Jörg Haiders dubiose Seegrundstück-Deals
Der Deal war jedenfalls ein Geschäft - für Rechtsanwälte, Notare, Gutachter und Steuerberater. Wenn zig Millionen an Steuergeld über den Tisch geschoben werden, fallen für Expertisen, Beratung und Provisionen schon gut und gerne Honorare von in Summe 2,5 Millionen Euro ab.
Zumal in Kärnten.
Der Deal war jedenfalls kein Geschäft - weder für das Land Kärnten noch für seine Bewohner.
Die Ungereimtheiten mehren sich
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft beißt sich durch einen Fall, der - einmal mehr - in die Verantwortung des verstorbenen Landeshauptmanns Jörg Haider und seiner damaligen Regierungsriege fällt. Im Jahr 2007 kaufte Kärnten dem damals schwer angeschlagenen ÖGB und seiner Hausbank Bawag für 43 Millionen Euro drei Seegrundstücke ab. Seit Beginn der Ermittlungen im Jahr 2013 mehren sich die Ungereimtheiten. Nicht nur der Kaufpreis soll weit überteuert gewesen sein. profil vorliegende Einvernahmeprotokolle und Berichte an die Justiz werfen vielmehr die Frage auf, ob die Transaktion ein abgekartetes Spiel gewesen sein könnte, das auf Gefälligkeitsgutachten und Absprachen im Vorfeld aufgebaut war. Eine Reihe (ehemaliger) Landespolitiker jedweder Couleur steht im Verdacht der Untreue.
Die Konstellation irritiert. Warum soll sich Haider mit dem erklärten Klassenfeind ÖGB ins Bett gelegt haben? Mehr noch: Warum hätte er diesem umstandslos einen überhöhten Millionenbetrag über den Tisch schieben sollen - ohne selbst daraus Gewinn zu ziehen? Die Frage, wer von der Transaktion schlussendlich profitiert hat, ist für die Justiz noch nicht final beantwortet.
Die Geschichte beginnt - streng genommen - schon im Juni 2006. Die Gewerkschaftsbank Bawag war im Gefolge ihrer fatalen Geschäfte mit dem US-Investmenthaus Refco ins Schleudern geraten; die schwarzblaue Regierung bewahrte das Institut vor der Pleite - unter der Auflage, dass dieses sämtliche Besitztümer und Beteiligungen zu Geld macht. Darunter: Seegrundstücke am Maltschacher See, am Ossiacher See und am Hafnersee.
Die publizierten Verkaufsabsichten alarmierten die betroffenen Gemeinden. Keutschach am Hafnersee etwa, so geht es aus einem mit September 2006 datierten Schreiben hervor, bat den damaligen Kärntner Landeshauptmann Haider inständig, sich "mit aller Kraft“ für den Erhalt der örtlichen Seeliegenschaft einzusetzen und diese "unbedingt aus dem Gesamtangebot des Verkaufs durch die Bawag“ herauszunehmen.
Haider macht Druck
Haider? Kam vorerst nicht in die Gänge. Erst ein Jahr später sollte er plötzlich reges Interesse an den Seegrundstücken entwickeln - und zugleich gewaltigen Druck ausüben. Die damalige Landesregierung wurde im September 2007 überfallsartig mit Haiders Vorhaben konfrontiert. Er erklärte, eine Aucon Immobilien AG sei wegen des Ankaufs von Seegrundstücken an ihn herangetreten und habe Exklusivverhandlungen angeboten; das Land müsse aber bitte rasch entscheiden, weil der ÖGB nur bis Jahresende Zugriffsrecht auf die Liegenschaften habe.
