Angeklagt: Wladimir Putin
Es fällt der jungen Frau sichtlich schwer, doch sie will es sagen, jetzt und hier, mitten in Den Haag. Ihre Stimme versagt, sie ringt nach Worten. „Das ist ein sehr wichtiger Prozess, auch für mich persönlich“, sagt sie schließlich, „wir kämpfen für Gerechtigkeit, und dieses Gericht kann sie uns bringen.“ Die Frau, die Ende Februar vor Richtern, Zeugen und einer kleinen Gruppe von Zuschauern spricht, heißt Oleksandra Matwijtschuk. Die ukrainische Friedensnobelpreisträgerin und Bürgerrechtlerin will Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seinen engsten Kreis für den Angriffskrieg gegen ihre Heimat vor Gericht sehen.
Doch der Prozess findet nicht am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag statt, sondern in einem Hotel in der Nähe. Er ist auch nicht echt, sondern eine sehr realistische Gerichtsperformance, um für eine Strafverfolgung Putins zu werben. Oder besser: Es ist eine Übung dafür, was noch kommen soll. Auf den Weg gebracht wurde „The Court“ von der ukrainischen NGO „Center for Civil Liberties“ und dem letzten lebenden Ankläger der Nürnberger Prozesse, dem 103-jährigen Anwalt Ben Ferencz.
Juristische Macht hat das „Gericht“ freilich nicht. Doch die Ankläger haben Beweise für die Kriegsverbrechen der russischen Armee zusammengetragen, die dabei helfen können, Putin höchstpersönlich vor einem internationalen Gericht anzuklagen.
Der Haftbefehl
Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass Russland die Ukraine überfallen hat. Anders als vom Kreml behauptet, hat die Ukraine Russland nicht bedroht, im Gegenteil. Es war die russische Armee, die 2014 die Krim annektierte. Wenig später begannen von Russland unterstützte Separatisten einen Angriff im Donbas.
Nach Beginn der Invasion Ende Februar 2022 hat der Westen harte Sanktionen verhängt und unterstützt die Ukraine auch mit Waffen und Munition. Doch was die Verbrechen betrifft, ist die Welt weitgehend zum Zusehen verdammt.
Das will der Internationale Strafgerichtshof nun ändern. Unter großem Applaus des Westens hat er Mitte März wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen. Konkret nannte das Weltgericht die „unrechtmäßige Deportation“ ukrainischer Kinder nach Russland. Ein Haftbefehl wurde auch gegen Maria Alexejewna Lwowa-Belowa ausgegeben, die Kinderrechtsbeauftragte des Kremls.
Keiner am Gericht wird erwarten, dass Putin in naher Zukunft verhaftet wird. Nur: Wie ist das in fünf Jahren?
Der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP) drohte, Putin festnehmen zu lassen, sobald er deutsches Staatsgebiet betritt. Auf Nachfrage erklärt auch das österreichische Innenministerium, an die Weisungen des IStGH gebunden zu sein und dessen Haftbefehle umzusetzen. Das Außenministerium ergänzt: „Das gilt natürlich auch für Präsident Putin.“ Allerdings sei die Frage „eher hypothetischer Natur“: „Nach der Veröffentlichung des Haftbefehls erscheint es unwahrscheinlich, dass Putin in einen der 123 Vertragsstaaten des IStGH reisen und sich dem Risiko einer Festnahme aussetzen wird.“
„Keiner am Gericht wird erwarten, dass Putin in naher Zukunft verhaftet wird“, sagt dazu Claus Kreß, Experte für Völkerstrafrecht an der Universität zu Köln. „Nur: Wie ist das in fünf Jahren?“ Der Haftbefehl mache Putin das Reisen schwer, auch in Staaten wie Indien, die nicht Mitglied des IStGH sind und die Politik des Kremls nach wie vor dulden. Der Autorität des IStGH könnten sich auch diese Länder nicht ganz entziehen.
Ausgeschlossen ist die Festnahme Putins – zumindest langfristig – jedenfalls nicht.
Die „Mutter der Verbrechen“
Was würde geschehen, sollte Putin tatsächlich gefasst und nach Den Haag ausgeliefert werden?
In der Ukraine hat die russische Armee ganze Städte und Regionen in Schutt und Asche gelegt, Krankenhäuser und Schulen bombardiert und Zivilisten hingerichtet. Angriffe auf zivile Einrichtungen sind, sofern sie zielgerichtet erfolgen, ein Kriegsverbrechen, und jene, die sie verüben, können angeklagt und verurteilt werden. Mehr als 70.000 Ermittlungen hat die Ukraine bisher eingeleitet, rund zwei Dutzend russische Soldaten sind verurteilt worden. Auch der IStGH ermittelt zu drei der sogenannten „Kernverbrechen“ im internationalen Völkerstrafrecht: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Möglich ist das, weil sich Kiew nach der Annexion der Krim der Gerichtsbarkeit des IStGH unterworfen hat.
Theoretisch können auch die Kommandanten der Soldaten zur Verantwortung gezogen werden, bis hinauf zu den obersten Befehlshabern, bis hinauf zu Präsident Putin. Dafür muss allerdings bewiesen werden, dass sie individuell dafür verantwortlich sind: Der Befehl zum Beschuss einer Schule oder der Mord an Zivilisten in Butscha muss Putin erst einmal nachgewiesen werden.
Sicher ist: All diese Verbrechen wären nicht passiert, wenn Putin nicht die Invasion des Nachbarlandes befohlen hätte. Der Angriffskrieg ist ein „Verbrechen der Aggression“, auf dem die anderen drei – Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord – fußen. Völkerstrafrechtler nennen die Aggression die „Mutter der Verbrechen“. Wer den Befehl dazu gegeben hat, ist zwar einfach zu belegen, immerhin hat Putin die Invasion des Nachbarlandes vor den Augen der Weltöffentlichkeit befohlen. Doch anders als bei den drei anderen Kernverbrechen kann der IStGH seine Zuständigkeit über das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine nicht ausüben.
Die große Schwäche des IStGH
Wladimir Putin für seinen Angriffskrieg anzuklagen, wäre eine Revolution in der internationalen Strafjustiz.
Auf internationaler Ebene wurde das Verbrechen der Aggression bisher nur im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg verfolgt: Bei den Nürnberger Prozessen gegen führende Nazi-Kriegsverbrecher von 1945 bis 1946 und bei den Prozessen gegen die japanische Führungsriege in Tokio von 1946 bis 1948 fand sich es sich als „Verbrechen gegen den Frieden“ in den Statuten.
Doch nach 1948 waren weder Moskau noch Washington, Paris oder London bereit, sich in dieser Frage einem internationalen Gericht zu unterwerfen. Von insgesamt 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind nur 123 Mitglieder des IStGH; die USA, Russland und die Ukraine gehören nicht dazu. Und das Verbrechen der Aggression haben wiederum nur 44 Mitgliedstaaten als Teil des Statuts anerkannt.
Sie einigten sich im Jahr 2010 auf eine entsprechende Änderung des Römer Statuts, der Grundlage des IStGH. Das Verbrechen der Aggression ist definiert als „die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, durch eine Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.“
Die Verhandlungen waren zäh, das Thema hochpolitisch, immerhin kann das Verbrechen der Aggression nur von hochrangigen Staatsorganen begangen werden. Am Ende gelang es einigen Ländern unter Führung der USA, eine erhebliche Verwässerung in das Statut über die Zuständigkeit des IStGH hineinzuverhandeln: Anders als bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord ist das Weltgericht beim Verbrechen der Aggression nur dann zuständig, wenn der Angreifer Mitglied des IStGH ist und zumindest einer der beiden betroffenen Staaten auch die Bestimmungen zur Aggression ratifiziert hat. Sollen Putin und seine Schergen vor einem internationalen Gericht für ihren Angriffskrieg in der Ukraine angeklagt werden, muss also eine andere Lösung her: ein Sondertribunal.
