Scheidung

Scheidung: „Den Adonis besser einfrieren“

Interview mit Helene Klaar: „Den Adonis besser einfrieren“

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profil: Frau Doktor, Sie gelten als die feministische Kampfmaschine unter Wiens Scheidungsanwälten. Jetzt werden Sie Ihrem Ruf gerecht, indem Sie einen „Scheidungs-Ratgeber für Frauen“ vorlegen.
Klaar: So lautete der Auftrag des Verlags, meine Idee war das nicht.
profil: Hat man bei Ihnen auch als Mann eine Chance, vertreten zu werden?
Klaar: Natürlich, Klient ist Klient. Die Chemie zwischen mir und dem Klienten muss natürlich stimmen. Abgebrühte Machos landen ohnehin nicht bei mir; meine männliche Klientel sind vorrangig Softies.
profil: Der Männertypus Softie ist ja sozusagen ein Produkt der Frauenbewegung …
Klaar: … und für mich als Anwältin oft sehr anstrengend. Die muss man nämlich oft vor sich selbst schützen, weil sie sich alles gefallen lassen.
profil: Der Mann wird zunehmend zum Problemfall erklärt – von Feminismus und Psychologie sowieso, aber auch vom Sozialministerium, wo ein eigens eingerichtetes Männerbüro mit der Bestandsaufnahme akuter Männerschmerzen betraut ist.
Klaar: Das ist ja so absurd!
profil: Aber es ist eine statistische Tatsache, dass für einige Männer die Scheidung einem Ticket in die Armutsspirale gleichkommt, die auch immer wieder in der Obdachlosigkeit enden kann.
Klaar: Eine billige 20-Quadratmeter-Gemeindewohnung ist zumindest in Wien für jeden berufstätigen Mann zu haben. Es gibt allerdings viele Männer, die aus Rache an ihren geschiedenen Frauen einfach zu arbeiten aufhören.
profil: Es gibt aber auch durchaus erwerbsfähige Frauen, die es vorziehen, nicht zu arbeiten und von ihren Exmännern Unterhalt zu beziehen.
Klaar: Das zahlt sich allerdings nur dann aus, wenn der Exmann mindestens 7000 Euro Nettoeinkommen hat und keine anderen Sorgepflichten. Aber meistens haben reiche Männer mehrere Ehen und auch mehrere Kinder. Um die frische Freundin beischlaf- und kochwillig zu halten, werden dann manchmal auch noch die Kinder der Neuen adoptiert. Rechnen Sie sich also aus, was nach diesen Abzügen von den 33 Prozent des Nettoeinkommens übrig bleibt. Jedenfalls halte ich eine Frau, deren Exmann ein Durchschnittseinkommen besitzt und die ihm zu Fleiß auf einen eigenen Verdienst verzichtet, für grenzdebil.
profil: Die in der Boulevardpresse aufbereiteten Rosenkriege vermitteln uns häufig das Bild der Scheidungsgewinnlerin, die den Mann nach allen Regeln der Kunst abzuzocken sucht.
Klaar: Eine Scheidung bedeutet in jedem Fall für beide Parteien eine markante Herabsetzung des Lebensstandards. Und die Frauen sind heute noch immer erheblich benachteiligt, weil ein Unterhaltsanspruch nur bei alleinigem beziehungsweise überwiegendem Verschulden des Mannes besteht. Ich rate all meinen Klientinnen eigentlich von einer Scheidung ab, außer der Leidensdruck ist wirklich hoch.
profil: Gibt es für Sie eine Maßeinheit für diesen Leidensdruck?
Klaar: Ich frage meine Klienten oft: „Tut es so weh, dass Sie beim Zahnarzt keinen anderen vorlassen würden?“ Wenn das bejaht wird, dann ist für mich die Schmerzgrenze erreicht.
profil: Wie stehen die Chancen einer hoch qualifizierten, kinderlosen Frau auf Unterhalt, die im Zuge ihrer Ehe auf die Ausübung des Berufs verzichtet hat?
Klaar: Schlecht. Ich hatte so einen Fall: beide besser verdienend und Liebhaber der französischen Küche. Da das Zubereiten dieser Mahlzeiten sehr aufwändig ist, hat sie auf seinen Wunsch hin ihren Job aufgegeben. Irgendwann wollte der Mann dann nicht mehr nur französisch essen und hat sich eine Freundin gesucht. Wir konnten damals gerade zwei Jahre befristeten Unterhalt erwirken. Das Problem ist, dass der Staat Hausfrauen für die Ehemänner so billig macht. Müsste der Ehemann Kranken- und Pensionsversicherung zahlen, würde er sich eine solche Entscheidung überlegen. So braucht er seine Hausfrau nur beheizen und beleuchten, ihr zweimal im Jahr zwei Kleider kaufen, und in Wahrheit zahlt die öffentliche Hand diese für ihn so günstige Arbeitskraft.
profil: Wie erklären Sie sich eine Scheidungsrate von 46 Prozent?
Klaar: Die Menschen tendieren häufig dazu, ihren Partner für ihre eigene Unzufriedenheit zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem erliegen sie dem Trugschluss, Liebe wäre die notwendige Voraussetzung für eine Ehe. Das ist ein Missverständnis des 20. Jahrhunderts. Zumindest im Bürgerlichen Gesetzbuch steht davon nichts.
