Andreas Babler: „Links ist doch kein Schimpfwort!“
SPÖ-Kandidat Andreas Babler kritisiert, dass die Mitgliederbefragung in Hinterzimmern vergurkt wurde. Er plädiert für ein Wahlrecht für Ausländer – und legt sich fest: Er würde keine Koalition mit der ÖVP eingehen.
Sie kandidieren für die SPÖ-Spitze. Sind Sie auch Kanzlerkandidat?
Babler
So, wie die Mitgliederbefragung im Vorstand formuliert wurde, ist es eine Kandidatur für beide Ämter. Ich habe die Fragestellung nicht entschieden – es ist eben so.
Glauben Sie, Sie wären der beste Kanzler?
Babler
Ja.
Kann der Bürgermeister einer Kleinstadt Kanzler werden?
Babler
Ich bin stolz, aus der Kommunalpolitik zu kommen. Man muss meine Vita kennen: Ich habe jahrelang in internationalen sozialdemokratischen Verbänden gearbeitet, bin in Österreich viel präsenter als andere und seit 35 Jahren SPÖ-Mitglied. Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner sind vor einigen Jahren quer eingestiegen.
Sie sagten: Die Mitgliederbefragung ist, wie sie ist. Was der Vorstand beschließt, pickt also?
Babler
Nein, es pickt nicht. Es sind eben die Vorgaben für die Befragung
Ist der Prozess ein Kasperltheater, wie manche sagen?
Babler
Die SPÖ ist es nicht, aber was einige in den Hinterzimmern da aufgeführt haben, ist schon ein Kasperltheater. Der Prozess wäre nicht schwer zu erfinden gewesen, Nachbarländer haben fertige Modelle dafür.
Will jemand das demokratische Element der Mitbestimmung diskreditieren?
Babler
Der Verdacht liegt nahe, dass beide Seiten taktische Überlegungen haben. Es ist ein Spiel, das hochemotional und toxisch geworden ist. Falls ich mehr Verantwortung haben werde, gibt es einen geordneten Prozess für Mitbestimmung.
Hat es Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch vergurkt?
Babler
Deutsch trägt in seiner Funktion die Verantwortung. Aber wer das in den Hinterzimmern wirklich vergurkt hat, weiß ich nicht.
Laut Vorstand gibt es keine Stichwahl. Wenn Sie Zweiter werden und Platz eins keine absolute Mehrheit hat – braucht es eine zweite Mitgliederbefragung?
Babler
Ja, Sie werden sehen: Wenn das Ergebnis knapp ist, wird es keine Alternative zur Stichwahl geben. Wenn in einer Mitgliederbefragung das Argument sein soll, dass der erste Wahlgang zählt, dann wäre Norbert Hofer 2016 Bundespräsident geworden.
Haben Sie bei der letzten Mitgliederbefragung Pamela Rendi-Wagner gewählt?
Babler
Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr genau, ob ich den Zettel abgeschickt habe. Damals gab es ja keine weiteren Kandidaten. Das war eine andere Situation als diesmal.
Was war der größte Fehler der SPÖ in den letzten Jahren?
Babler
Die Partei zu vernachlässigen und nur als Wahlverein zu sehen. Ich halte wenig davon, nur kurzfristig zu schauen, dass man Wahlen gewinnt.
Das war zuletzt ja ohnehin nicht mehr so.
Babler
Das stimmt. Es braucht auch eine positive Streitkultur. Ich komme aus einer Generation, die inhaltlich harte Auseinandersetzungen geführt hat, aber am Ende eine gemeinsame Position vertreten hat. Diese Fähigkeit vermisse ich manchmal in der Führungsebene.
Wir würden Ihnen gern einige inhaltliche Fragen stellen, zur Einordnung: Ist eine Arbeitszeitverkürzung gut, schlecht oder unrealistisch?
Babler
Arbeitszeitverkürzung ist eine Notwendigkeit. Ich bin für 32 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich. Die Menschen haben ein Recht darauf, dass ein Stück der Produktivitätsentwicklung an sie weitergegeben wird.
Mieten einfrieren: Ja oder nein?
Babler
Mietpreise bremsen und gleichzeitig den sozialen Wohnbau in die Höhe fahren. Die Politik muss in vielen Bereichen Regeln aufstellen, in denen sie es derzeit nicht tut.
