Sven Gächter über den Fall Jan Böhmermann

Erdoğan hat gewonnen: Der Fall Jan Böhmermann

Sven Gächter über den Fall Jan Böhmermann

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Im deutschen Fernsehen fungiert Jan Böhmermann als eine Art Generalbevollmächtigter für popmoderne Satire jenseits der landläufigen Comedy-Idiotie à la Mario Barth. Diesen Ruf hat sich der 35-Jährige redlich erarbeitet: Mit der Behauptung, das berüchtigte Stinkefinger-Video von Yanis Varoufakis sei in Wahrheit eine von ihm selbst angefertigte Fälschung, narrte er vor einem Jahr den gesamten Medienbetrieb. Auf dem Höhepunkt seiner subversiven Potenz wäre er vermutlich auch nicht davor zurückgeschreckt, die Urheberschaft der Panama Papers kurzerhand für sich zu beanspruchen.

Ein Satiriker, der den Schwanz einzieht, ist ein trauriger Anblick. Noch trauriger stimmt nur, dass der Satiriker dazu gezwungen wurde, den Schwanz einzuziehen.

Böhmermanns subversive Konstitution ist derzeit jedoch einigermaßen angeschlagen, nachdem er beim Versuch, am türkischen Präsidenten Recep Erdoğan ein brachial-satirisches Exempel zu statuieren, kopfüber auf dem Boden der medien- und strafrechtlichen Tatsachen landete: Der Sender ZDFneo distanzierte sich mit Nachdruck von seinem Hofnarren, und die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts (Höchststrafe: drei Jahre Gefängnis). "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe“, schrieb der Delinquent auf Facebook. Die Causa Böhmermann birgt zwei ernüchternde Einsichten: Ein Satiriker, der den Schwanz einzieht, ist ein trauriger Anblick. Noch trauriger stimmt nur, dass der Satiriker dazu gezwungen wurde, den Schwanz einzuziehen - von den Sachzwängen einer Realpolitik, in der Humor (und sei er noch so geschmacklos) gnadenlos geahndet wird. Erdoğan hat gewonnen, und das ist kein Witz.

Sven   Gächter

Sven Gächter