Albaniens Premier Edi Rama

„Alles getan, was die EU von uns verlangt hat“

Albaniens Premierminister Edi Rama über den Start der Beitrittsverhandlungen mit der EU und die neue Balkanroute für Flüchtlinge.

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Edi Rama, 53, ist Chef der sozialdemokratischen Partei und seit 2013 Regierungschef. Der Künstler war zuvor zehn Jahre lang Bürgermeister von Tirana. Er wurde berühmt, indem er graue Plattenbauten von Künstlern bunt anstreichen ließ.

INTERVIEW: OTMAR LAHODYNSKY, TIRANA

profil: Ende Juni entscheidet der Europäische Rat in Brüssel über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien. Derzeit sieht es dafür nicht allzu gut aus. Rama: Wenn Albanien die EU gegen die wachsende Macht der EU-Gegner und Populisten dadurch helfen würde, dass man den Start der Beitrittsverhandlungen mit uns verschiebt, dann bin ich bereit dazu. Aber sonst haben wir alles getan, was die EU von uns verlangt hat. Wir haben die Verfassung sogar mit der Opposition, mit der wir sonst in fast allen Fragen anderer Meinung sind, geändert. Jetzt läuft ein neues Bestellungssystem für Richter und Staatsanwälte. Natürlich braucht Albanien noch viel Zeit, um Mitglied der EU zu werden, Aber es geht mir zur Zeit gar nicht um eine Mitgliedschaft. Der Start von Beitrittsverhandlungen würde uns weiter helfen, Reformen durchzuführen.

profil: Einige Staaten wir Frankreich, die Niederlande und Dänemark haben immer noch Vorbehalte, jetzt Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien zu starten. Rama: Es ist schwer für mich zu verstehen, warum die Entscheidung der EU-Kommission, mit uns Verhandlungen aufzunehmen, für Mitgliedsstaaten nicht bindend sein soll. Wir sind auch bereit, Landsleute, die sich illegal in Frankreich oder anderen EU-Staaten aufhalten, zurückzuholen. Aber das Vertrauen der Albaner in die EU und die gute Stimmung hier wäre beschädigt.

Wenn die Zahl der Flüchtlinge steigen sollte, erwarten wir uns schon Hilfe von der EU. Das habe ich auch Bundeskanzler Kurz in Wien gesagt.

profil: Laut dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz gibt es eine neue Balkan-Route für Flüchtlinge über Albanien und Bosnien. Rama: Wir haben hier etwa 2200 Flüchtlinge aus Syrien und Pakistan seit Jahresbeginn registriert. Das ist ein Anstieg, aber immer noch eine geringe Zahl. Wir wollen keine Grenzzäune errichten. Wenn die Zahl der Flüchtlinge steigen sollte, erwarten wir uns aber schon Hilfe von der EU. Das habe ich auch Bundeskanzler Kurz in Wien gesagt.

profil: Es gibt Vorwürfe gegen den amtierenden Innenminister Fatmir Xhafai, er habe seinen in Italien wegen Drogenhandels verurteilten Halbbruder beschützt. Rama: Italien hat nie seine Auslieferung beantragt. Was hätten wir tun sollen?

profil: Der 2016 groß angelegte Anbau von Cannabis in Albanien ist gestoppt? Rama: Wir haben das wirksam bekämpft. Aber wer regt sich über Drogenprobleme in den Niederlanden oder in Frankreich auf? Immer werden wir Albaner beschuldigt.

Das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) organisierte Anfang Juni eine Studienreise nach Albanien, an der profil teilnahm.

Albaniens Premierminister Edi Rama