Marcus Pretzell beim Parteikongress der AfD (Alternative fuer Deutschland).

AfD-Pretzell: "EU-Feindlichkeit gefällt mir gut"

Der AfD-Europa-Abgeordnete Marcus Pretzell über die Stimmengewinne von Norbert Hofer und das Vorbild Österreich.

Drucken

Schriftgröße

profil: Norbert Hofer hat bei der Stichwahl die Hälfte der Stimmen bekommen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Marcus Pretzell: Es ist ein Signal an ganz Europa. Wir erleben erstmals, dass in einem westeuropäischen Land Mehrheiten jenseits der etablierten Parteien möglich sind. Das hat es bislang nicht gegeben, und es hätte bis vor Kurzem auch niemand für möglich gehalten.

profil: Was kann die AfD aus dem Aufstieg der FPÖ lernen? Pretzell: Auf jeden Fall, dass es sich auszahlt, die eigenen Positionen beharrlich und mit Rückgrat zu vertreten und nicht vor der veröffentlichten Meinung einzuknicken. Diese unterscheidet sich nämlich häufig sehr deutlich davon, was viele Bürger denken. Siehe Österreich: Hier hätte man angesichts der Medienlandschaft und diversen öffentlichen Statements ja auch glauben können, dass Herr Van der Bellen mindestens eine Dreiviertelmehrheit bekommt.

Es wäre ein Fehler, eine sozialdemokratische Politik zu betreiben

profil: Die FPÖ hat stark in den Milieus der Sozialdemokraten gewildert: Ist das ein Modell für die AfD? Pretzell: Es wäre ein Fehler, eine sozialdemokratische Politik zu betreiben, denn die ist in den vergangenen Jahrzehnten ja gescheitert. Wir müssen vielmehr die Eingriffe des Staates minimieren, die ursprünglich als Unterstützung für den sogenannten kleinen Mann gedacht waren, sich inzwischen aber gegen ihn richten. Wähler aus dem sozialdemokratischen Milieu wollen wir natürlich trotzdem gewinnen -aber nicht nur: ebenso aus dem christdemokratischen, dem liberalen und auch dem grünen und linken Umfeld.

profil: Im sozialpolitischen Ansatz unterscheidet sich die AfD also doch merklich von der FPÖ. Und abgesehen davon? Pretzell: Die FPÖ macht patriotische Politik für Österreich, das streben wir natürlich nicht an, sondern Politik für Deutschland. Aber das Charmante an allen EU-kritischen Parteien ist, dass uns bei allen Unterschieden, was die Politik in unseren Heimatländern betrifft, ein großes Ziel eint: die überbordende Bürokratie in Brüssel abzubauen, Kompetenzen in die Nationalstaaten zurückzuholen und die Rechte der Bürger auszubauen.

profil: Werden Sie die Kooperation mit der FPÖ auf bilateraler Ebene ausbauen? Pretzell: Bilateral reden wir bereits seit Längerem miteinander, wie es unter guten Nachbarn üblich ist. Das werden wir auch weiterhin tun.

Ich gebe der EU in dieser Form keine Zukunft

profil: Der Trend in Europa geht in Richtung Nationalismus und EU-Feindlichkeit. Gefällt Ihnen das? Pretzell: EU-Feindlichkeit gefällt mir außerordentlich gut. Jeder Politiker sollte demjenigen feindlich gegenüberstehen, was dem Bürger und der Demokratie schadet - und dafür ist die EU ein wunderbares Beispiel. Ich gebe der EU in dieser Form keine Zukunft. Das heißt aber nicht, dass es keine europäische Zusammenarbeit mehr geben kann und soll. Diese funktioniert derzeit allerdings nicht.

profil: Warum? Pretzell: Weil die deutsche Bundesregierung gegen eine riesige Mehrheit in der EU eine Politik betreibt, die niemand will. Wir brauchen dort, wo es für alle Beteiligten sinnvoll ist, eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe -und da sind wir zuallererst bei einem gemeinsamen Markt ohne das bürokratische Monster rundherum.

profil: Vordringlich wäre wohl eine Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise. Pretzell: Das wäre ja wundervoll. Aber auch das scheitert an der deutschen Bundesregierung, weil alle außer ihr und Griechenland der einhelligen Meinung sind, dass wir die EU-Außengrenzen unbedingt dichtmachen müssen.

Wenn wir alle hereinlassen, müssen wir uns über die Verteilung keine Gedanken machen

profil: Wir dachten bei Zusammenarbeit eher an eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge. Pretzell: Eine Verteilung kann man erst angehen, nachdem man sich darüber im Klaren ist, wen und was man verteilt. Und das ist wiederum nur möglich, wenn man die Außengrenzen sichert und kontrolliert. Wenn wir alle hereinlassen, müssen wir uns über die Verteilung keine Gedanken machen. Wir haben vergangenes Jahr über eine Million sogenannter Flüchtlinge aufgenommen, und ich mache mir keine Illusion darüber, dass uns irgendjemand einen substanziellen Teil davon abnehmen will.

profil: Ist die österreichische Flüchtlingspolitik ein Vorbild für die AfD? Pretzell: Eine österreichische Regierung, die eine freiheitliche Grenzpolitik betreibt, ist immer ein Vorbild - egal, wie sie sich zusammensetzt.

Marcus Pretzell, 42, ist EU-Abgeordneter der AfD (Alternative für Deutschland), die im EU-Parlament gemeinsam mit der FPÖ, dem Front National und anderen rechtspopulistischen Parteien die Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit bildet. In Deutschland fungiert Pretzell als AfD-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Privat lebt er in einer Beziehung mit AfD-Chefin Frauke Petry.