Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Kein täglicher Kontakt

Kein täglicher Kontakt

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1.
Justizministerin Bandion-Ortner bringt es auf den Punkt. Bei der gemeinsamen Obsorge gehe es, sagt sie in einem Zeitungsinterview1), „nicht um den täglichen Kontakt. Es heißt nicht, dass der Vater ständig bei der Familie sitzt. (…) Gemeinsame Obsorge bedeutet nur Mitsprache in wichtigen Angelegenheiten wie Schulauswahl, ärztliche Behandlung.“
Richtig. Und genau das befürchten die von der Justiz­ministerin so genannten Frauenvereine (deren ablehnende Haltung Bandion-Ortner, wie sie im selben Interview auch sagt, nicht versteht): dass die Mühen des Alltags weiterhin an den Müttern hängen bleiben, während die Väter von außen hineinregieren dürfen.

Mutter strudelt sich ab, betreut, versorgt, hilft bei den Schulaufgaben, bringt zum Blockflötenunterricht, steht nachts auf, streicht Pausenbrote, besorgt Hefte und Turnbeutel, organisiert Spielgruppen, besänftigt Lehrerinnen, hört zu, tröstet, erklärt, kriegt kindlichen Frust ab, alles solo, oh ja, keine Angst, niemand will ihr die vielen Pflichten streitig machen, aber wenn’s um was wirklich Wichtiges geht, zum Beispiel um die Frage, ob das Kind eine Zahnspange braucht, dann hat sie den Kindesvater zu konsultieren.

Ist das das Modell, das zur Debatte steht? Und wie soll ein Vater, der sich nicht ins tägliche Leben einbringt, eigentlich wissen, welche Schule die richtige für sein Kind ist?

Ich kenne die Reaktionen, die ich auf Fragen wie diese zu erwarten habe. Tenor: Auch Väter wären ja bereit, zu betreuen und zu versorgen, wenn machtgierige Mütter sie nicht dar­an hinderten. Und überhaupt gehe es ums Kindeswohl, nicht um das von Vätern oder Müttern.

Na ja. Offenbar sollen aber, siehe Zitat, die Väter genau zu dem Verhalten nicht verpflichtet werden, das dem Kindeswohl am zuträglichsten wäre: zu einer liebevollen, kontinuierlichen Teilnahme am Alltag des Kindes. Stattdessen: Mitbestimmung. Entscheidungsrecht. Ob der Vater Zeit findet, mit dem Kind Mathe zu lernen, kann er sich demnach weiterhin aussuchen, aber wehe, die Mutter gibt das Kind ohne seine ausdrückliche Zustimmung in eine Musikhauptschule!

Dient das dem Kindeswohl? Ich bezweifle gar nicht, dass es betreuungswillige Väter gibt. Aber solange sich die Obsorgediskussion nicht ums Betreuen dreht, sondern ums Anschaffendürfen, solange nicht Pflichten zur Debatte stehen, sondern bloß Rechte, ist ihre (potenzielle) Betreuungsbereitschaft ein zu unsicherer Faktor, als dass er ein Gesetz rechtfertigte, das einem Elternteil die ganze Erziehungsarbeit umhängt und es dem anderen freistellt, ob er sich daran beteiligen oder nur dreinreden möchte. Und so lange ist auch das Gerede vom Kindeswohl eine hohle Phrase. Wenn die automatische gemeinsame Obsorge Kindern tatsächlich die verantwortungsvolle Zuwendung beider Elternteile garantierte, dann wären die Frauenvereine als Erste dafür, davon bin ich überzeugt.

Die spezielle Rechtslage der unehelichen Väter? Die ist noch einmal differenzierter zu sehen. Denn: Es gibt Eltern, die unverheiratet Paare waren und als solche Kinder in die Welt gesetzt haben. Für sie sollte gelten, was auch für geschiedene Eltern gilt.

Es gibt aber auch Männer, die deswegen nicht geheiratet haben, weil sie familiäre Verantwortung von vornherein scheuten. Die kein Kind wollten. Die kein Kind mit der Kindesmutter wollten. Die sich’s anders überlegt haben während ­ihrer Schwangerschaft. Die sollen ebenfalls mitbestimmen dürfen? Haben zwar an und für sich mit Mutter und Kind nichts am Hut, müssen aber gefragt werden?

Ja, vielleicht wollen sie eh nur ihre Ruhe. Vielleicht kommen sie aber auch auf den Gusto der Machtausübung, schon gar, wenn sie Unterhalt zahlen soll(t)en. Kleine Deals sind denkbar: Du verzichtest auf die Alimente fürs Kind, dafür verzichte ich darauf, gefragt zu werden.

Nein, muss nicht sein. Kann aber. Und falls ja, hätten solche Väter dann das Gesetz auf ihrer Seite. Wozu? Im Interesse des Kindeswohls? Das Klischee von der Samenräuberin, die einen Mann nur benützt, um sich schwängern zu lassen, und ihm anschließend die Frucht seiner Lenden vorenthält, kenne ich. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es in der Realität eine große Rolle spielt, schon gar nicht eine so große, dass es zur Gesetzesgrundlage taugte.

2.
Der niederösterreichische Landeshauptmann hat eine politische Aussage der Unterrichtsministerin in einem Interview2) mit der Vokabel „herzig“ abgetan. Das war ein sexistischer Sager, keine Frage. Das Attribut „herzig“ drückt eine Geringschätzung aus, die speziell auf die angebliche Bedeutungslosigkeit von Frauen abzielt. Herzig. Wie ein Kind, ein Hund, ein Katzerl. Lass es krabbeln und brabbeln. Is eh wurscht.

BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner rügte Pröll daraufhin mit den Worten, er wisse sich „offenbar nicht gegenüber einer Frau und noch dazu einer Bundesministerin zu benehmen“3).

Ein Feminist? Leider nein. Im Gegenteil. Auch das Einfordern spezieller Höflichkeiten im Umgang mit Frauen (Damen) unterstellt, dass sie eine leichtgewichtige, weil schonungsbedürftige Spezies seien. Pröll muss bei Schmied gar nicht den Kavalier raushängen lassen. Er muss sie nur respektieren. Und das hat er verabsäumt.

1) Mit dem „Kurier“ vom 6.9.2010.
2) Mit der Zeitung „Österreich“ am 4.9.2010.
3) Laut „Standard“ vom 6.9.2010.

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