Gernot Bauer

Gernot Bauer Gemischtes Doppel

Leitartikel. Gemischtes Doppel

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In den Umfragen liegen Michael Spindelegger und Peer Steinbrück gleichauf. Wären kommenden Sonntag Wahlen, käme die ÖVP auf 25 Prozent. Die SPD liegt laut ZDF ebenfalls bei 25 Prozent. Die amtierenden Kanzler werden es auch nach den Wahlen am 22. (D) beziehungsweise 29. September (Ö) bleiben. Werner Faymanns SPÖ werden derzeit 29 Prozent prognostiziert, den Unionsparteien CDU/CSU gar 41 Prozent.

Aus Perspektive der deutschen Sozialdemokraten sind die Werte der Ösi-Genossen zumindest in Sichtweite. ÖVP-Chef Spindelegger ist von einem Ergebnis wie Angela Merkel dagegen weiter entfernt als Alaba, Ar-nautovic & Co von einem Kantersieg beim Auswärtsspiel gegen die DFB-Elf am 6. September in München.

Über den Erfolg in der Politik entscheidet nicht das Programm, sondern das Personal. Angela Merkels Naturtalent besteht darin, tief in fremde Milieus hinein zu wirken. Laut einer Umfrage des Forsa-Instituts wünschen sich selbst 45 Prozent der Grün-Sympathisanten, Merkel möge Kanzlerin bleiben. Zum Vergleich: Dass Michael Spindelegger Kanzler wird, wollen nur 15 Prozent aller Österreicher.

Werner Faymanns Werte sind nicht wesentlich besser. Doch er ist schon Kanzler. Und wie Angela Merkel verwertet er seinen Amtsbonus im Wahlkampf gekonnt. Beide Regierungschefs cruisen durchs Land und loben bei jedem Wahlkampfauftritt dessen Pracht und Schönheit. Und beide betonen gebetsmühlenhaft, wie gut man durch die Krise gekommen sei. Kritik an der Regierungspolitik (in Merkels Fall von der SPD, in Faymanns Fall vom eigenen Koalitionspartner) wird zur Landesbeschmutzung umgedeutet.

Beide Kanzler treffen auch die gleichen Vorwürfe: Sie seien Zauderer, Aussitzer, Banalisten, deren größtes Talent im Machterhalt liege. Werner Faymanns Seemann-Slogan „Stürmische Zeiten. Sichere Hand“ könnte auch auf CDU-Plakaten stehen. Und Merkels Botschaft „Gemeinsam erfolgreich“ harmoniert mit der Faymann-Weisheit „Die Leute wollen es nicht, wenn eine Regierung streitet.“

Und vor allem wollen die Wähler keinen Klartext. Die Mehrheit scheint gesättigt mit zwanghafter Reformrhetorik von Experten aller Art. Hätte Peer Steinbrück öfter mal geschwiegen, wäre er aussichtsreicher Kanzlerkandidat geblieben. Doch bevor der Wahlkampf richtig losging, hatte er ihn etwa mit seiner Anmerkung, ein deutscher Regierungschef verdiene zu wenig, schon vergurkt. Michael Spindelegger sprach zum Thema „Anhebung des Frauenpensionsalters“ nicht einmal richtig Klartext – eine kleine Andeutung reichte zur Selbstbeschädigung.

Und schadet der Parteiobmann sich nicht selbst, dann tun es andere. Angela Merkel ist unwidersprochen der Boss. Selbst die bayerische CSU hat das mittlerweile akzeptiert. In der ÖVP führt Landeshauptmann Erwin Pröll nach seinem Neffen Josef den nächsten Bundesparteiobmann vor und fraternisiert wenige Wochen vor der Wahl demonstrativ mit dem SPÖ-Vorsitzenden in einem Wiener Gastgarten. Dazu können sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Finanzministerin Maria Fekter nun schon seit Wochen nicht darauf einigen, ob der Wirtschaftsstandort Österreich durch die aktuelle Steuergesetzgebung bedroht ist oder nicht. Wer Nummer eins im Land werden will, sollte es in der eigenen Partei bereits sein.

Peer Steinbrück kann ein Arbeiterlied davon singen. Bei seiner Nominierung forderte er von der SPD im Allgemeinen und der Partei-Linken im Besonderen, ihm die notwendige „Beinfreiheit einzuräumen“. Später definierte er „Beinfreiheit“ als „die Reichweite, nicht naturgeborene sozialdemokratische Wähler zu erreichen“.

Im Gegensatz zu Steinbrück beherrscht Faymann die Kunst der präzisen Positionierung in Wahl- und Krisenzeiten. Er ist gerade so links („Die Reichen sollen einen fairen Beitrag leisten“), dass es die Kernklientel in Gemeindebau und Seniorenwohnheim befriedigt und die nicht naturgeborenen sozialdemokratischen Wähler nicht übermäßig erschreckt.

Mit Störfeuer muss der SPÖ-Chef nicht rechnen. Die unvermeidlichen Quälgeister aus Nachwuchssozisektionen regen nicht weiter auf. Wenn dagegen, wie in der Vorwoche, mit Franz Müntefering ein ehemaliger Parteichef (und Vertrauter Steinbrücks) den laufenden Wahlkampf der SPD offen kritisiert, erinnert das mehr an die ÖVP als an die SPÖ.

Was Michael Spindelegger von Angela Merkel (Kanzlerin seit 2005) lernen kann: Sorge dafür, dass es an der Parteispitze nur einen geben kann.
Schlechte Botschaften zur Lage der Nation schaden dem Botschafter.
Kanzler werden ist schwerer als Kanzler bleiben.

Was Peer Steinbrück von Werner Faymann (Kanzler seit 2008) lernen kann:
Schweigen ist Gold, Reden ist Schrott.

Links blinken. (Rechts abbiegen kann man später immer noch.)
Kanzler werden ist schwerer als Kanzler bleiben.

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