Äthiopiens Ministerpräsident Abyi Ahmed

Abiy Ahmed, Aung San Suu Kyi, Barack Obama: Friedensnobelpreiskrieger

Vor nicht einmal einem Jahr nahm Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed in Oslo die höchste Auszeichnung für pazifistische Bemühungen entgegen - jetzt trägt er einen blutigen Konflikt im eigenen Land aus. Wieder ein Fall von voreiliger Ehrung?

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Hunderte sind bereits tot, Zehntausende auf der Flucht - in Tigray, einer im Norden Äthiopiens an der Grenze zu Eritrea gelegenen Region, ist seit Anfang November ein blutiger Konflikt im Gange. Kontrahenten: die "Volksbefreiungsfront von Tigray" (TPLF) und die Zentralregierung in Addis Abeba, repräsentiert durch Premierminister Abiy Ahmed, der vergangenes Jahr für die Beendigung des jahrzehntelangen Krieges mit Eritrea den Friedensnobelpreis erhielt. Krieg sei "der Inbegriff der Hölle für alle Beteiligten", sagte er in seiner Dankesrede am 10. Dezember 2019. Jetzt lässt er eigene Landsleute von der Luftwaffe bombardieren.

Die Rolle Ahmeds ist noch nicht klar zu bewerten, die Hintergründe des Konflikts sind diffizil. Interne Machtkämpfe spielen eine Rolle; Akteure von außen, etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, ebenso.

Ahmed ist nicht der erste Friedensnobelpreisträger, der im Nachhinein den Verdacht aufkommen lässt, ob seine Ehrung vorschnell erfolgte. Ein besonders krasser Fall ist Aung San Suu Kyi (1991, für "ihren Einsatz für die Menschenrechte"). 2017 trug die ehemalige Oppositionelle aus Myanmar als De-facto-Regierungschefin ihres Heimatlandes einen Vernichtungsfeldzug der mächtigen Armee Myanmars gegen die muslimische Minderheit der Rohingya stillschweigend mit - selbst als deswegen ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingeleitet wurde.

US-Präsident Barack Obama (2009, für die Schaffung eines "neuen Klimas in der internationalen Politik") wurde sehr schnell, nämlich nicht einmal ein Jahr nach Amtsantritt, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Anschließend setzte er im sogenannten Krieg gegen den Terror vermehrt auf Drohnenangriffe, die zahlreiche zivile Opfer forderten - unter anderem in einer Klinik von Ärzte ohne Grenzen, dem Friedensnobelpreisträger des Jahres 1999.

Umstritten war auch die Vergabe an US-Außenminister Henry Kissinger (1973, für "die Herbeiführung eines Waffenstillstands im Vietnamkrieg"), der sich zuvor als besonderer Scharfmacher bei Kriegen in Ostasien hervorgetan hatte.

Verhindern lassen sich derartige Fehlgriffe schwer - geschehen aber ohnehin selten, da aktive Politiker unter den Ausgezeichneten in der absoluten Minderheit sind. Gerade in Krisenstaaten ist das Risiko gegeben, dass aus Friedensengeln plötzlich Kriegsherren werden: Äthiopiens Premierminister ist ein Beispiel dafür, das dem Nobelpreiskomitee zu denken geben müsste.