ihren verharmlosenden Umgang mit der NS-Zeit, die für weite Teile der Gesellschaft, vor allem für Jugendliche, längst vergangene Geschichte ist, hat man sich längst gewöhnt. Die Schamgrenze gegenüber dem Rechtsradikalismus ist hierzulande sowieso weitgehend herabgesetzt, weil die FPÖ immer noch als Koalitionspartner infrage kommt.
Wie es einem beim Durchgreifen so ergehen kann, hat Strache jüngst in Tirol erfahren müssen. Die gesamte Parteijugend, angeblich 600 Mitglieder, trat vor einer Woche geschlossen aus dem Bundesverband aus. Sie protestierte damit gegen Straches Rückendeckung für den derzeit amtierenden, jedoch schwer kranken Landeschef Gerald Hauser, der einige von ihnen als rechtsradikal bezeichnet hatte. Nun hofft der rechte Nachwuchs auf den kommenden Mann, den Tiroler Nationalratsabgeordneten Werner Königshöfer, einen ehemaligen NDP-Aktivisten, der heute noch im Nazi-Jargon von den angestammten Rechten der Wirtsvölker spricht und naturgemäß das NS-Verbotsgesetz gern ändern würde.
Wer würde übrig bleiben, wenn der selbst ernannte Sisyphos so weitermachte? Sein homerisches Vorbild stieß den Felsbrocken immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.