SATIRE

Schadensbegrenzung

Wird die Spionageaffäre Herbert Kickl und der FPÖ bei der Wahl schaden? Na klar! Wir leben ja schließlich nicht im postfaktischen Zeitalter.

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Ein bisschen stolz war der Volkskanzler schon. Nicht, dass er das nicht öfter gewesen wäre, in Bezug auf sich selbst. Oder auch … dauernd. Aber man wurde schließlich nicht jeden Tag als Nationaler zum internationalen Role Model. Darauf konnte man sich schon was einbilden. Wobei, genau genommen war das der Herbert ja gar nicht erst seit jetzt, sondern eh schon länger. Seit er damals im 24er-Jahr diese ganzen Schwachmaten Lügen gestraft hatte, die sich tatsächlich eingebildet hatten, die sogenannte Spionageaffäre wäre der Wendepunkt im Wahlkampf und könnte ihn auf seinem Weg zum Volkskanzler stoppen. Aber jetzt war durchaus ein Höhepunkt erreicht. Ein vorläufiger zumindest, man durfte sich mit Erreichtem ja nie zufriedengeben. Jedenfalls: Donald Trump hatte es wirklich getan! Er hatte seinen Worten Taten folgen lassen. Das musste man den Amis ja wirklich lassen, die waren uns beim Anpacken und Umsetzen immer noch voraus, der Pioniergeist einfach. Und das Beste war: Trumps Aktion war ein voller Erfolg geworden! Und jetzt war überhaupt the sky the limit.

Herberts 24er-Wahltriumph über die Normativität des Faktischen hatte die rechte Kollegenschaft weltweit endgültig zu einer ganz fundamentalen Einsicht geführt. Und die hieß: Wuascht! Es war alles völlig wurscht! Sie konnten sich alles erlauben. Die FPÖ gefährdete massiv die Sicherheit Österreichs, indem sie sich und gleich auch das ganze Land mit Haut und Haaren an Russland verkauften? Wuascht! Weil: Aberzig Millionen Opfer der Corona-Diktatur! Wie der von den Systemmedien natürlich verschwiegene Fall eines autochthonen vierfachen Familienvaters aus dem Innviertel, dessen ganze berufliche Existenz durch einen Impfschaden vernichtet wurde! Der steht auf einmal da als 54-jähriger Wünschelrutengänger – und findet keine Wasseradern mehr. Aber hilft dem vielleicht wer? Nein! Weil wir das Geld ja den Islamisten, die über die Grenze kommen, in die Hand drücken müssen, damit sie sich ein ordentliches Messer kaufen können. Aber jetzt wehren wir uns!

Herberts Erfolg zeigte, dass alles geht, solange die anderweitige Themensetzung passte. Und er stachelte damit durchaus den sportlichen Ehrgeiz der Kollegen an. Als erste versuchte ihn Marine Le Pen zu übertrumpfen, die sich zugegeben noch dazu an ein bei der Hauptkundschaft wesentlich heikleres Thema wagte, als es übertriebene Russlandnähe gewesen wäre. Wobei das ja ehrlich gesagt bald einmal was war. Jedenfalls leakte die französische Präsidentin damals, bevor sie zu dieser wurde, selbst die Story, dass sie einen illegalen Migranten aus Gambia als Poolboy in ihrem neureichen Landhaus beschäftigte. Zuerst gingen ihre Beliebtheitswerte nach diesem Skandal zwar merklich nach unten. Aber der Trend drehte sich rasch wieder, als ruchbar wurde, dass sie ihn wenigstens sexuell belästigt hatte. Herbert hatte ihr damals auch auf Telegram gratuliert, man war ja schließlich Sportsmann.

 „Le Pens Poolboy ist ein Illegaler aus Gambia.“

Der Nächste war, wie konnte es denn auch anders sein, Viktor Orbán. Der verkraftete es natürlich gar nicht, wenn einmal nicht er der Vorreiter war! Also gab er sich beim Nachziehen umso mehr Mühe. Er ließ sich von Putin eine 300-Zimmer-Villa am Balaton finanzieren und sich dann in deren Park mit dem adipösen Nordkoreaner beim Boccia ablichten. Nun ja. Da war Marine zweifellos ambitionierter gewesen. Aber der Wille stand fürs Werk.

Einer nach dem anderen folgte: Wilders, die AfD, Fico. Jeder wollte beweisen, dass er es genauso draufhatte. Aber dann kam Donald.

Eines sonnigen Nachmittags in New York City ließ der daraufhin wiedergewählte US-Präsident seinen Worten Taten folgen und lieferte den Sachbeweis für sein Bonmot „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen – und ich würde keine Wähler verlieren!“ Er holte mit seiner Halbautomatischen, wie in unzähligen, mit Millionen Likes geadelten Videos auf unabhängigen Medienportalen wie „Truth Social“ oder „FPÖ-TV“ nachzusehen, einen Pizzaboten vom E-Bike, der auf dem Gehweg fuhr. Nicht ohne sich zuvor mittels einer groß anlegten Umfrage versichert zu haben, dass eine relative Mehrheit Pizzaboten mit E-Bikes auf Gehwegen stark bis sehr stark ablehnt. Und leider erst nachdem er vorher vier andere verfehlt hatte. Und dabei unglücklicherweise einem zufällig am selben Gehweg vorüberäußerlnden Chihuahua einen Streifschuss am linken Ohr zugefügt hatte – was seine Wiederwahl dann doch noch zu einem äußerst knappen Rennen werden ließ, vor allem im Seniorenheim-Staat Florida. Das war auch, bei aller Bewunderung für Trumps Zug zum Tor, ein wirklich dummer Anfängerfehler gewesen. Umso erstaunlicher, dass er trotzdem gewonnen hatte.

Und es zeigte erst recht, was alles möglich war. Und irgendwo überlegte auch schon sicher einer der zahllosen verantwortungsvollen Populisten da draußen, wie man die Schraube noch weiterdrehen konnte – und trotzdem gewann. Oder gar: deshalb?

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort