American History: Wer ist Kamala Harris?

Kamala Harris könnte die erste nicht weiße Vizepräsidentin der USA werden. Woher kommt und wie tickt sie - und warum ist Donald Trump noch kein fieser Spitzname für sie eingefallen?

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KARRIERE

"Smart, tough, erfahren." So beschreibt Joe Biden, der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, seine Vizekandidatin. Sie stehe für "Amerikas Geschichte", denn sie wisse, was Einwanderer für das Land tun und wie schwer es nicht weiße Menschen haben. Kamala Harris, 55, wuchs in Kalifornien auf. Ihre Eltern (Mutter aus Indien eingewandert, Vater aus Jamaika) waren Akademiker und in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre sozialisiert worden. Harris studierte Politikwissenschaften und Ökonomie an der traditionell schwarzen Howard University in Washington und Jus am Hastings College. Es folgte ein steiler Aufstieg. Seit 2017 vertritt Harris den Bundesstaat Kalifornien im Senat, wo sie sich als harte Fragestellerin bei Hearings einen Namen gemacht hat. Davor war Harris die erste schwarze Bezirksstaatsanwältin von San Francisco gewesen, dann erste schwarze Generalstaatsanwältin und damit Justizministerin Kaliforniens. Nun könnte sie die erste schwarze Vizepräsidentin der USA werden.

FREUNDE UND FEINDE

Die Nominierung von Harris als Bidens "running mate" stieß auf großes Lob. Nicht nur Demokraten-Dinosaurier wie Hillary Clinton und Barack Obama feierten Harris, auch zahlreiche US-Stars jubelten in den sozialen Medien. Die Sängerin Pink vergoss "wahre Freudentränen", Schauspielerin Kerry Washington war "überwältigt von diesem historischen Moment". Teile der Filmbranche unterstützten Harris bereits bei ihrer Vorwahlkandidatur. Insgesamt sammelte sie rund 40 Millionen Dollar an Spenden- auch von Finanzinstituten. Als Kaliforniens Generalstaatsanwältin hatte sie nach der Finanzkrise zwar hart mit den Banken verhandelt, sich dabei aber keine dauerhaften Feinde gemacht. Auch die Wall Street zeigte sich angetan von Harris' Kür, ebenso die Finanz- und Technologiebranche - allesamt wichtige Biden-Unterstützer, denen zwar unter einer demokratischen Regierung höhere Steuern drohen, was angesichts der Alternative einer weiteren Amtszeit mit dem unberechenbaren Trump vielen aber als das geringere Übel erscheint.

WELTBILD

Harris wäre die erste nicht weiße Person im Amt. Beim Versuch, entsprechende Wählerschichten zu mobilisieren, hat sich Biden mit ungeschickten Aussagen bisher selbst sabotiert. Das soll Harris nun richten. Doch die Kalifornierin steht auch für eine engagierte Klimaschutzpolitik, ein strengeres Waffenrecht und die gleichgeschlechtliche Ehe, zuletzt zudem für eine Finanztransaktionssteuer. Trumps Vize Mike Pence polterte nach Harris' Nominierung, nun hätten "radikale Linke" die Demokraten im Griff. Doch das Gegenteil ist der Fall. Harris gilt als moderat, klar einordnen lässt sie sich nicht. Bei den Vorwahlen hatte ihr das noch geschadet; die Senatorin wurde zwischen dem Linken Sanders und dem etablierten Biden zerrieben.

Die linke Seite kritisiert, als Generalstaatsanwältin habe sie nicht genug gegen Diskriminierung von Schwarzen im Justizsystem sowie gegen Polizeigewalt unternommen. In der Tat stand Harris für eine harte Linie in der Strafverfolgung und sprach sich gegen Bodycams für Polizisten aus, was es Trump wiederum schwerer macht, die Demokraten als zu weich hinzustellen. Harris' Stärken sind offensichtlich (klug, zielstrebig, wortgewandt), Schwächen auf den ersten Blick nicht erkennbar. Das macht die Republikaner nervös, und selbst dem Präsidenten, der sonst rasch mit fiesen Spitznamen für seine Gegner aufwartet, ist für Harris bisher noch keiner eingefallen.

Stattdessen wärmt er die alte "Birther"-Theorie auf: Trump hat bereits bei Barack Obama angezweifelt, dass dieser in den USA geboren wurde, nun stellt er infrage, ob Harris als Tochter von Einwanderern überhaupt kandidierten darf. Solche Verschwörungstheorien kommen offenbar bei manchen Wählerschichten an, und Trump, in den Umfragen weit hinter Biden, kann jede Stimme brauchen.

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