Wie die Fahrtenvermittler-App "Uber" den Taxis Konkurrenz macht
Das Wiener Taxi – eine Institution, wenn auch nicht im freundlichsten Sinn des Wortes. Es sei denn, die Klientel hat ein Faible für in die Jahre gekommene Fahrzeuge, hartnäckige Odeurs und ortsunkundige Chauffeure. 2011 hatte Wien Tourismus sogenannte Mystery Shopper auf insgesamt 131 Touren geschickt. Deren Aufzeichnungen machten Schlagzeilen, verändert haben sie letztlich kaum etwas. Die Testpersonen monierten den Zustand der Wagen (30 Prozent), die mangelnde Reinlichkeit im Innenraum (22 Prozent), unangenehme Gerüche (17 Prozent). Bei gut jeder zehnten Fahrt kannte der Lenker die Route nicht. Und jeder Dritte nahm keine Kreditkarte.
Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, sauberen Fußes von A nach B zu gelangen. Im Wiener Taxigeschäft ist etwas faul. Unternehmer wählen umstrittene bis illegale Rechtskonstruktionen, prellen Finanz und Sozialversicherung um Abgaben; zu viele Taxis sind auf den Wiener Straßen unterwegs; und obwohl der Wettbewerb enorm ist, profitieren die Kunden kaum davon. Zu allem Überdruss drängt nun auch noch der kalifornische Onlinedienst Uber auf den Markt, der Fahrten vermittelt – zu günstigeren Preisen per Knopfdruck in der App.
Ist Uber der Untergang der Wiener Taxifahrer? Und warum läuft in diesem Metier so viel falsch?
Zu viele Taxis?
Alfred Grismann, der im verrauchten Hinterzimmer seines Taxibetriebs sitzt, glaubt den Grund zu kennen. „Mit den Erträgen, die wir haben, werden wir uns schwer mehr Qualität leisten können“, seufzt der 63-Jährige, der seit vier Jahrzehnten im Geschäft ist. Geht es nach ihm, sind in Wien Hunderte Taxis zu viel unterwegs. Einst gab es eine klare Obergrenze von 3610 Fahrzeugen, ermittelt nach einer Bedarfserhebung. Anfang der 1990er-Jahre kippte der Verfassungsgerichtshof diese Deckelung.
Auf etwa 3350 Taxiunternehmer verteilen sich knapp 4900 Taxis, viele fahren allein mit einem Fahrzeug, die wenigen großen Betriebe haben mehrere Hundert Wägen. Zum Vergleich: In Hamburg – dort leben wie in Wien fast 1,8 Millionen Menschen – sind nur etwa 3500 Taxis zugelassen.
Erschwerend kommt für die Unternehmer hinzu, dass der Großteil an Aufträgen über Funkzentralen einlangt. Diese betreiben keine eigenen Wägen, sie binden kleinere und mittlere Betriebe vertraglich an sich und verlangen eine satte Provision für die Vermittlung der Fahrten. Aufgrund der starken Marktstellung von Funkern wie 40100 und 31300 bleibt den Taxianbietern oft gar nichts anderes übrig, als die Konditionen zu akzeptieren.
Keine Spielräume bei Preisgestaltung
Zudem sind die Fahrtpreise aus Konsumentenschutzgründen gesetzlich fixiert, Spielräume zur Preisgestaltung bleiben keine. Andererseits: Ein Teil des Umsatzes werde an der Steuer vorbeigewirtschaftet, das sei in der Branche Usus, erzählt man hinter vorgehaltener Hand, denn gänzlich legal sei das Gewerbe ohnehin nicht mehr zu führen.
Einige Unternehmer treiben es mit ihren kreativen Firmenkonstruktionen auf die Spitze, um Abgaben im großen Stil zu umgehen. In der Regel läuft das so: Ein Taxiunternehmer gründet zwei Unternehmen. Firma 1 besitzt die Taxis, Firma 2 mietet eben diese Fahrzeuge an und beschäftigt die Lenker. Firma 2 stellt nach kurzer Zeit die Abgabenzahlungen an Finanzamt und Gebietskrankenkasse ein und häuft so lange Schulden an, bis einer der Gläubiger Konkursantrag stellt. Die Fahrzeuge können zur Schuldentilgung nicht herangezogen werden, da sie ja Firma 1 gehören. Der Unternehmer gründet schließlich eine dritte Firma, die erneut die Taxis anmietet und dieselben Fahrer beschäftigt. Mit diesem Trick wird die öffentliche Hand immer wieder aufs Neue um Sozialabgaben betrogen.