Wohnen ist also für Sie kein Markt?
Babler
Dort, wo der freie radikale Markt so reinfahrt, bedarf es klarer Regeln. Es gibt ein Recht auf leistbares Wohnen, so wie es ein Recht auf Bildung gibt.
Tempo 100 auf der Autobahn?
Babler
Ja. Die Lebensgrundlage von Menschen zu erhalten, ist eine zutiefst soziale Verteilungsfrage. Übrigens gab es Übergewinne nicht nur am Energiemarkt, sondern auch in vielen anderen Bereichen, zum Beispiel bei Lebensmitteln.
Und die würden Sie abschöpfen?
Babler
Ja, und damit gratis öffentliche Verkehrsmittel für untere Haushaltseinkommen finanzieren, den Rest kann man sozial staffeln.
Sollen Klimakleber bestraft werden oder würden Sie sich dazusetzen?
Babler
Aktionsprotestformen sind legitim. Ich habe Sympathien für alle, die den Menschen signalisieren wollen, wie dramatisch die Situation ist.
Begrüßen Sie es, dass die EU Waffen an die Ukraine liefert?
Babler
Jedes Land muss selbst entscheiden, was es tut. In Österreich sind sich alle Parteien einig, dass man keine Waffen liefert.
Österreich zahlt in der EU mit und enthält sich bei Abstimmungen bewusst konstruktiv.
Babler
Der Aggressor muss benannt werden: Russland. Es gibt ein Selbstverteidigungsrecht der Ukraine, das unterstützt gehört. Die Rolle Österreichs als neutraler Staat ist eine ganz andere als zum Beispiel die Rolle Frankreichs. Politisch ist Österreich nicht neutral, das Land muss die Abhängigkeit von Russland tatsächlich kappen. Die Sozialdemokratie müsste auch viel stärker die Anti-Putin-Bewegung in Russland unterstützen.
Aber sind Sie dafür, dass andere Länder zum Beispiel Kampfjets liefern?
Babler
Das passiert eh. Wenn Russland militärisch agiert, muss man militärisch antworten. Und das sage ich mit meiner pazifistischen Grundhaltung, mit der ich immer auf Abrüstung setze. Die Ukraine braucht jetzt unsere Unterstützung. Man muss unabhängig vom Angriffskrieg aufpassen, dass diese Diskussion nicht in Zukunft zum Automatismus führt, der bei einem Konflikt nur noch Militärpakts und Aufrüstung kennt.
Die SPÖ ist eine traditionelle Arbeiter-Partei. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter haben Migrationshintergrund. Soll es ein Wahlrecht für Ausländer oder auch niedrigere Hürden für die Staatsbürgerschaft geben?
Babler
Ja, logisch, wir brauchen niedrigere Hürden für die Staatsbürgerschaft. Ich war Schlosser, die Arbeiterin in der Schlosserei neben mir hat dieselbe Arbeit gemacht, aber weniger verdient und durfte nicht wählen. Da müssen wir als SPÖ klar machen, dass es auch für Österreicher keine Vorteile bringt, wenn Arbeiter nicht wählen dürfen.
Wann sollen Migrantinnen und Migranten wählen können?
Babler
Da gibt es differenzierte Modelle, die muss man zusammenführen. Aber klar ist: Es gibt Arbeitsmigranten, die sind wahnsinnig lang da, manche sind schon mit mir in die Schule gegangen, und haben keine Rechte. Das ist doch meschugge. Das ist eine Frage des Respekts.
Warum tut sich die SPÖ so schwer mit dem Thema Migration und hat Angst, an die FPÖ zu verlieren?
Babler
Mein Zugang ist ein anderer: Wir brauchen volkswirtschaftlich Migration in vielen Bereichen – auch nicht gut ausgebildete Arbeitskräfte, wir brauchen sie in Hotels und als Ärztinnen, überall. Natürlich muss die Gewerkschaft mit der SPÖ darauf achten, dass Migration nicht für Lohndumping genutzt wird.
Soll der Mindestlohn via Gesetz oder von den Gewerkschaften kommen?
Babler
Ich bin für Mindestlöhne – und zwar via Gewerkschaften und Kollektivvertrag. Sonst könnte etwa eine schwarz-blaue Regierung sofort den Mindestlohn wieder abschaffen.