profil: In Ihrem Buch vergleichen Sie die Ehegemeinschaft mit dem Wartungsvertrag, den man mit der Firma eines Kopiergeräts eingeht.
Klaar: Durchaus. Und wie bei einem Wartungsvertrag kann man auch in einer Ehe Vertragsverletzungen vorwerfen. Aber allein der Wegfall der Liebe rechtfertigt keine Scheidung.
profil: Das ist ja furchtbar unromantisch.
Klaar: Romantikerin war ich nie, höchstens Idealistin.
profil: Das Männerbild, das Sie in Ihrem Ratgeber zeichnen, mutet auch nicht sehr idealistisch an. Da gibt es einerseits den hinterfotzig-promiskuitiven Gatten …
Klaar: … der sich aber zu Hause noch immer gern die Rindsrouladen servieren lässt. Männer betrachten außereheliche Verhältnisse nur in Ausnahmefällen als Scheidungsgrund.
profil: Der zweithäufigste Typus, den Sie anführen, ist der autistische Couch Potato, der vor dem TV-Gerät dahinvegetiert.
Klaar: Ich würde mir wirklich wünschen, dass es anders wäre, aber meine berufliche Realität serviert mir genau diese Klischees.
profil: Statistisch gesichert ist aber auch, dass Frauen angesichts solcher Männer zunehmend zum Seitensprung tendieren. Denken wir nur an Rainhard Fendrich, der sich ja medial freiwillig als gehörnter Ehemann inszenierte.
Klaar: Prinzipiell bin ich der Meinung, dass das Prinzip Monogamie nicht ein Leben lang praktizierbar ist. Warum denn auch? Vom professionellen Standpunkt aus muss ich aber jeder scheidungswilligen Frau mit einem Unterhaltsanspruch dringend davon abraten, Ehebruch zu begehen. Zumindest in der sechsmonatigen Frist bis zum Scheidungsantrag.
profil: Aber der Ehebruch gilt doch seit dem Eherechts-Änderungsgesetz aus dem Jahr 2000 nicht mehr als „absoluter Scheidungsgrund“.
Klaar: Die Berichterstattung zu dieser Gesetzesnovelle ist insofern irreführend, als Ehebruch noch immer als schwer wiegende Eheverfehlung gilt, die zur Scheidung führt, wenn dadurch zur Zerrüttung der Ehe beigetragen wurde. Kein schöner Mann ist dieses Risiko wert. Wenn man einem Adonis begegnet, sollte man ihn besser einfrieren und erst nach der Scheidung auftauen – und unter allen Umständen Kalendereintragungen wie „unvergessliche Nacht mit F“ vermeiden. So einen Fall hatte ich einmal. „Warum müssen Sie es denn aufschreiben, wenn es so unvergesslich war?“, musste ich meiner Klientin dann die Ohren lang ziehen.
profil: Als schadensbegrenzende Einrichtung kommen Eheverträge immer mehr in Mode.
Klaar: Für mich zielen diese von den Notaren natürlich heftig beworbenen Eheverträge nur auf die Rechte der Frauen ab. Die Aufteilung des innerhalb der Ehe erworbenen Vermögens zu zirka gleichen Teilen ist für mich noch immer der frauenfreundlichste Teil des Scheidungsrechts. profil: Der Fall Christian hat dramatisch das Gesetzesdilemma gemeinsame Obsorge vorgeführt.
Klaar: Ein reiches Betätigungsfeld für Mediation. Benachteiligt sind natürlich wieder einmal die Frauen. Nachdem die meisten Männer nicht daran interessiert sind, die Kinder rund um die Uhr zu betreuen, lastet die Verantwortung sowieso bei den Müttern. So haben sie 100 Prozent der Pflichten, aber nur 50 Prozent der Rechte.
profil: Es gibt auch immer wieder Scheidungsmütter, die ihre Kinder als Druckmittel gegen die Väter einsetzen, indem sie diesen das Besuchsrecht verweigern.
Klaar: Ein marginaler Prozentsatz im Vergleich zu jenen Müttern, die daran verzweifeln, wie selten die geschiedenen Väter Kontakt mit ihren Kindern aufnehmen. Mich haben Mütter schon gebeten, den Vätern Geld anzubieten, damit sie ihre Kinder wenigstens einmal besuchen. Das habe ich natürlich abgelehnt.
profil: Würden Sie einen solchen Kontaktverweigerer als Klienten akzeptieren?
Klaar: Dem würde ich höchstens ins Gesicht springen.
profil: Mögen Sie Männer eigentlich noch?
Klaar: Ich habe durchwegs positive Erfahrungen mit Männern gemacht. Mir tun nur die Frauen so wahnsinnig Leid, die an jene Männer geraten, die ich in meinem Privatleben nie kennen lernen musste.
profil: Sie sind seit 1977 verheiratet. Was ist das Geheimnis Ihrer Ehe?
Klaar: Meine beruflichen Erfahrungen. Nach all dem, womit ich täglich konfrontiert bin, erscheint mir mein eigener Mann jeden Tag wie Dornröschens Prinz.