Dieses dubiose Geschäftsmodell floriert, wie der Taxiunternehmer Grismann mit grimmiger Miene konstatiert: „Es gibt bereits mehrere Betriebe, die nach einem solchen Muster arbeiten. Diese Unternehmer stecken wie ein Dorn in unserem Fleisch.“ Die Branche sei ein „Sumpf ohne Ende“, sagt er. Der Sumpf dürfte sogar bis zur offiziellen Standesvertretung reichen. Erst vergangenes Jahr machten Vorwürfe die Runde, hochrangige Wirtschaftskammerfunktionäre – auch der ehemalige Innungsobmann – hätten Taxischeine gegen Bestechungsgelder in der Höhe von 5000 Euro ausgestellt. Seither beschäftigt die Causa die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Wer legal zu einer Taxikonzession kommen will, müsste eigentlich eine schriftliche und mündliche Prüfung absolvieren, bei der auch Ortskenntnisse abgefragt werden. Und doch verlassen sich auffallend viele Lenker auf die längst unerlässlichen Navigationsgeräte.
Reform der Taxiprüfung
Der Unmut in der Branche löste bei den jüngsten Wirtschaftskammerwahlen ein politisches Erdbeben aus: Zum ersten Mal überhaupt wurde mit Gökhan Keskin ein Sozialdemokrat zum Obmann der Wiener Fachgruppe gewählt. Als ersten Schritt will Keskin die Taxiprüfung reformieren. Der Test soll künftig auf Computern geschrieben werden, eine weniger korruptionsanfällige Methode. Und Anbietern, die mit unlauteren Methoden auffallen, will er „das Handwerk legen“.
Doch Keskin muss seinen vollmundigen Ankündigungen erst Taten folgen lassen. Bis dahin bietet die Taxibranche nachgerade ideale Voraussetzungen für einen neuen Anbieter aus dem Silicon Valley, dort, wo auch Google und Facebook ihre Wurzeln haben: Uber.
Uber will mit den alten Konventionen brechen, startete 2009 in San Francisco und ist heute in fast 300 Städten in 55 Ländern aktiv, seit einem Jahr auch in Wien. Hier vermittelt Uber Fahrten, je nach Preisklasse mit normalen oder gar Luxusautos. Eine genaue Kundenzahl nennt das Unternehmen nicht, spricht lediglich von „mehreren Zehntausend Kunden“.
Verglichen mit dem klassischen Taxiservice ist Uber bequem: Man lädt die App aufs Smartphone, tippt die gewünschte Adresse ein und erhält eine Übersicht, wann der Fahrer vor Ort sein kann und wie viel die Fahrt kostet – bestellt man einen Wagen, zeigt das Programm in Echtzeit, wann er ankommt. Gezahlt wird komplett automatisiert, da die Software bereits bei der Registrierung die Kreditkartendaten verlangt. Per E-Mail kommt die Abrechnung, auch die gefahrene Route ist darauf eingetragen. Die Uber-App macht das Smartphone zur Fernbedienung, mit der man fremde Wagen hersteuert. Im Schnitt, behauptet das Unternehmen, seien Fahrten um ein Viertel bis die Hälfte günstiger als mit herkömmlichen Taxis, wobei die Uber-Preise auch von der Nachfrage abhängig sind.
Uber sammelte bereits fünf Milliarden Dollar von Investoren wie Google und ist laut Schätzungen umgerechnet 38 Milliarden Euro wert. Das Unternehmen ist weit mehr als nur ein Taxikonkurrent. CEO Travis Kalanick erklärte im Magazin „Vanity Fair“: „Wir möchten an den Punkt gelangen, dass die Nutzung von Uber günstiger ist, als ein Auto zu besitzen. Ein Transportwesen, das so zuverlässig ist wie fließendes Wasser.“
„Ist Uber das schlimmste Unternehmen im Silicon Valley?“ (The Guardian)
Doch ein derartiger Wandel, so eine „Disruption“, wie die Amerikaner sagen, funktioniert nicht ohne anzuecken. Und Uber eckt gewaltig an. Die britische Zeitung „Guardian“ fragte bereits: „Ist Uber das schlimmste Unternehmen im Silicon Valley?“
In vielen Metropolen steckt das Unternehmen in rechtlichen Auseinandersetzungen, womöglich bald auch in Wien. Das Taxigewerbe ist nämlich weltweit eines der am strengsten regulierten Gewerbe. Weil es dort immer viele Betrügereien gab, müssen Taxifahrer von New York bis Wien geeichte Taxameter nutzen.
