Junge Jesiden in Wien: "Wir haben alle Angst"
Interview: Franziska Dzugan, Luca Faccio
profil: Fühlen Sie sich in Wien derzeit sicher?
Lorin: Wir haben alle Angst. Es reicht offenbar nicht, ins Ausland zu gehen jetzt bedrohen sie uns auch hier.
Azad: Man sieht immer mehr IS-Anhänger in den Straßen. Ich versuche dann nicht aufzufallen und schnell vorbeizugehen. Auf Facebook rufen sie zu unserer Ermordung in Wien auf. Das ist schlimm.
profil: Kann man Sie auf der Straße als Jesiden erkennen?
Lorin: Wir tragen kein Kreuz um den Hals oder einen Schleier am Kopf. Aber in unserem Viertel wissen natürlich viele, dass wir Jesiden sind.
profil: Wurde in Ihrem Freundeskreis schon einmal jemand gefragt, ob er sich IS anschließen will?
Azad: Nein. Aber wir sehen, dass ihre Anhänger mehr werden.
Lorin: Ich bin seit 2006 in Österreich, damals war es noch ruhig. 2011 ging es los, die Leute mit Al-Nusra- und Al-Kaida-Abzeichen wurden mehr. Und jetzt auch noch die IS.
profil: Sind Sie in Kontakt mit der Polizei?
Lorin: Nein, obwohl ich meine Eltern und die anderen in unserem Verein dränge, Kontakt aufzunehmen. Wer sollte uns sonst schützen?
profil: Haben Sie Verwandte im Irak?
Azad: Ja, wir alle haben dort Familie. Manche konnten sich vor der IS retten, manche nicht. Wir telefonieren dauernd mit unseren Verwandten. Wir möchten sie gerne nach Österreich holen, aber dafür fehlt uns das Geld. Jemanden über die Türkei nach Österreich zu bringen kostet mehrere Tausend Euro.
profil: Wie leben Sie Ihren Glauben?
Azad: Wir treffen uns im Verein. Unser wichtigstes Fest ist der Rote Mittwoch, er ist zur selben Zeit wie Ostern. Dann gibt es Gebete, Geschenke und Süßes. Wir akzeptieren alle anderen Religionen, wir sind friedlich. Warum lässt man uns nicht einfach in Ruhe?
*Name von der Redaktion geändert
Foto: Luca Faccio