Christian Rainer: Gerechtigkeit für Österreicher

Mindestsicherung für alle? Ja, und Gratisvanilleeis.

Drucken

Schriftgröße

Diese Woche über Trump schreiben oder über Österreich? Versuchen wir beides mit Fokus auf Österreich. Der verbindende Gedanke sind Menschen mit Migrationshintergrund, um den weitest möglichen Begriff zu verwenden, und ich meine damit nicht unsere größte Migrantengruppe, die Bundesdeutschen, auch nicht mich selbst, der ich mit einer sudetendeutschen Mutter statistisch auch zu den Migranten zähle.

Ich meine jene Menschen, die den Ausgang der Wahl in den USA entschieden haben, die Bundespräsidentenwahl in Österreich entscheiden werden, den Brexit verursacht haben: Ausländer, die wegen ihres rezenten Zuzugs, ihrer Sprache, ihrer sozialen Verhältnisse, ihrer Religion, ihrer Nichtintegration für die Wähler als nichtzugehörig gelten, die abgegrenzt werden, sich abgrenzen, jedenfalls abgegrenzt sind. Während ich „Change“ für einen Blindgänger halte, dessen Bedeutungsinhalt sich nicht erschließt, sodass ich seine Existenz inzwischen anzweifle, ist der „Ausländer“ das alles entscheidende Wahlmotiv dort wie da wie hier. Wahrscheinlich ist das eine ohnehin nur die Fassade, die potemkinsche Verbalwand für das andere, „Change“ das politisch korrigierte Substantiv für „Alien“.

In Österreich wird dieser Fremde, dieses Fremde derzeit mit einem weiteren unverdächtigen Wort umschrieben, dessen politische Behandlung damit klinisch sauber und neutralisiert aufbereitet: „Mindestsicherung“. Der Krieg zwischen den Bundesländern und dem Bund, zwischen den Bundesländern untereinander, in Wahrheit aber zwischen ÖVP und SPÖ wurde mangels des Willens und der Fähigkeit, die Sache wahrhaftig zu diskutieren, dorthin verlagert: Wie viel sollen diese Fremden an finanzieller Unterstützung bekommen, als Mindestsicherung, Arbeitslosengeld, Kindergeld oder sonst wie; sollen sie gleich viel haben wie die sogenannten Österreicher; soll ein Arbeitsloser dasselbe bekommen wie ein Arbeitender; sollen Kinder die gleiche Beihilfe beziehen, auch wenn sie im Heimatland bei niedrigen Kosten leben?

Würden wir die Sache wahrhaftig diskutieren, dann lautete die Frage so: Darf man Asylwerber, anerkannte Flüchtlinge, Menschen mit unklarem Status sowie deren Verwandtschaft anders behandeln als den Rest der „Österreicher“? Ich meine ja, und ich verstehe die Argumentation der Sozialdemokraten nicht, ich halte sie für inhaltlich falsch und für politisch lebensgefährlich.

Was sind die Argumente für eine schlechtere Behandlung? Dass diese Differenzierung aus europarechtlichen Gründen nicht möglich sei, ist jedenfalls kein Argument dagegen: Dann muss man diese Bestimmungen eben ändern oder negieren. Ebenso wenig will ich die Forderung akzeptieren, Bürger zweiter Klasse dürfe es nicht geben. Es gibt Hunderte Klassen von Bürgern, differenziert nach Alter, Geschlecht, Ausbildung, Einkommen, Wohnort, Familienstand, Religion, Zufall. Zum Teil sind diese Unterschiede oktroyiert, zum Teil selbst gewählt, zum Teil einer Realität geschuldet.

Differenzierte Behandlung, finanzielle Belohnung und Bestrafung sind kein Feind der Integration, sondern können sie fördern und, wenn es sein muss, erzwingen.

Warum also soll etwa ein anerkannter Flüchtling mit oder ohne Familie vom österreichischen Staat mehr bekommen, als er unbedingt zum Leben braucht (warum nicht in Form von Sachleistungen)? Er unterscheidet sich eben durch Integration in progress (oder ohne) von anderen Menschen hier, und vom Fortschritt dieser Integration soll auch sein finanzieller und rechtlicher Status abhängig sein. Ich sehe die Ungerechtigkeit nicht. Alleine die Möglichkeit, hier zu sein, den Frieden zu leben, die Infrastruktur der Republik zu nutzen, die Bildungseinrichtungen sind wertvolle Güter. Ich verstehe umgekehrt, dass Österreicher eine Gleichstellung als ungerecht empfinden, als eine Enteignung von Heimat; ich verstehe das, obwohl ich es in meinem Wohlstand und meiner Blase nicht so empfinde. Es muss zumindest symbolische Unterschiede geben, besser deutlich reale.

Ich will mich nicht auf die Diskussion einlassen, ob diese Schlechterstellung die Integration behinderte (glaube ich nicht). Ich halte es hingegen für eine uneingeschränkte Pflicht von Zugezogenen, sich in jeder Form an diesem Staat zu beteiligen und die über Jahrzehnte erarbeiteten, erkämpften gesellschaftlichen und politischen Grundregeln, die Liberalität und die Demokratie lückenlos zu akzeptieren.

Vergangene Woche erzählte mir ein junger Mann folgende Geschichte: Vier syrischstämmige Schüler hätten eine mit ihm befreundete Lehrerin so gequält, dass diese am Ende des Schuljahrs in Frühpension gegangen sei. Handhabe hätte es keine gegeben, vor Disziplinarmaßnahmen wie Rauswurf fürchte sich angesichts von Schulpflicht „sicher niemand“. Was helfen würde? „Hätte man dem Vater die staatlichen Zuwendungen gekürzt, hätte der Terror schlagartig aufgehört.“

So sehe ich das auch: Differenzierte Behandlung, finanzielle Belohnung und Bestrafung sind kein Feind der Integration, sondern können sie fördern und, wenn es sein muss, erzwingen. Und sie würden die innenpolitische Notlage stabilisieren.