Anfragen & Anträge: Partnerbörse Parlament
Das prominenteste Politikerpaar der Menschheitsgeschichte nahm ein tragisches Ende. Cäsar wurde ermordet, Kleopatra brachte sich um. Die historisch nicht hundertprozentig belegte Beziehung beruhte auf politischem Kalkül. Cäsar war mächtig, besonders sexy fand ihn Kleopatra deswegen nicht. Richtig verliebt war sie in Mark Anton, wie wir dank Shakespeare und Hollywood wissen. Aber auch in dieser Beziehung wurde nach Feierabend nicht nur über die Kinder und private Sorgen, sondern auch über Politik geredet.
Wenn es im 20. Jahrhundert ein Paar gab, das an Cäsar/Mark Anton und Kleopatra heranreichte, waren es die Clintons. Bill, der 42. Präsident der USA, gab zu, dass er es ohne seine klügere Frau nie ins Weiße Haus geschafft hätte. Hillary war Außenministerin unter Barack Obama, die Präsidentenwahl verlor sie gegen Donald Trump. Ähnliches spielte sich beim ranghöchsten französischen Liebespaar, den Sozialisten François Hollande und Ségolène Royal, ab. Er wurde französischer Staatspräsident, ihr blieb das Amt verwehrt. Die beiden sind schon länger getrennt, Hollande gilt als überaus flatterhaft, wofür Franzosen mehr Verständnis haben als US-Amerikaner. Die Clintons sind noch immer verheiratet, obwohl vor allem Bill mehrfach dagegen arbeitete.
Linke Liebe
Der Unterschied zwischen Clintons und Cäsars liegt im Ursprung ihrer Beziehungen: Erstere trafen an der Uni aufeinander, Letztere im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit. Wie man weiß, ist der Job die beste Partnerschaftsbörse. Menschen lernen einander am Arbeitsplatz kennen und lieben, und zwar in allen Branchen: Lehrer, Fleischhauer, Notare, Konditoren, Angehörige des Universitäts-Mittelbaus, viele Journalisten und natürlich auch Politiker – gerade Politiker. Je weniger Freizeit jemand hat, desto mehr wird er beziehungsweise sie sich in seinem beziehungsweise ihrem Arbeitsumfeld nach einer Partnerschaft umsehen. Liebe ist eine politische Kategorie.
Annäherungsversuche glücken bekanntlich am besten in Nachtschichten. Linke haben dabei einen Vorteil, da zu ihrer politischen Prägung stundenlange alkoholgetriebene Diskussionen bis zum Morgengrauen über Marx, Lenin, Adler, Bauer und Kreisky gehören. Dazu kamen zumindest früher noch Bildungsreisen in Arbeiterparadiese wie Nicaragua und Kuba, in deren Verlauf man sich näherkam – erleichtert durch das Prinzip der freien Liebe, die in einigen Fällen dennoch zu festen Beziehungen führte. Auch in progressiven Milieus gibt es mehr Spießigkeit, als man glauben würde. Man blicke auf die Wiener SPÖ, die sich in den vergangenen Jahrzehnten als wahre Partnervermittlungsagentur erwies.
Bekannt ist, dass – es muss zu Bruno Kreiskys Zeiten gewesen sein – Michael Häupl und Renate Brauner einander in sozialistischer Freundschaft zugetan waren. Viele Jahre später war er Bürgermeister von Wien und sie mächtige Finanzstadträtin. Andreas Schieder und Sonja Wehsely legten ihre Liebe auf Dauer an. Er ist EU-Mandatar und war zuvor Abgeordneter, Staatssekretär und SPÖ-Klubobmann im Parlament. Sie war SPÖ-Gesundheitsstadträtin in Wien. Die zwei verstanden es, sich politisch aus dem Weg zu gehen. Wehsely war nur auf Landes- und Gemeindeebene tätig, Schieder im Bund. So hielt es auch das Ehepaar Faymann. Werner war SPÖ-Vorsitzender und Bundeskanzler, Martina Ludwig-Faymann sitzt noch immer für die SPÖ im Wiener Gemeinderat. Intimkenner der Wiener SPÖ wissen um weitere (Ex)-Power-Paare: Mailath-Pokorny und Kato, Sima und Oxonitsch, Hatzl und Hatzl.
Gleich und Gleich und Ungleich
Das Beispiel Wien zeigt: Gleich und Gleich gesellt sich auch in der Politik gern. Allerdings kann die Liebe ideologische Gräben überwinden. Im Parlament verbringen Abgeordnete viele Stunden miteinander, da kommt es zwangsläufig zu Anfragen oder gar Anträgen. So fanden der FPÖ-Abgeordnete Harald Stefan und die ÖVP-Mandatarin Karin Hakl während ihrer politischen Arbeit zueinander. Schwarz-blaue Bündnisse gingen auch Fritz Grillitsch und Magda Bleckmann sowie Johanna Jachs und Hannes Amesbauer ein. Rot-schwarze Paare sind selten. Vielleicht ist die Liebe doch nicht stärker als die Gesinnung. Die Wiener SPÖ-Stadträtin und spätere Familienministerin Gertrude Sandner heiratete 1971 den ÖVP-Gemeinderat Josef Fröhlich und hieß fortan Gertrude Fröhlich-Sandner. In der SPÖ – und der Öffentlichkeit – herrschte Verblüffung. Josef verzichtete für Gerti auf sein Mandat.
