Peter Michael Lingens
Van der Bellen - der verhinderte Hofer

Peter Michael Lingens: Van der Bellen - der verhinderte Hofer

Kommentar zur Wahl von Peter Michael Lingens.

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Nicht Alexander van der Bellen wurde zum Bundespräsidenten gekürt, sondern Norbert Hofer wurde als Bundespräsident verhindert und das ließ Van der Bellen die Wahl „arschknapp“ gewinnen.

Zu seinen 21,34 Prozent genuinen Wählern gesellten sich: Alle, die keinen Triumpf der FPÖ wollten und keinen Burschenschaftler und Rechtspopulisten als Staatsoberhaupt wollen.

Dazu kamen:

o diejenigen, die die Flüchtlingspolitik nicht noch weiter verschärfen wollen o diejenigen, die die EU nicht geschwächt wissen wollen o diejenigen, die sich um Österreichs Ansehen im Ausland sorgen o sowie Lesben und Schwule.

Auch mein zentrales Motiv dürften ziemlich viele Wähler geteilt haben: Sie wollten einen Bundespräsidenten verhindern, der angedroht hat, die Regierung zu entlassen, wenn ihm ihre Arbeit nicht passt und damit Neuwahlen zu erzwingen.

Obwohl ich ihn nie gewählt hätte, wäre Norbert Hofer für mich als Bundespräsident nicht untragbar gewesen.

Wenn ich von diesem letzten Punkt absehe, war Norbert Hofer ein für Rechts-Wähler durchaus akzeptabler Kandidat, der sich hervorragend – in meinen Augen weit besser als Van der Bellen-verkauft hat. Er hat seine kritische Haltung zur EU gut begründet, und sie ist keineswegs absurd; er hat keine Sympathien für den Nationalsozialismus erkennen lassen; er hat im Fernsehen nichts Rechtsextremes geäußert; man kann die Adoption von Kindern durch schwule Paare kritisch sehen; und dass ein Freiheitlicher seinen Israel-Besuch ein wenig ausschmückt, kann man sogar positiv sehen (bzw. werden ihm die „Keller-Nazis“ in der FPÖ nachsehen.) Eher schwer fällt mir in der Mitgliedschaft bei einer deutschnationalen Burschenschaft reine Brauchtumspflege zu sehen, auch wenn die Marko-Germania weder extrem markig noch extrem germanisch auftritt. (Sie hat nur die üblichen Schwierigkeiten mit der „österreichischen Nation“ und mit „Überfremdung“). Extrem schwer fällt mir persönlich, die Bezeichnung „Invasoren“ für Flüchtlinge unter „Wahlkampf -Ausrutscher“ zu reihen – aber ich habe aus schwarzem Mund Schlimmeres gehört.

Obwohl ich ihn nie gewählt hätte, wäre Norbert Hofer für mich als Bundespräsident nicht untragbar gewesen, wenn er darauf verzichtet hätte, eine ihm nicht mehr genehme Regierung zu entlassen. Stattdessen hat er betont, sich das vorzubehalten.

In Wirklichkeit gehörte die entsprechende Kompetenz des Bundespräsidenten dringend aus der Verfassung eliminiert – aber die notwendige Zweidrittelmehrheit wird es wohl auf Jahrzehnte hinaus nicht geben. Österreich ist daher bis auf weiteres auf Bundespräsidenten angewiesen, die von sich aus das notwendige Demokratieverständnis mitbringen. Das tat Norbert Hofer nicht. Die Problematik lässt sich am konkreten Fall besonders lebensnah illustrieren: Die Bevölkerung setzt derzeit zu Recht gewisse Hoffnungen darauf, dass die neue Regierung unter Christian Kern und Reinhold Mitterlehner ihre Sache um einiges besser als die vorangegangene Regierung Werner Faymanns macht. Aber in dem Ausmaß, in dem ihr das gelingt und die FPÖ Gefahr liefe, in Umfragen hinter die Regierungsparteien zurückzufallen, verspürte Hofer enormen innerparteilichen Druck, einen geeigneten Anlass zu finden, die Regierung zu entlassen, um Heinz Christian Strache den gerade noch rechtzeitigen Sieg bei Neuwahlen zu ermöglichen.

Nur unter Van der Bellen hat die neue Regierung die gesicherte Chance, sich zwei Jahre hindurch vielleicht doch besser als die vorangegangene zu bewähren.

Dieser geeignete Anlass ergäbe sich mit Sicherheit: So muss sich die Zahl der Arbeitslosen in absehbarer Zeit zwingend erhöhen, weil Österreich den Flüchtlingsstrom des abgelaufenen Jahres verkraften muss und kaum aus dem Spar-Pakt ausscheren wird. Einer in Wirtschaftsfragen extrem ahnungslosen Bevölkerung könnte Hofer die gestiegene Arbeitslosigkeit also sicher als „totales Versagen der Bundesregierung“ verkaufen.

Nur unter Van der Bellen hat die neue Regierung die gesicherte Chance, sich zwei Jahre hindurch vielleicht doch besser als die vorangegangene zu bewähren: in der Bildungspolitik etwas voranzubringen, indem sie vor allem Kindergärten und Ganztagsschulen massiv forciert; den Föderalismus etwas effizienter zu gestalten; Abgaben auf Arbeit zu verringern, indem man vermögensbezogene und energiebezogene Steuern erhöht; und Sparvorschläge des Rechnungshofes so zu verwirklichen, dass dabei möglichst wenig Kaufkraft verloren geht und das eingesparte Geld so zu reinvestieren, dass dabei möglichst viele Arbeitsplätze entstehen.

Ein wirklicher wirtschaftlicher Durchbruch wird gegen die Politik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble nicht möglich sein. Wenn auch die aufgezählten partiellen Erfolge nicht erzielt werden, wird Österreich in zwei Jahren doch von einer rechtspopulistischen Partei regiert werden. Und einer mehr als ungewissen Zukunft entgegensehen.