Abschuss von Flugzeug MH17: Separatisten übergeben Malaysia Black Box
Die Flugschreiber der in der Ostukraine abgestürzten Passagiermaschine sind von pro-russischen Separatisten an eine malaysische Delegation in der Ukraine übergeben worden. Dies berichtete der Korrespondent des US-Nachrichtensenders CNN in der Nacht zum Dienstag.
Malaysias Ministerpräsident Najib Razak hatte am Montag angekündigt, er habe eine entsprechende Übereinkunft mit dem ostukrainischen Separatistenführer Alexander Borodaj erreicht. Eine Delegation von zwölf Experten aus Malaysia hatte na ch Angaben der russischen Agentur Interfax den Tag über in Donezk mit den Separatisten verhandelt.
"Die Wahrheit enthüllen"
Borodaj sagte bei der Übergabe der Black Boxes am frühen Dienstagmorgen, sie "werden die Wahrheit enthüllen". Er bestritt Anschuldigungen, nach denen die Separatisten das Flugzeug abgeschossen hätten. "Wir haben nicht die technische Fähigkeit, dieses Flugzeug zu zerstören", sagte Borodaj.
Kurz zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat per Resolution eine unabhängige Untersuchung des mutmaßlichen Abschusses einer Passagiermaschine über der Ostukraine gefordert. Alle 15 Mitglieder des Gremiums stimmten dem Papier bei einer kurzfristig einberufenen Sitzung am Montag in New York zu. Dem ursprünglich von Australien eingebrachten Entwurf hatten sich schon vor der Abstimmung zahlreiche weitere Länder angeschlossen. Russland hatte zunächst einen eigenen Resolutionsentwurf eingebracht, dann aber einer gemeinsam überarbeiteten Version des australischen Entwurfs zugestimmt.
"Umfassende, tiefgreifende und unabhängige Untersuchung
Die Resolution fordert eine "umfassende, tiefgreifende und unabhängige Untersuchung" des Absturzes von Flug MH17 mit fast 300 Menschen an Bord über dem Osten der Ukraine, bei der die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO eine "zentrale Rolle" spielen soll. Zudem fordert es sofortigen ungehinderten Zugang für die Experten zur Unglücksstelle. Im Fall der Nichtbefolgung droht die Resolution allerdings keine Konsequenzen an. Sie verurteilt den mutmaßlichen Abschuss des Flugzeugs und spricht den Angehörigen der Opfer Beileid aus.
Überreste von Flugzeuginsassen überstellt
Unterdessen verließ der Zug mit den Überresten von 251 Flugzeuginsassen am Montagabend die Stadt Tores Richtung Charkow. "Der Zug wird von einer Lokomotive der Eisenbahn Donezk gezogen", sagte ein Bahnsprecher nach Angaben der russischen Agentur Interfax. Zuvor hatten Experten vier Kühlwaggons kontrolliert und versiegelt. Dazu kommt ein Wagen mit persönlicher Habe der Opfer und Begleitpersonal.
Im 300 Kilometer entfernten Charkow richten niederländische Spezialisten ein Zentrum zur Identifizierung der Opfer ein. Die Niederlande wollen jedoch die Opfer so schnell wie möglich außer Landes bringen. "Die Identifizierung geht in den Niederlanden viel schneller", sagte Ministerpräsident Mark Rutte im Parlament in Den Haag. Auf dem Flugplatz von Charkow steht eine Hercules-Maschine der niederländischen Streitkräfte bereit. Nach ukrainischen Angaben wurden an der Absturzstelle 282 Leichen und 87 Körperteile gefunden.