Das Land legte schließlich ein Angebot von 45,5 Millionen Euro auf den Tisch und beauftragte zwei Sachverständige, die Preisvorstellungen von ÖGB und Bawag zu plausibilisieren. Diese lagen bei 49,9 Millionen Euro, was reichlich keck war: Eine Expertise hatte dem ÖGB erst ein Jahr zuvor bescheinigt, dass der Verkehrswert der drei Liegenschaften lediglich 33,1 Millionen Euro betrage. Umso bemerkenswerter ist es, dass die vom Land Kärnten eingesetzten Gutachter Ende Oktober 2007 ihrerseits auf einen Wert von reschen 40,8 Millionen Euro kamen. Die Ermittler wittern "Gefälligkeitscharakter“ und vermuten, "dass die Gutachten dem Kaufpreis angepasst werden mussten“.Ende 2007 jedenfalls legte das Land für die drei Seegrundstücke samt Immobilien einen Netto-Kaufpreis (exklusive Umsatzsteuer) von 43 Millionen Euro auf den Tisch. Jörg Haider sollte den Kaufpreis später als "Verhandlungserfolg“ feiern.
In der Rückschau stellt sich die Frage, ob überhaupt verhandelt worden war. Für die Ermittler verdichtet sich "der Eindruck, dass die Verhandlungen zwischen dem Land Kärnten und den damaligen Eigentümern nicht erst - wie öffentlich dargestellt - im Sommer 2007, sondern bedeutend früher aufgenommen wurden“. Es gebe Hinweise, die "weniger auf Kaufpreisverhandlungen als vielmehr auf Absprachen im Vorfeld“ hindeuteten.
"Verkehrswert nicht nachvollziehbar"
Aus heutiger Sicht hat von diesem vermuteten "Absprachen“ jedenfalls der Österreichische Gewerkschaftsbund profitiert. Ein im Juni des Vorjahres von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten, welches die unterschiedlichen Wertangaben objektivieren sollte, wurde dieser Tage übermittelt und kommt zum Schluss: "Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der ermittelte Verkehrswert der Liegenschaften in der von den Gutachtern (des Landes, Anm.) angegebenen Höhe nicht nachvollziehbar und im Ergebnis tendenziell überhöht ist.“
Die heutige ÖGB-Führung will dazu keine Stellungnahme abgeben. Von den damals in die Verhandlungen involvierten Personen ist keine mehr für den Gewerkschaftsbund tätig.
Schade eigentlich, denn auch die Rolle der erst im April 2007 gegründeten Wiener Aucon Immobilien AG ist hinterfragenswert. Sie will den Verkaufsprozess zwischen dem Land Kärnten und dem ÖGB erst auf Schiene gebracht haben. Aucon-Geschäftsführer Heinz Liebentritt rühmte sich gegenüber profil, die "vorhandenen Animositäten zwischen Haider und dem ÖGB überbrückt“ zu haben. Wer Aucon den Vermittlungsauftrag erteilte, ist schwer nachzuvollziehen.
Liebentritt sagt heute, Haider sei an ihn herangetreten; Haider wiederum behauptete damals, von der Aucon (im Auftrag der Gewerkschaft) kontaktiert worden zu sein. Unbestritten ist jedenfalls, dass die Gesellschaft sich für den Fall eines erfolgreichen Geschäftsabschlusses vertraglich eine Maklerprovision von 3,5 Prozent sicherte. Doch auch in Sachen Aucon weisen die Ermittlungen keine Stringenz auf. Haider will erst am 28. September mit der Gewerkschaftsbank in konkrete Verhandlungen getreten sein. Die Vorstellungen zwischen Verkäufer (49,9 Millionen Euro) und Käufer (45,5 Millionen Euro) lagen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls offiziell noch auseinander; das vom Land in Auftrag gegebene Gutachten sollte erst am 30. Oktober 2007 auf dem Tisch liegen.
Und doch. Bei Hausdurchsuchungen wurde E-Mail-Korrespondenz sichergestellt, in welcher sich zwei in den Deal involvierte Personen schon im September über eine Provision in der Höhe von 1,8 Millionen Euro für die Aucon den Kopf zerbrechen.
Die Herren dürfen sich prophetischer Fähigkeiten rühmen. Nachdem die Grundstücke Ende des Jahres um die schließlich ausverhandelten 43 Millionen Euro den Eigentümer wechselten, kassierte die Aucon im Jänner 2008 netto 1,5 Millionen Euro Provision.
Macht inklusive Umsatzsteuer 1,8 Millionen Euro.