Hypo-Desaster: Ex-OeNB-Gouverneur Liebscher im Interview
INTERVIEW: ULLA KRAMAR-SCHMID, MICHAEL NIKBAKHSH
profil: Herr Liebscher, erklären Sie doch unseren Lesern bitte, was sich hinter dem Kürzel Fimbag verbirgt. Klaus Liebscher: Die Finanzmarktbeteiligung AG des Bundes wurde in Zusammenhang mit dem Bankenhilfspaket 2008 geschaffen und nahm ihre Tätigkeit am 1. Dezember 2008 auf. In weiterer Folge haben wir ab Jänner 2009 die Partizipationsscheine des Bundes an der Hypo Alpe-Adria, der Volksbanken AG, der Erste Bank, der Raiffeisen Zentralbank und der Bawag treuhändig übernommen. Dazu gab es jeweils eine Grundsatzvereinbarung mit der Republik, in welcher die Aufgaben der Fimbag definiert wurden. Wir hatten dafür Sorge zu tragen, dass die Banken gewisse Auflagen erfüllen. Also etwa die Vergabe von Krediten an die Wirtschaft, Beschränkungen bei den Bonifikationen für Führungskräfte, die Sicherung von Arbeitsplätzen. Darüber hinaus hatten die Banken uns unverzüglich zu informieren, wenn es zu Risikoerhöhungen kam.
profil: Wir können nicht nachvollziehen, was genau Sie seit Ende 2008 geleistet haben. Die Website der Fimbag ist nicht sehr aussagekräftig. Liebscher: Da können Sie unter anderem die Bedingungen der Grundsatzvereinbarung mit der Republik Österreich abrufen.
profil: Aber keinen Leistungsnachweis. Liebscher: Die Fimbag hat regelmäßig Informationen der betroffenen Banken eingeholt und Managementgespräche geführt.
profil: Geht das etwas konkreter? Liebscher: Wir hatten jährlich vier bis fünf Treffen mit den zentralen Vorstandsmitgliedern der jeweiligen Banken, gegebenenfalls regelmäßig auch mit den Wirtschaftsprüfern. Wir haben schriftliche Dokumentationen eingesehen, diese durchbesprochen und auch ganz gezielt nach Risiken gefragt. In weiterer Folge haben wir stets auch das Finanzministerium informiert.
profil: Der Rechnungshof … Liebscher: Die Kritik des RH, wir hätten keine Vor-Ort-Prüfungen in den Banken durchgeführt und somit unsere Überwachungstätigkeit nicht ordentlich ausgeführt, geht völlig ins Leere. Wir hatten nie Eigentümerrechte und waren nie in den Gremien der Banken vertreten. Vor allem aber waren wir nie beauftragt, eine Ersatz-OeNB oder -Finanzmarktaufsicht zu sein.
profil: Jetzt sind wir verwirrt. Sie sagen, die Fimbag sei nie in einem Gremium der genannten Banken vertreten gewesen. Zwischen Juli 2013 und Februar 2014 waren Sie Aufsichtsratsvorsitzender der Hypo Alpe-Adria, und Sie stehen bis heute dem Aufsichtsrat der Volksbanken AG vor. Liebscher: Aber nicht als Fimbag.
profil: Sondern? Liebscher: Als Klaus Liebscher.
profil: Es gibt also zwei Klaus Liebschers? Liebscher: Ich bin von Finanzministerin Fekter damals ad personam in die ÖVAG und die Hypo geschickt worden, und nicht als Vorstandsmitglied der Fimbag.
Stellen Sie nicht so dumme Fragen!
profil: Wo ist da der Unterschied? Liebscher: Streng genommen durfte ich Sachverhalte, die in Aufsichtsratssitzungen der Banken diskutiert wurden, nicht an die Fimbag weitergeben. Das musste ich mir erst schriftlich absichern lassen, denn natürlich habe ich hier im Hause berichtet.
profil: Kurz nach Gründung der Fimbag zog die Hypo Alpe-Adria die erste Staatshilfe in der Höhe von 900 Millionen Euro. Liebscher: Erst sechs Wochen später, um genau zu sein, haben wir dieses Partizipationskapital treuhändig von der Republik Österreich übernommen. Der Zeitpunkt ist wichtig. Denn wir waren in die Entscheidung der Regierung, der Hypo staatliches Partizipationskapital zu gewähren, nicht involviert.