Im Juli 2022 kritisierte die Vorarlberger SPÖ-Landesparteivorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger in einer Presseaussendung die Corona-Politik der Bundesregierung: „Ein Aus für die Quarantäne in Anbetracht der vor der Tür stehenden Herbstwelle ist mit Sicherheit die falsche Entscheidung von Gesundheitsminister Rauch.“ Und dazu: „Ebenso nicht mitbedacht hat Gesundheitsminister Rauch die Folgen von Long Covid.“ Die sachliche Kritik hatte eine persönliche Komponente. Sprickler-Falschlunger und Rauch sind verheiratet. Der Minister und Ehemann reagierte gelassen: „Ich liebe meine Frau. Sie hat eine andere Meinung. Das ist auch gut so. Sie spricht in ihrer Rolle als SPÖ-Vorsitzende.“ Dennoch: Die seriösen „Vorarlberger Nachrichten“ stellten eine berechtigte Frage: „Dicke Luft im Hause Rauch?“
Außerhalb von Vorarlberg wusste bis dahin kaum jemand von der rot-grünen Beziehung. Für mehr Transparenz hätte es gesorgt, wenn der Gesundheitsminister mit der Vermählung den Namen Johannes Rauch-Sprickler-Falschlunger angenommen hätte. Leider sind derartige Dreifachkombinationen behördlich nicht erlaubt.
Die Vorarlberger SPÖ-Chefin und der grüne Gesundheitsminister führen, was die Öffentlichkeit betrifft, eine Art Scheinehe. In den Archiven finden sich kaum gemeinsame Fotos. Susanne Riess zeigt mehr Drang an die Öffentlichkeit. Seit ihrer Hochzeit mit EU-Kommissar Johannes Hahn, ÖVP, heißt die frühere Vizekanzlerin und FPÖ-Chefin Susanne Riess-Hahn. Von einer fraktionsübergreifenden Ehe kann man in diesem Fall aber nicht sprechen. Riess trat 2005 aus der FPÖ aus. Beide hatten bereits Erfahrungen mit Partnern aus der Politik, allerdings auf unikolore Weise: Riess war mit einem FPÖ-Vizebürgermeister von Innsbruck liiert, Hahn mit einer Wiener ÖVP-Gemeinderätin.
Üble Ehen
Anzunehmen ist, dass Politpärchen in der Freizeit auch Berufliches besprechen. In diesem Zusammenhang wüsste man gern, ob es etwa im Hause Scheucher Meinungsverschiedenheiten gab. Harald Scheucher war jahrelang ÖVP-Bürgermeister von Klagenfurt und pflegte ein gutes Verhältnis zu FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider. Seine Gattin, die Nationalratsabgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler, trat bei der Landtagswahl 2004 als Spitzenkandidatin der Kärntner ÖVP gegen Haider an. Dessen Witwe, Claudia Haider, war zwölf Jahre lang Gemeinderätin in Feistritz im Rosental, natürlich für die FPÖ.
Einziges österreichisches Politpaar mit Soap-Opera-Appeal waren die Straches. Heinz-Christian erreichte 2017 als Vizekanzler der türkis-blauen Bundesregierung seinen Zenit. Seine Frau Philippa machte der FPÖ-Obmann 2018 zur Tierschutzbeauftragten der Partei. 2019 flog Heinz-Christian Strache erst aus der Regierung und nach Bekanntwerden des Spesenskandals aus der FPÖ. Im Abflug gelang es ihm, seine Frau auf der blauen Liste für die Neuwahl zu platzieren. Auch Philippa wurde schließlich aus der FPÖ ausgeschlossen, konnte aber ihr Nationalratsmandat behalten. Seit dreieinhalb Jahren ist sie nun Abgeordnete mit monatlicher 9000-Euro-Gage, aber ohne Klubzugehörigkeit – und ohne Heinz-Christian. Das Paar lebt schon seit einigen Jahren getrennt. Die Scheidung erfolgte im Jänner.
Dass die Liebe auch in üblen Regimes blüht, bewiesen lange die Honeckers. Erich Honecker war von 1976 bis 1989 Vorsitzender des Staatsrats der DDR, seine Frau Margot zur selben Zeit Ministerin für Volksbildung. Allerdings soll die Ehe schon Anfang der 1980er-Jahre zerrüttet gewesen sein, wurde aus Partei- und Staatsräson aber weitergeführt – und hielt dann immerhin noch länger als die DDR.