Uber arbeitet in einigen Städten sowohl mit Privatpersonen, die in ihrer Freizeit Chauffeur spielen, als auch mit professionellen Mietwagenanbietern zusammen. In Wien gibt es nur letztere Variante, also lediglich die Kooperation mit gewerblichen Anbietern. Trotzdem mehren sich hier die Zweifel. Die Arbeiterkammer hält Uber für rechtswidrig und meint, dass dessen Fahrten unter das ungleich strengere Taxiregime fallen müssten. Der Unterschied zwischen Mietwagen und Taxis ist aus rechtlicher Sicht gewaltig: Während Mietwagenchauffeure eigene Preise vor Fahrtbeginn aushandeln dürfen, gibt es für die Taxis einen verordneten Tarif.
„Hier ergattert sich Uber einen unfairen Wettbewerbsvorteil“, sagt Doris Unfried, Verkehrsexpertin der Arbeiterkammer. „Die Taxis dürfen weder teurer noch günstiger sein als dieser Tarif. Bei Uber ist aber beides möglich.“
Uber dementiert
Uber streitet diese Vorwürfe ab: „Wir bewegen uns innerhalb des Rechtsraumes. Der Kunde bekommt schon vor der Fahrt den voraussichtlichen Preis genannt, was der Rechtslage der Mietwagenbranche entspricht“, sagt Rasoul Jalali, General Manager von Uber Schweiz und Österreich.
Er kritisiert auch die Taxiinnung: „Es ist schade, dass man sich mit uns nicht am wettbewerbstechnischen Level matcht, sondern versucht, auf Gerichte auszuweichen.“
Doch laut der Konkurrenz verweigert Uber diesen fairen Wettbewerb. „Das Problem ist, dass sie sich nicht an die Spielregeln halten“, erklärt Gökhan Keskin von der Wirtschaftskammer mit Blick auf die verbindliche Preisstruktur seines Gewerbes. Idee dieser Tarife ist, dass Taxler an einem regnerischen Samstagabend nicht plötzlich das Doppelte verlangen, weil es so viel Nachfrage gibt.
Uber macht aber genau das: Wenn es zu Büroschluss in Wien schüttet, steigt der Preis etwa auf das 1,5-fache. Mitunter nimmt die flexible Preisgestaltung extreme Züge an. Als in Sydney ein Islamist vergangenes Jahr Geiseln nahm und viele Menschen schnell aus diesem Teil der Stadt flüchten wollten, stieg der Uber-Tarif um bis zu 400 Prozent.
Die Wiener Taxilenker dürfen hingegen ihre Preise nicht erhöhen – aber auch mit Billigfuhren locken. Schon länger gibt es Ideen, dies zu ändern. „Wir sind durchaus für Wettbewerb. Seit den 1980er-Jahren fordert die Arbeiterkammer, dass der Taxitarif lediglich eine Höchstgrenze festlegt, um den Kunden zu schützen. Darunter soll es Unternehmen möglich sein, mit Rabatten und Spezialangeboten zu werben“, sagt Unfried. Doch genau das verhinderte bisher die Wirtschaftskammer, wo die Taxifahrer vertreten sind.
Gerichtsverfahren
Uber kümmern solch bürokratische Debatten wenig. Es prescht in neue Märkte und schaut, wie dort die Behörden reagieren. In Städten wie Barcelona oder Amsterdam wurde Uber verboten, Privatpersonen ohne Taxischein als Chaffeure zu vermitteln. Auch das Landgericht Frankfurt untersagte dies, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Uber kündigt nun eine rechtskonforme Alternative an.
Der Onlinedienst erntet schon länger Kritik. Wegen Datenschutzbedenken, wegen Rechtsstreitigkeiten, wegen einer aggressiven Haltung gegenüber Journalisten, und auch wegen der Steuerkonstruktion. Bei Fahrten in Wien hebt Uber 20 Prozent als Provision ein. Diese Einnahmen werden von dem Onlinedienst steuerschonend über eine Firmenkonstruktion verbucht, die von Amsterdam bis zu den Bermudainseln reicht. Ein Vorgehen, wie man es auch von anderen Internetkonzernen kennt. Uber betont, dass es sich in allen Ländern an die geltenden Gesetze halte.
Gerade weil Uber so flott und forsch vorgeht, auch in Wien, bringt es Bewegung in die Taxibranche. Der kalifornische Onlinedienst zwingt europäischen Stadtverwaltungen die Frage auf: Wie soll das Taxiwesen im 21. Jahrhundert geregelt werden?
Ist Uber vielleicht sogar die bessere Alternative? Die App ist herausragend simpel, der Bezahlmodus bequem. Das Internetunternehmen demonstriert der Taxibranche, was technisch, auch servicetechnisch, möglich ist.
Gleichzeitig haben die Wiener Taxibranche und Uber aber überraschend viele Gemeinsamkeiten: Ihre Firmenkonstruktionen sind mitunter umstritten, und kreativ ist man auch, wenn es um die Vermeidung von Steuern geht.