profil: Die Oesterreichische Nationalbank hatte die Hypo Alpe-Adria zuvor in einer Stellungnahme an die Adresse der Regierung als "nicht Not leidend“ bezeichnet, obwohl die Bank augenscheinlich sehr wohl Not leidend war. Wie kam es dazu? Liebscher: Wie gesagt: Wir waren nicht involviert. Ich kannte diese Stellungnahme zunächst auch gar nicht.
profil: Was sagen Sie denn zum Trugschluss der OeNB? Liebscher: Erwarten Sie jetzt von mir, dass ich die Oesterreichische Nationalbank als Nichtangehöriger kritisiere?
profil: Sie waren bis August 2008 Gouverneur der OeNB. Liebscher: Es steht mir nicht zu, das damalige Gutachten, das die OeNB auf Grundlage von Unterlagen, Expertisen und Gesprächen erstellt hatte, zu kommentieren.
profil: Die Nationalbank hatte sich damals auf Prognosen des Hypo-Managements um Tilo Berlin verlassen, wonach die Bank in Zukunft substanzielle Gewinne erwirtschaften würde. Liebscher: In dem Gutachten der Notenbank stand, dass die Planungen ambitioniert, aber nicht unplausibel seien. Und der neue Eigentümer hatte ja auch die künftige finanzielle Unterstützung des Instituts zugesagt.
profil: Dennoch muss das einem Mann mit Ihrer Erfahrung merkwürdig vorgekommen sein. Liebscher: Warum?
profil: Weil Sie ein Jahrzehnt lang selbst Gouverneur der OeNB waren. Weil die Nationalbank in Ihrer Ära mehrere Prüfungen der Hypo angestrengt hatte und dabei auf haarsträubende Mängel etwa im Bereich des sogenannten Kreditrisikomanagements gestoßen war. Waren Ihnen die früheren kritischen Gutachten der OeNB etwa auch nicht bekannt? Liebscher: Stellen Sie nicht so dumme Fragen!
profil: Was soll daran dumm sein? Liebscher: Wenn Sie alle Berichte der Notenbank so genau kennen, dann haben Sie ja feststellen können, dass die OeNB seinerzeit tatsächlich einiges gefunden hat. Und 2006 unter anderem auch die Entfernung von Herrn Kulterer als Vorstandschef veranlasste. Dass dann der Eigentümer (2006 noch das Land Kärnten, Anm.) Kulterer an die Spitze des Aufsichtsrats setzte, konnte die Nationalbank nach damaliger Rechtslage nicht beeinflussen.
profil: Tatsache ist aber doch, dass die Nationalbank zwischen 2000 und 2007 immer wieder kritische Berichte verfasste, die dann 2008 plötzlich keine Rolle mehr spielten. Liebscher: Das ist immer Ihre Methode. Sie wollen nichts zur Kenntnis nehmen, weil Sie eine vorgefasste Meinung haben. Wenn die Notenbank Ende 2008 auf Grundlage von Zahlen, die ich nicht kannte, zu einem bestimmten Schluss kam - wie können Sie dann von mir erwarten, diesen Schluss nachträglich für unglaubwürdig zu erachten?
Ich werde heute hier über meine Zeit bei der Notenbank kein Wort verlieren.
profil: Als Sie die Fimbag Ende 2008 übernahmen, muss Ihnen aber doch aus Ihrer Zeit bei der OeNB bekannt gewesen sein, dass bei dieser Bank einiges im Argen lag. Das wird auch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss interessieren. Liebscher: Ich werde heute hier über meine Zeit bei der Notenbank kein Wort verlieren.
profil: Warum nicht? Liebscher: Sind Sie der Untersuchungsausschuss?
profil: Nein, aber wir haben ähnlich gelagerte Fragen. Annähernd ein Jahr nach der ersten Staatshilfe musste die Hypo verstaatlicht werden. Da war auch die Fimbag längst aktiv. Was ist denn da aus Ihrer Sicht zwischen Jänner und Dezember 2009 geschehen? Liebscher: Wir haben mit dem Management der Hypo regelmäßig den Geschäftsverlauf besprochen und Mitteilungen an das Finanzministerium verfasst.
profil: Und wie wurde Ihnen der Geschäftsverlauf dargestellt? Liebscher: Durchaus optimistisch. Im April 2009 wurde uns ein erster sogenannter Viability Report (Viability steht für Lebensfähigkeit, Anm.) übermittelt, den wir kritisch sahen. Dieser wurde dann zwar auf unsere Veranlassung hin zwei Mal überarbeitet, aber wir hatten immer noch Zweifel, dass die von der Bank getroffenen Annahmen plausibel waren. Das haben wir dem Finanzministerium auch mitgeteilt.
