Michael Nikbakhsh: Zugangssperre
Parlamentarischer Untersuchungsausschuss also. Sonderkonjunktur für das Berichterstattungsgewerbe. Geschichten ohne Ende. Große Bühne. Oder Tribunal. Je nachdem, auf welcher Seite des Tisches man zu sitzen kommt. Für den Voyeur in uns ist ein Untersuchungsausschuss zunächst einmal eine geile Sache. Erst recht, wenn es gilt, ein Fünf-Sterne-Deluxe-Desaster à la Hypo Alpe-Adria zu entblättern.
Parlamentarischer Hypo-Untersuchungsausschuss also. Der erste, der nach den neuen Verfahrensregeln abgeführt wird. Komplizierte Sache. Juristisches Neuland. Woche eins hat eines deutlich gemacht: Das wird mühsam. Debatten ohne Ende. Opposition versus Regierungsparteien. Was darf öffentlich gemacht werden? Was nicht? Bank-, Geschäfts-, Amts- und Berufsgeheimnis versus öffentliches Interesse. Früher wurden sensible Dokumente einfach nur geschwärzt. Heute werden sie „klassifiziert“: von „eingeschränkt“ über „vertraulich“ bis zu „geheim“ oder gar „streng geheim“ (wobei letztere Aktenstücke wenig überraschend die interessantesten sind). Zeugenlisten sind vorab öffentlich nicht mehr zugänglich, der vorübergehende Ausschluss der „Medienöffentlichkeit“ aus Hearings ist explizit vorgesehen – dann nämlich, wenn es um „Schutz von Interessen der Allgemeinheit, der Auskunftsperson, von Interessen Dritter, von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ geht oder überhaupt „im Interesse der Wahrheitsfindung erforderlich“ ist (Zitat Parlamentsdirektion). „Wahrheitsfindung“ hinter verschlossenen Türen? Was soll das? Hatten wir davon seit der Notverstaatlichung der Bank Ende 2009 nicht schon genug?
Längst eilt der Vorwurf der „Vertuschung“ durch die Couloirs des Parlaments. Es ist ja kein Geheimnis, dass SPÖ und ÖVP den Ausschuss partout nicht wollten. Die Bundesregierung hat die Bank 2009 verstaatlicht, weil es angeblich keine Alternative gab. Wenn schon einer Verantwortung für das Schlamassel hat, dann ja wohl nur Jörg Haider. Noch Fragen? (Es wird übrigens interessant sein, zu sehen, wie engagiert Straches FPÖ agiert, wenn es an die Aufarbeitung der Ära Haider geht.)
Womit wir beim eigentlichen Dilemma dieses Ausschusses wären: Er kommt fünf Jahre zu spät.
Seit jenem schicksalhaften Wochenende im Dezember 2009, an welchem der damalige ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder (Kanzler Faymann war den Verhandlungen ferngeblieben – er dürfte gewusst haben, warum) sich vom Freistaat Bayern über den Tisch ziehen ließen, war die Hypo Gegenstand Tausender Pressemeldungen. Es war vor allem der Arbeit von Journalisten geschuldet – also eben jenen, die jetzt im Bedarfsfall ausgesperrt werden sollen –, der Öffentlichkeit aufzuzeigen, was die Regierung nach Kräften kleinreden wollte. Eine in dieser Form beispiellose Fehlleistungsschau, die spätestens seit Vorliegen der Berichte der Griss-Kommission und des Rechnungshofes amtlich ist.
Das „System“ – Manager, Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer, Landespolitiker, Finanzmarktaufsicht, Nationalbank, Finanzprokuratur, Finanzministerium, Bundeskanzleramt und die staatliche Bankenholding „Fimbag“ – hat versagt. Kollektiv. Vor, während und nach der Verstaatlichung.
Erst konnte die Bank unmöglich pleitegehen, weil das Land Kärnten ja bedingungslos haftete. Dann durfte sie keinesfalls pleitegehen, weil das Land Kärnten ja bedingungslos haftete.
In der Sache selbst wird der Ausschuss kaum neue, gewichtige Fakten relevieren. Wie denn auch: Die großen Trümmer sind längst gehoben. Er wird aber ohne Zweifel bemerkenswerte Einblicke in das Selbstverständnis einiger Damen und Herren geben. Josef Pröll und Maria Fekter zum Beispiel. Zwei Finanzminister, die der Tragweite ihrer Entscheidungen nicht annähernd gewachsen waren, dies aber nicht einbekennen wollen (erstaunlich genug, dass Frau Fekter immer noch im Nationalrat sitzen darf). Oder Werner Faymann, der, so er überhaupt kommt, wortreich erklären wird, warum er vom 13. auf den 14. Dezember 2009 verhindert war. Oder die Nationalbank-Granden Ewald Nowotny und Andreas Ittner, die der Hypo noch Ende 2008 bescheinigten, sie sei „nicht Not leidend“ – und bis heute nicht schlüssig erklären konnten, wie sie darauf kamen. Die Bank war bekanntlich damals schon wirtschaftspolitisches Notstandsgebiet.
Was wird dieser Ausschuss, der uns das gesamte Jahr 2015 begleiten und beschäftigen wird, also bringen? Die Erkenntnis, dass in Österreich auch 2015 Schlüsselfunktionen nicht notwendigerweise mit den richtigen Leuten besetzt sind. Und dass einige von ihnen an einer verschleppten retrograden Amnesie laborieren, die sich in spontanen „Das ist mir nicht erinnerlich!“-Ausrufen manifestiert. Kennt man aus dem Korruptionsausschuss 2012.
Dennoch – oder gerade deshalb – müssen die Parlamentarier die lähmenden Querelen um „Geheimnisse“ (die zu großen Teilen ohnehin keine mehr sind) zügig beilegen und diesen Ausschuss professionell und vor allem transparent abführen. Und sie müssen sich am Ende auf einen gemeinsamen, öffentlich zugänglichen Abschlussbericht verständigen.
Wir Journalisten bleiben jedenfalls dran. Ausgesperrt oder nicht.