An Dinosaurier geklebt: Erste Museums-Aktion der "Letzten Generation"

Protest gegen das "Aussterben" durch den Klimawandel klappte im zweiten Anlauf. Wer die radikale Aktivistin ist.

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Sich an weltberühmte Gemälde zu kleben oder sie mit Lebensmitteln zu bewerfen, gehört in der Szene längst zum Alltag. Vor zwei Wochen warfen Just-Stop-Oil-Aktivisten in der Londoner National Gallery Tomatensuppe auf das verglaste Van-Gogh-Gemälde "Sonnenblumen", vorgestern traf es Andy Warhols "Campbell's-Soup" in Sydney. Beide Gemälde waren durch Glas geschützt.

In Österreich hatten sich Aktivisten der "Letzten Generation" bisher "nur" auf Straßen geklebt, um den Frühverkehr zu blockieren. Nun hat es auch ein heimisches Museum erwischt. Das Naturhistorische Museum. Aktivsten klebten sich am Donnerstag Vormittag an das Gerüst eines Dinosauriers. Die Aktion sollte bereits im September über die Bühne gehen. Doch zwei Aktivisten - darunter die Gründerin der "Letzten Generation", Martha Krumpeck - wurden in letzter Minute von Beamten des Verfassungschutzes daran gehindert. Die Staatsschützer hatten die Aktivisten observiert. Es läuft ein Strafverfahren wegen versuchter Sachbeschädigung. Das Museum verhängte Hausverbote.

Caroline Thurner war damals nicht dabei, und vollendete die Aktion nun gemeinsam mit einem Studenten. Wer diese Frau ist, wie sie denkt, lebt, ihre Aktionen finanziert und neue Mistreiter rekrutiert, hat profil in der aktuellen Cover-Story beschrieben.

Die 52-jährige Thurner ist Chemikerin und eine der drei zentralen Personen der "Letzten Generation". Sie arbeitet mit Krumpeck in einem Labor in Niederösterreich. Die beiden sequenzieren Luftproben auf Schimmelspuren für eine private Forschungseinrichtung. Der Arbeitgeber weiß von den Klebe-Aktionen. Plakate, Flyer, Banner und Superkleber finanzieren die Aktivisten über einen sogenannten Climate Emergency Fund. In diesen Fonds zahlen laut Thurner "reiche Leute ein, die ein schlechtes Gewissen haben". Wer diese Gönner genau sind, wisse sie nicht. Thurner gibt an, demnächst über den Fonds ein freiberufliches, versteuertes Nebeneinkommen über 20 Wochenstunden Aktivismus zu beziehen-über eine Kontaktadresse in Deutschland. Mehr verrät sie nicht.

Bei ihrer letzten Klebeaktion auf der rechten Wienzeile wurde sie von einer Autofahrerin mit Wasser übergossen. Im Sommer hat sie aus psychischen Gründen erstmals für sechs Wochen pausiert. "Ich lebe in einer Realität, die mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Alle leben vor sich hin, obwohl der Hut brennt. Das ist extrem belastend." Privat hat sich Thurner von allen Menschen getrennt, die sie nicht unterstützen. Ihre 23jährige Tochter arbeitet bei einem Rechtsanwalt, der die Klimaaktivisten juristisch unterstützt. "Es interessiert mich nicht mehr, über Kleinigkeiten Small Talk zu führen, ob eine Hose zu kurz oder zu lang ist, wenn unser Klimaproblem so groß ist",sagt Thurner. Diesen Zustand, an nichts mehr anderes denken zu können, nennen die Aktivsten "Klimadepression".

Wie lange wird sich die 52-Jährige noch ankleben? "Wir werden uns nie fügen. In zwei bis drei Jahren hat es aber ohnedies keinen Sinn mehr, dann sind die Kipppunkte überschritten."

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.