profil: Was genau? Liebscher: Wir hatten Zweifel daran, dass die Hypo Alpe-Adria das staatliche Partizipationskapital zurückzahlen kann.
profil: Wissen Sie noch, wann das war? Liebscher: Das muss im Mai gewesen sein.
profil: Das Finanzministerium hatte also ab Mai, gut ein halbes Jahr vor der Verstaatlichung, Kenntnis davon, dass die Hypo möglicherweise nicht in der Lage sein wird, die Staatshilfen zurückzuzahlen? Liebscher: Ja.
profil: Und wie war die Reaktion? Liebscher: Das weiß ich nicht mehr.
profil: Gab es eine überhaupt eine Reaktion? Liebscher: Da bin ich mir nicht sicher.
profil: Woher kamen Ihre Zweifel? Liebscher: Unsere Leute hatten sich mit gewissen Annahmen des Hypo-Managements beschäftigt. Das waren Faktoren wie Konjunktur, Kreditwachstum, Kundenanzahl, Refinanzierungskosten und Zinsspannen. Wir waren der Meinung, dass sich die fristgerechte Rückzahlung der 900 Millionen Euro samt Zinsen innerhalb von fünf Jahren nicht ausgehen werde.
profil: Das steht jetzt aber im krassen Widerspruch zu den Feststellungen der Oesterreichischen Nationalbank ein paar Monate zuvor. Die war nämlich sehr wohl davon ausgegangen, dass die Hypo ihren Verpflichtungen gegenüber dem Staat nachkommen werde. Liebscher: Dass die Bank nicht zurückzahlen kann, heißt ja nicht unbedingt, dass die Bank deshalb aufhört zu existieren.
profil: Ein Widerspruch ist es trotzdem. Liebscher: Es heißt nur, dass wir davon ausgingen, dass die Bank in den kommenden fünf Jahren nicht so viel verdienen wird, dass sie die 900 Millionen Euro en bloc zurückzahlen kann. Dessen ungeachtet hatten wir keine Veranlassung, an der Lebensfähigkeit der Hypo zu zweifeln. Ich erinnere mich noch daran, wie mir Herr Kemmer (Michael Kemmer, damals Vorstandschef der Bayerischen Landesbank) im Frühling 2009 sagte: "Wir stehen zu dieser Bank, wir werden unsere Kapitalisierungserfordernisse erfüllen, und all das, was in den Medien steht, ist nicht richtig.“ Noch im Juni war man davon ausgegangen, dass im Jahr 2009 Risikovorsorgen in einer Größenordnung von 280 Millionen Euro zu bilden sein würden. Ende August war dann von 340 Millionen Euro die Rede. Das ist zwar viel Geld, aber mit Blick auf die Kapitalisierung der Hypo und die Zusagen der Eigentümer war das kein lebensbedrohliches Thema.
profil: Nur wenige Monate später war plötzlich alles anders. Liebscher: Am 5. November kam Herr Pinkl (Franz Pinkl, damals Hypo-Vorstandsvorsitzender, Anm.) zu uns, um über die Ergebnisse des Asset Screenings (eine Stichprobenuntersuchung Hunderter Kreditfälle durch das Beratungsunternehmen PwC, Anm.) zu informieren. Er eröffnete uns, dass alles dramatisch sei, dass sie einen Riesenverlust hätten und jetzt versucht werde, mit dem Eigentümer über Kapitalmaßnahmen zu reden, um so ins Reine zu kommen.
profil: Haben Sie den PwC-Bericht gesehen? Liebscher: Nein, damals nicht. Erst viel später.
profil: Das heißt, Franz Pinkl hat Sie nur mündlich informiert? Liebscher: Ja. Und wir haben ihn sofort ans Finanzministerium verwiesen. Kurz darauf hat auch der Wirtschaftsprüfer seine Redepflicht ausgeübt und vor der Risikozunahme gewarnt. In der zweiten Novemberhälfte sind dann auf Initiative des Finanzministeriums die ersten Gespräche mit Finanzprokuratur, Bundeskanzleramt, der Bank und uns angelaufen. In die darauf folgenden Verstaatlichungsverhandlungen mit der Bayerischen Landesbank und dem Freistaat Bayern waren wir allerdings nicht mehr eingebunden.
profil: War die Verstaatlichung vermeidbar? Liebscher: Die Entscheidung war richtig. Eine Insolvenz der Bank konnte für die österreichische Seite kein Thema sein. Es gab kein Bankenabwicklungs- und Sanierungsgesetz, die Kärntner Landeshaftungen waren um ein Vielfaches höher, als sie heute sind, die Finanzkrise keineswegs vorbei. Und es gab die nicht unberechtigte Sorge, dass ein Zusammenbruch der Bank massive Kollateralschäden in Südosteuropa nach sich ziehen würde.
