Die gutgekleideten Antikapitalisten aus Schweden sind zurück
Warum wir uns über das neue Refused-Album freuen sollten

17 Jahre später: Warum wir uns über das neue Refused-Album freuen sollten

Warum wir uns über das neue Refused-Album freuen sollten

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„Ein unerträglich lahmer, langsamer Unfall“, schreibt der „Bayerische Rundfunk“. „Zu selbstgerecht: Refused zitieren lediglich sich selbst“, urteilt das deutsche Branchenblatt „Spex“. Und auch das einflussreiche US-Online-Portal „Pitchfork“ lässt kein gutes Haar am vierten Album der Schweden: „Kein Song ist vom anderen unterscheidbar.“ Doch was hier als Kritik daherkommt, ist in erster Linie die Enttäuschung darüber, dass eine Band es wagt, am eigenen Mythos zu rütteln.

Ein kurzer Rückblick: 1998 warfen „Refused“ mit „The Shape of Punk to Come“ der kleinen Hardcore- und Punk-Rock-Welt ein antikapitalistisches Musikmanifest um die Ohren, dass es nur so rauchte. Als der Rauch verflogen war, hatte sich die Band bereits aufgelöst – doch ihr Erbe sollte in den kommenden Jahren dutzende Bands prägen und das Genre nachhaltig verändern. Doch das Feuer schien nie ganz erloschen zu sein, und im April 2012 kam es zur vielbeachteten Reunion–Show beim Coachella-Festival in den USA. Gage: 500.000 Dollar. Neue Musik gab es damals nicht zu hören. Drei Jahre später ist es nun mit „Freedom“ soweit. Skepsis und Verwunderung sind durchaus angebracht.

Muss das immer noch sein? Die Antwort: Ja!

Refused, die Bandmitglieder sind mittlerweile Anfang Vierzig, klingen wie der obergescheite, besserwisserische, aber eloquente Gymnasiast, der auf der Feier zum 20-jährigen Maturajubiläum nicht über Kinder, Urlaube und Hausfinanzierung reden möchte, sondern immer noch jede Menge Slogans parat hat, um die Ungerechtigkeit der Welt anzuprangern. Das fängt beim Albumtitel an und zieht sich bis zum Ende durch.

Dawkins Christ“, eine Auseinandersetzung mit dem dogmatischen Atheismus des britischen Biologen Richard Dawkins, klingt textlich, als ob Sänger Dennis Lyxzen Diskussionen aus dem Religionsunterricht wiedergibt. Das Antikolonialisierungslied „Francafrique“ vermittelt den Eindruck, als ob ein 17-Jähriger zum ersten Mal Joseph Konrads Buch „Heart of Darkness“ in die Hand bekommen hätte. Und „War on the Palaces“ ist ganz offensichtlich Georg Büchners Aufruf „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ entnommen. Ein Klassiker der Deutsch-Matura.

Sloganhaft und voller Kunst-, Politik und Ästhetik-Referenzen waren die Herren aus dem nordschwedischen Umea schon immer. Aber wenn man nicht mehr Anfang Zwanzig ist, sondern schon auf seinen Fünfziger zugeht, darf man die Frage stellen: Muss das immer noch sein? Die Antwort: Ja! Und es sollte uns – zumindest für einen Song lang – aufrütteln.

Refused geben nicht vor, sich in den letzten zwei Jahrzehnten als Menschen nicht weiterentwickelt zu haben

„Nothing has changed“, heißt es ordentlich krachend im Opener „Elektra“. Was den politischen und ökonomischen Zustand der Welt anbelangt, trifft diese einfache Feststellung nach 20 Jahren immer noch zu. Auch wenn man weiß, dass Slogans die Welt nicht verändern und das Leben nicht den Schwarz-Weiß-Bildern eines Drei-Minuten-Songs entspricht.

Gleichzeitig geben „Refused" nicht vor, sich in den letzten zwei Jahrzehnten als Menschen nicht verändert und weiterentwickelt zu haben. „Als erwachsene Männer haben wir uns in einer widersprüchlichen Welt zurechtgefunden“, meint Schlagzeuger David Sandström in einem Interview. Und zu diesen Widersprüchen gehört eben auch, dass „Refused" ihre antikapitalistischen Hits heute nicht mehr in Kellern vor 100 Leuten spielen, sondern auf großen, von Multimillionen-Unternehmen gesponserten Festivals.

Auch wenn sich die jugendliche Unschuld an den Rändern ein wenig ausgefranst haben mag. Dass „Refused“ sich nicht auf ihrem Mythos ausruhen, im Jahr 2015 weiterhin glaubwürdig Musik mit Politik verbinden und dabei nach wie vor fesch angezogen sind, ist ein Grund zur Freude.

Am 8. Oktober spielen „Refused" mit „Rise Against" in der Wiener Stadthalle.