Heinz Oberhummer (1941-2015): Begeistert und begeisternd
Als wir einander vor ein paar Jahren erstmals begegneten, eröffnete er das Gespräch mit den Worten: „Servus, ich bin der Heinz.“ Dieser knappe Satz verrät ziemlich viel über die Persönlichkeit von Heinz Oberhummer. Für professorale Distanz oder gar Überheblichkeit hatte er wahrlich kein Talent. Er verhielt sich stets freundschaftlich, kumpelhaft, herzlich auf sehr authentische Weise, zugleich respektvoll und zeigte sich an seinem Gegenüber aufrichtig interessiert. Wäre es allzu trivial zu sagen, dass er einfach ein unglaublich netter Mensch war? E-Mails schloss er regelmäßig mit: „Dein Heinz.“ Die Jovialität war nicht gespielt, er war tatsächlich so. Die zappelige Hyperaktivität, die Besucher der „Science-Busters“-Shows von seinen Bühnenauftritten kennen, war ebenfalls echt.
Beim ersten Treffen saßen wir in einem Kaffeehaus und sprachen über die Entstehung und das Schicksal des Universums, über die Möglichkeit einer Unzahl weiterer spontan erblühender und verglimmender Universen sowie über die kosmologische Feinabstimmung, ein Spezialgebiet von Oberhummer. Der Begriff beschreibt das Phänomen, dass in den Sternen immer genau jene hochpräzise, wohldosierte Molekülmischung gebraut wird, welche die Entstehung von Leben begünstigt – interessant, dass ausgerechnet der Atheist Oberhummer diese bemerkenswerte physikalische Fügung näher untersuchte. Atheist in dem Sinne, dass er jede naturwissenschaftliche Erklärung für die Erschaffung der Welt für plausibler hielt als eine religiöse. Wir saßen im Café, Heinz erklärte, gestikulierte, und die Blicke der Tischnachbarn waren uns sicher. Er konnte begeistern und sich begeistern. Nach zwei Stunden musste er los. Er war für einen Vortrag gebucht. Den Bühnenanzug hatte er, in Plastikfolie gewickelt, schon dabei.
Er unterhielt und unterrichtete sein Publikum, und es liebte ihn dafür.
Vorträge, Sachbücher, Magazinartikel (auch in profil wissen), extensive Touren mit den Science Busters. Oberhummer genoss in den vergangenen Jahren das Privileg, eine Art zweiten Frühling zu durchleben, der es ihm gestattete, seine überschäumende Leidenschaft für die Wissenschaft, für Aufklärung und eine Annäherung an das Verstehen der Gesetze dieser Welt mit einer beständig wachsenden Öffentlichkeit zu teilen. Er unterhielt und unterrichtete sein Publikum, und es liebte ihn dafür. Es ist beeindruckend, wie viele Menschen, die ihn persönlich überhaupt nicht gekannt hatten, ehrlich betroffen waren von seinem Tod vorige Woche.
Heinz Oberhummer hätte seine Karriere in naher Zukunft eingeschränkt, wäre kürzer getreten, hätte aus Rücksicht auf sein fortschreitendes Alter die Dichte der Auftritte allmählich reduziert. Es wäre eine behutsame Übergabe seiner Rolle an andere Wissenschafter mit ähnlichem Enthusiasmus für die Forschung gewesen. Eine hartnäckige Virusinfektion, gefolgt von einer Lungenentzündung, machte diesen klugen Plan abrupt zunichte.
In seinem Umfeld hatte man gedacht, dass er, das ewige Energiebündel, es schaffen würde. Er schaffte es nicht. Es ist unendlich schade um ihn. Seit Längerem hatten wir über einen Besuch in seinem Haus in Niederösterreich geredet, dort, wo er Alpakas züchtete. Kommt doch endlich mal raus, hatte er gemeint. Immer wieder drängte sich die Einladung ins Gedächtnis, doch ständig gab es einen Grund, welcher der Reise im Weg stand. Persönlich Wichtiges aufzuschieben, ist manchmal eine miserable Idee.