profil: Die Bayern haben bloß geblufft. Sie hätten die Hypo niemals in den Konkurs geschickt. Liebscher: Woher wollen Sie das wissen?
profil: Darauf hatten sich die Verantwortlichen in Bayern im Vorfeld der Verstaatlichung verständigt. Wir haben entsprechende Protokolle veröffentlicht. Liebscher: Und das hätten die Österreicher damals wissen müssen?
profil: Nein. Was die Österreicher damals wissen hätten müssen, war, dass die Bayerische Landesbank rund zwei Milliarden Euro Kapital in der Bank liegen hatte und dazu noch einmal vier Milliarden Euro an Krediten. Ein Kollaps der Hypo Alpe-Adria hätte die Bayerische Landesbank und letztlich auch den Freistaat Bayern mit in den Abgrund gerissen. Liebscher: Ich lehne mich da sicher nicht aus dem Fenster. Ich war bei den Gesprächen zwischen Finanzministerium und Bayern nicht dabei.
profil: Die Hypo-Untersuchungskommission um Irmgard Griss kam in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass die Regierung unvorbereitet in die Verstaatlichungsverhandlungen gegangen war. Liebscher: Es ist müßig, darüber nachzudenken.
Wir haben uns nichts Böses gedacht.
profil: Ist es nicht. Warum hat Finanzminister Pröll nicht zum Beispiel Sie oder Ihre Fimbag-Kollegen Adolf Wala und Dietmar Spranz mit an den Verhandlungstisch geholt? Liebscher: Das müssen Sie ihn fragen.
profil: Zusätzliche Expertise hätte kaum geschadet. Liebscher: Ich weiß nicht, ob es anders gelaufen wäre, wenn man uns hinzugezogen hätte. Das waren politische Entscheidungen. Wenn Sie jetzt sagen, ich sei zu defensiv gewesen, ist das vielleicht sogar positiv für mich. Ich bin jedenfalls nicht der, der sich in den Vordergrund drängt. Wir haben genau das getan, was man von uns verlangt hat. In diesem Zusammenhang weise ich auch darauf hin, dass wir im Jahresverlauf 2009 zu keinem Zeitpunkt und von keiner Aufsichtsbehörde Informationen über eine Verschlechterung des Zustands der Bank bekommen haben. Auch nicht, wie der Rechnungshof zutreffenderweise schreibt, von der Bank selbst. Obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Jetzt könnten Sie einwenden, wir wären gutgläubig gewesen …
profil: Sie waren gutgläubig. Liebscher: Wenn Sie nichts hören und folglich davon ausgehen müssen, dass nur rund 300 Millionen Euro an Wertberichtigungen ins Haus stehen - was wollen Sie dann als Betroffener tun? Wir haben uns nichts Böses gedacht. Niemand konnte ahnen, wie es tatsächlich um diese Bank stand. Die wussten ja nicht einmal, was sie an Kreditobligos hatten oder wie es um grundbücherliche Sicherheiten bestellt war. Es gab keine Risikomanagementsysteme, kein Risikoreporting, kein Liquiditätsmanagement, keine Erfassung der Sicherheiten und keine Bewertung derselben.
profil: Wie schon gesagt: Die Oesterreichische Nationalbank hatte diese Mängel in Ihrer Ära als Gouverneur zumindest teilweise aufgezeigt. Liebscher: Und wie schon gesagt: Ich werde mich dazu hier nicht äußern.
profil: Zum Zeitpunkt der Verstaatlichung hieß es, die Bank würde zum Überleben einen Betrag von 2,1 Milliarden Euro benötigen, wovon eine Milliarde von den Alteigentümern kommen müsse. Eine reichlich optimistische Annahme. Seit Ende 2009 flossen in Summe 6,6 Milliarden Euro, davon allein 5,5 Milliarden vom Bund. Und das war nur ein Anfang. Die Abbaugesellschaft Heta wird noch weitere Milliarden benötigen, um Verluste abzudecken. Wissen Sie, wie man seinerzeit auf diesen Betrag kam? Liebscher: Nach meinem Verständnis waren es die Bayern, welche diese Größenordnung genannt hatten. Genaueres kann ich nicht sagen, wir wurden mit dem Thema nie befasst.
profil: Die Bayern haben der Republik Österreich die Bedingungen der Verstaatlichung diktiert. Liebscher: Genau das ist ja jetzt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.