Kritik am Umgang mit Absturzopfern
Wenige Stunden vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York präsentierte der russische Generalstab am Montag in Moskau Satellitenaufnahmen und Karten mit Flugbahnzeichnungen vom Absturztag. Das Militär forderte die Ukraine auf, Auskunft über einen Kampfjet zu geben, der sich der Unglücksmaschine genähert haben soll. Kiew müsse auch die Gründe für die Stationierung des Flugabwehrsystems "Buk" im Separatistengebiet erklären, da die Aufständischen nicht über Flugzeuge verfügten. Die Separatisten lenkten nach heftiger Kritik am Umgang mit Absturzopfern allmählich ein und erleichterten die Arbeit der Experten damit.
Nach Angaben des russischen Militärs näherte sich ein Abfangjäger vom Typ Suchoi-25 der Malaysia-Airlines-Boeing am Donnerstag bis auf fünf Kilometer. So ein Kampfjet sei mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet, die auf diese Entfernung ein Ziel hundertprozentig zerstören könnten, sagte Generalleutnant Andrej Kartopolow vom russischen Generalstab. Er rief die Amerikaner auf, eigenes Kartenmaterial vom Absturztag zu veröffentlichen.
Die USA verdächtigen die Separatisten, die Zivilmaschine mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen haben. Zuvor hatte die Ukraine behauptet, umfassende Beweise - darunter Satellitenaufnahmen - dafür zu haben, dass die prorussischen Kräfte mit einem "Buk"-System auf die Boeing 777-200 geschossen hätten.
Beobachter befürchten, dass wegen der tagelangen Behinderungen durch die Separatisten und Eingriffen in das Trümmerfeld eine exakte Ermittlung der Absturzursache kaum mehr möglich ist. Angehörige klagen über mangelnden Respekt vor den Toten.
"Rechtmäßigkeit" der Ermittlungen
US-Präsident Barack Obama rief seinen russischen Kollegen Wladimir Putin dazu auf, die Aufständischen davon abzuhalten, die Untersuchungen weiter zu behindern. Der Separatistenanführer Andrej Purgin wies Vorwürfe zurück, moskautreue Kräfte hätten Arbeiten behindert. Die militanten Gruppen würden lediglich die "Rechtmäßigkeit" der Ermittlungen überwachen.
Die moskautreuen Kräfte kämpfen für die Abspaltung von der Ukraine. Die russisch geprägte Region Donbass erkennt die proeuropäische Führung in Kiew nicht an. Bei den Kämpfen starben bisher Hunderte Menschen.
Die Außenminister der Europäischen Union kommen am Dienstag in Brüssel zusammen, um über die Ukraine-Krise und Konsequenzen aus dem Absturz zu beraten. Noch am Montag sollte der UN-Sicherheitsrat über eine Resolution zum Absturz der Maschine abstimmen.
Der Westen wirft Russland vor, schützend die Hand über die Separatisten zu halten und etwa Waffenlieferungen an diese nicht zu unterbinden. Putin wies in einer in Moskau veröffentlichten Videobotschaft eine Verantwortung Russlands für den Boeing-Absturz zurück und gab der Ukraine die Schuld dafür. Armee und Separatisten lieferten sich inzwischen erneut heftige Gefechte.
"NY Times": Wrackteil weist auf Raketen-Treffer hin
Ein durchlöchertes Wrackteil des in der Ostukraine abgestürzten Jets weist laut der "New York Times" auf einen Raketentreffer hin. Schrapnell-Spuren seien ein Hinweis darauf, dass das Flugzeug durch eine Rakete mit Überschallgeschwindigkeit zerstört wurde, sagten Experten des Verteidigungs-Fachverlags IHS Jane's nach Auswertung eines von einem NYT-Fotografen aufgenommenen Trümmerteils.
Unter anderem wurde der abgeplatzte Lack an der Außenseite des vom Flugzeugrumpf stammenden Wrackteils als ein Beleg angeführt. Die Experten vermuten, dass das Flugzeug der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord am Donnerstag durch die Rakete eines russischen "Buk"-Flugabwehrsystems getroffen wurde. Die USA verdächtigen prorussische Separatisten, die Zivilmaschine mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen zu haben.
(APA/Red.)