Fast möchte man sagen: Danke, Frauke Petry!

Mit ihrem Bekenntnis zu tödlicher Gewaltanwendung öffnet uns die deutsche Rechtspopulistin die Augen, was „Festung Europa“ wirklich bedeuten würde. Ein Kommentar von Martin Staudinger.

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Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, aber: Eigentlich muss man Frauke Petry dankbar sein. Mit ihrem Bekenntnis, notfalls auf illegale Einwanderer schießen zu lassen, hat die Chefin der rechtsnationalen AfD (Alternative für Deutschland) eine längst überfällige Fragestellung aufgeworfen.

In den vergangenen Monaten wurde völlig zurecht über die weitere Vorgangsweise in der Flüchtlingskrise gestritten – und darüber, wie sich das alles ausgehen soll mit Unterkünften, Sozialleistungen, Jobs und Integrationsmaßnahmen für hunderttausende Neuankömmlinge.

Die Flüchtlingsversteher, die als Antwort darauf vorerst nicht viel mehr anbieten können, als guten Willen und Optimismus, mussten sich als weltfremd und naiv verhöhnen lassen, weil sie keinen konkrete Plan haben – im Gegensatz zu den Abschreckungskulturbeauftragten, für die alles ganz einfach ist: Grenzen so dicht, Asylrecht so scharf und Abschiebungen so schnell und umfassend wie nur möglich.

Wie weit sollten und müssten wir bei der Abwehr von Flüchtlingen und Migranten gehen?

Wie das konkret umgesetzt werden soll und was die Konsequenzen daraus wären, blieb bislang aber unausgesprochen.

Petrys Aussagen wären ein guter Anlass, das zu ändern. Also, Frage an die Verteidiger der Festung Europa, also Nullzuwanderungs- und Totalabschottungsfetischisten wie den Straches, den Pegida-Marschierern und den unzähligen Online-Foren-Wüterichen: Wie weit sollten und müssten wir bei der Abwehr von Flüchtlingen und Migranten gehen?

Wir müssen die Schengen-Außengrenzen durchgehend mit Zäunen und Mauern, Überwachungskameras und Drohnen sichern, soviel ist klar. Und dann? Zuschauen, wie sich davor eine immer größere Zahl von Menschen ansammelt. Und wenn sie einfach bleiben? Die Bewachung verstärken und weiter zuschauen. Und wenn die Leute da vor den Zäunen versuchen, über die Grenze zu kommen? Wasserwerfer, Gummigeschoße und Tränengas einsetzen. Und wenn das nichts nützt? Die Hunde auf sie hetzen.

Und wenn das auch nicht reicht – erschießen wir sie dann?

Wir müssen zudem die Mittelmeerstrände des Kontinents abriegeln, mit Stacheldrahtrollen, Befestigungsanlagen und Marinepatrouillen. Und dann? Warten, dass die Boote kommen. Und wenn wir sie sehen? Sie abdrängen oder zurückschleppen. Und wenn sie kentern? Die Leute aus dem Wasser fischen und wieder dort aussetzen, wo sie hergekommen sind.

Konsequent weitergedacht, werden wir uns auf der Skala der Gewaltanwendung langsam, aber absehbar in Richtung letaler Eskalation bewegen.

Und wenn es die, die nicht ertrunken sind, immer wieder versuchen – versenken wir sie dann mitsamt ihren Booten?

Wir müssen abgelehnte Asylwerber auch konsequent und rasch abschieben. Und wie? Auf dem Luftweg. Und wenn sie sich wehren? Militärmaschinen einsetzen, damit ist es einfacher, sie zwangsweise zu transportieren. Und dann? Sie in ihre Heimatländer fliegen. Und wenn diese sich weigern, ihre Staatsbürger zurückzunehmen? Trotzdem landen und die Leute aus dem Laderaum prügeln.

Und wenn wir an der Landung gehindert werden – werfen wir die Abgeschobenen dann einfach aus dem Flugzeug?

Konsequent weitergedacht, werden wir uns auf der Skala der Gewaltanwendung langsam, aber absehbar in Richtung letaler Eskalation bewegen, wenn wir die Phantastereien von einer Flüchtlingspolitik mit harter Hand ernsthaft realisieren wollen – ohne gleichzeitig alles zu tun, um die tieferen Ursachen der Krise zu beheben.

Das sollten diejenigen, die brutale Abschottung als Lösung aller Probleme sehen, ehrlicherweise auch aussprechen. So wie Frauke Petry es getan hat: Damit klar ist, wovon sie reden, wenn sie „Festung Europa“ sagen.