Soll die Wehrpflicht verlängert werden?
Babler
Nein, das ist völlig unnötig. Und das sage ich als ehemaliger Bundesheer-Ausbildner.
War die Impfpflicht ein Fehler?
Babler
Ja, die ist völlig verkackt worden. Hier in Traiskirchen sind 80 Prozent geimpft. Aber der Umgang der Bundesregierung mit der Impfung war ein Wahnsinn: Zuerst gab es die Neiddebatten, dann hat man eine völlig andere Stimmung produziert. Und jetzt biedert sich die ÖVP an Corona-Leugner an.
Wie stehen Sie zu Erbschaftssteuern?
Babler
Logisch bin ich dafür. Wir als SPÖ haben die Grenze auf eine Million festgezogen. Man kann nachdenken, ob man die Grenze auf 1,2 Millionen anhebt. Wir wollen nicht die Arbeiter treffen, die sich in den 1970er-Jahren erstmals ein bescheidenes Einfamilienhaus leisten konnten. Um Vermögende zu treffen, wirken Mechanismen wie eine Stiftungsabgabe besser.
Es beginnt jetzt der SPÖ-Wahlkampf. Aus welchen Personen besteht das Team Babler?
Babler
Es ist ein sehr breites Team, nicht, wie manche vermuten, ein kleiner Linkszirkel. Mir ist wichtig, mit beiden Parteiflügeln Kontakt zu halten. Es gibt den Tag 1 nach dieser Mitgliederbefragung. Und die SPÖ wird nicht reüssieren, wenn einer gewinnt – und die anderen schmollen und Störfeuer machen. Mein Anspruch ist, die Lager zusammenzuführen.
Sie sitzen jetzt im Bundesrat. Spenden Sie den Bezug?
Babler
Ja, klar.
Ist das eine Art Wiedergutmachung für die Zeit, als Sie doppelt verdienten – als Gemeindeangestellter und Bürgermeister?
Babler
Es ist keine Wiedergutmachung, aber ich brauche das Geld nicht zum Leben. Ich habe damals auch vom Doppelbezug viel gespendet und das Verhältnis als Gemeindeangestellter ja aufgelöst.
Aber der Doppelbezug war ein Fehler.
Babler
Natürlich. Obwohl das viele Bürgermeister so handhaben und sogar Amtsleiter sind. Aber mein Anspruch ist ein anderer.
Wenn Sie SPÖ-Chef werden, legen Sie das Bürgermeister-Amt zurück?
Babler
Es würde darauf hinauslaufen, wenn es in Richtung Kanzlerkandidatur geht.
Rendi-Wagner und Doskozil schließen, in unterschiedlichen Nuancen, eine Koalition mit der FPÖ aus. Sie schließen sogar eine Koalition mit der ÖVP aus.
Babler
Ich halte diese Taktierereien nicht aus. Von Doskozil habe ich gehört, mit dieser Kickl-FPÖ gibt es keine Koalition – aber was ist mit einer anderen FPÖ? Und ich muss zur ÖVP festhalten: So, wie sie sich entwickelt hat, von der Zerschlagung der Krankenkassen über die bekannten Chats bis hin zu ihrem Grundprinzip, Gruppen von Menschen abwechselnd das Gefühl zu geben, dass sie weniger wert sind, dann lehne ich das ab.
Sie legen sich fest: Entweder die SPÖ regiert mit Grünen und NEOS – oder nicht. Also Ampel oder Opposition.
Babler
Ja. Ich kann mir ja nicht vorstellen, wie es Fortschritt und Verbesserung mit ÖVP oder FPÖ geben kann. Und ich bin überzeugt, dass eine Ampelkoalition machbar ist – vielleicht auch eine Zweierkoalition. Im Landtagswahlkampf in Niederösterreich haben mein Team und ich bei FPÖ-Wählern abgeräumt. Die Mobilität der Wählerschaft ist hoch.
Wären Sie zu links für einen Kanzler?
Babler
Links ist doch kein Schimpfwort! Links heißt einzugreifen, wo es Menschen schlecht geht. Etwa jedem Kind ein warmes Essen in der Schule garantieren. Wenn das links ist, dann kann ich mit der Zuschreibung gut leben.