50 Jahre Frauenwahlrecht in der Schweiz: Gleiches Recht für alle?

Während viele Staaten, auch Österreich, bereits 100 Jahre Frauenwahlrecht feiern konnten, sind es in der Schweiz erst 50 Jahre. Die wechselhafte Geschichte der weiblichen Mitbestimmung.

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Vor 50 Jahren wurde das allgemeine Frauenwahlrecht in der ganzen Schweiz gültig. Damit gehört das Land zu den Schlusslichtern in Europa. Nur Portugal (1974) und Liechtenstein (1984) waren noch später dran. Während anderswo auf der Welt vor allem Kriege und andere massive Verwerfungen zu politischen Fortschritten führten, gab es solche Zäsuren in der Schweiz nicht in diesem Ausmaß. Hinzu kam, dass in der Tradition der direkten Demokratie Volksabstimmungen zum Frauenwahlrecht abgehalten wurden, da es eine Änderung der Verfassung erforderte. 1959 wurden also die Schweizer Männer gefragt, ob Frauen wählen dürfen sollten, sie stimmten für "Nein".

Innerrhoden streikte

Frei nach Bruno Kreiskys Spruch "Bei der Todesstrafe und der Emanzipation der Frau darf man die Basis nicht fragen", hätte man hier wohl auch die Männer nicht fragen sollen. Es tat sich aber dann doch etwas: Im gleichen Jahr wurde im Kanton Neuenburg das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene eingeführt. In den Jahren danach nahm die feministische Bewegung in der Schweiz Fahrt auf und Frauen traten mit immer kämpferischen Protestaktionen in den Vordergrund. Am 1. März 1969 fand dann der Marsch auf Bern statt: Tausende Frauen und Männer demonstrierten vor dem Regierungssitz in Bern. Als die Schweiz 1965 der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten wollte, in der seit 1952 das Recht auf freie Wahlen verankert war, wurde die Frage der Gleichberechtigung der Frauen dringlich - eine internationale Blamage drohte. Bei der zweiten Volksabstimmung am 7. Februar 1971 sprachen sich schließlich zwei Drittel der Männer pro Frauenwahlrecht aus. Auf kantonaler Ebene dauerte es aber noch weitere 20 Jahre, bis es überall eingeführt wurde. Der Kanton Appenzell-Innerrhoden widersetzte sich bis Ende des Jahres 1990.

Weltweit gesehen ist die Geschichte des Frauenwahlrechts sehr diffus. Der erste Staat, der ein aktives Frauenwahlrecht einführte, war Neuseeland - wo heute prominent Jacinda Ardern die Regierungsgeschicke leitet - das passive Wahlrecht, also die Möglichkeit sich selbst für Ämter aufstellen zu lassen, folgte jedoch erst 1919. Vor allem in Europa und der Asien-Pazifik-Region waren viele Länder früh dran mit dem Frauenstimmrecht. Laut einer Aufstellung des US-amerikanischen Pew Research Center führten es die meisten Staaten der Welt zwischen 1893 und 1960 ein. Dort, wo es länger dauerte, war dies meist durch die politische Situation bedingt. So führten viele afrikanische Staaten das Frauenwahlrecht nach Ende der Kolonialherrschaft europäischer Staaten ein.

Gleiches (Wahl-)Recht für alle?

Eine weitere Gemeinsamkeit vieler Staaten: Das Wahlrecht galt nicht sofort für alle Frauen. In Österreich durften zum Beispiel Prostituierte noch einige Jahre nicht mitwählen. In vielen Ländern wurden anfangs gewisse Bildungsstandards verlangt. Auch nach Ethnie wurde ausgegrenzt: Indigene Frauen waren oftmals vom Wahlrecht ausgenommen, ebenso schwarze Frauen. In Südafrika lagen zwischen dem Wahlrecht für weiße Frauen (1930) und dem für schwarze Frauen (1993) mehr als 60 Jahre.

Wählen Frauen anders?

Die Frage, ob Frauen anders wählen, ist immer wieder Gegenstand von Untersuchungen. Ob mehr Frauen oder Männer ihre Stimme abgeben, ist tatsächlich von Land zu Land und über die Zeit gesehen sehr verschieden. 1945 waren zum Beispiel laut Demokratiezentrum Wien in Österreich 60 Prozent der WählerInnen Frauen. Wen Frauen bevorzugt wählen, verändert sich ebenfalls ständig: Während sie nach 1945 eher zu konservativen Kräften tendierten, begann in den 1970er-Jahren ein Links-Trend, wohl auch im Rahmen der Familien- und Strafrechtsreform, die maßgeblich von der SPÖ durchgesetzt wurde. Der rechtspopulistische Kurs der FPÖ ab 1986 kam bei Männern besser an als bei Frauen. Bei der letzten Nationalratswahl wählten Frauen laut Standard öfter Grün und Neos, Männer mehr FPÖ, bei ÖVP und SPÖ zeigten sich aber kaum Unterschiede.