Das Verbrechen der Aggression wurde in der Wissenschaft vernachlässigt, weil aufgrund der Politisierung kaum Chancen auf eine Einigung gesehen wurden.
Ein Sondertribunal für Putin
Es gibt gerade einmal eine Handvoll Juristinnen und Juristen, die sich intensiv mit dem Verbrechen der Aggression befassen und mit der Frage, wie es strafrechtlich verfolgt werden kann.
Eine davon ist Astrid Reisinger Coracini. Die Expertin für Völkerstrafrecht am Juridicum in Wien ist an den Vorbereitungen für ein Sondertribunal für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine beteiligt. Seit 1999 ist sie regelmäßig bei den Verhandlungen zum Aggressionsverbrechen im Römer Statut dabei, erst als Studentin, später als beratende Expertin. 2010 nahm sie an der Konferenz in Kampala teil, bei der das Verbrechen definiert wurde, später schrieb sie ihre Dissertation darüber. Sie sagt: „Das Verbrechen der Aggression wurde in der Wissenschaft vernachlässigt, weil aufgrund der Politisierung kaum Chancen auf eine Einigung gesehen wurden.“
Seit 2014 beschäftigt sich Reisinger Coracini immer wieder mit der Ukraine. In Kiew hat sie mit Zivilrechtsorganisationen an der Verbesserung der Strafverfolgung von Völkerrechtsverbrechen gearbeitet. Nach Beginn der Invasion kontaktierte man sie für ihre Expertise in der Frage, wie Putin für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden kann.
Reisinger Coracini hat sich viel mit Sondertribunalen befasst, mit den Ad-hoc-Gerichten für Ruanda und Jugoslawien, doch da ging es nie um das Verbrechen der Aggression. „Wenn der offensichtliche Fall der Aggression gegen die Ukraine nicht verfolgt wird, dann machen wir es nie“, sagt sie.
Die Juristin ist Teil einer kleinen Gruppe von Expertinnen und Experten, die seit vergangenem Sommer darüber berät, wie ein internationales Sondertribunal für Putin aussehen könnte. Woher soll es seine Legitimation nehmen?
Der UN-Sicherheitsrat fällt aus, weil Russland als ständiges Mitglied ein Veto dagegen einlegen würde. Ein Mandat kann aber auch die UN-Generalversammlung erteilen. „Wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit der abstimmenden Staaten“, sagt Reisinger Coracini – das ist angesichts der geopolitischen Lage nicht einfach. „Auch wenn das bisherige Abstimmungsverhalten bei der Verurteilung der Aggression gegen die Ukraine günstig erscheint, wird in Hinblick auf die Errichtung eines Sondertribunals noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten sein.“
Findet die Abstimmung bereits im Herbst statt, wie Reisinger Coracini hofft, dann könnte innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Anklageschrift vorliegen.
„Es geht um die Souveränität und die Existenzberechtigung eines Staates“, sagt sie, „wenn wir das nicht ahnden, dann sind alle anderen auch betroffen.“
Die Revolution und ihre Gegner
Das sieht auch Claus Kreß so. Der Völkerrechtler ist auch Sonderberater des Chefanklägers am IStGH zum Straftatbestand der Aggression.
„Eine Anklage wegen Aggression vor einem internationalen Sondergericht wäre das dringend gebotene starke rechtliche Signal gegen Aggression“, sagt er.
Wladimir Putin wäre der erste amtierende Staatschef eines ständigen Mitglieds des UNO-Sicherheitsrats, der vor einem internationalen Gericht angeklagt wird. Ihn vor ein Sondertribunal zu stellen, wäre eine Revolution.
Eine Revolution, die nicht alle willkommen heißen.
Es geht um die Souveränität und die Existenzberechtigung eines Staates. Wenn wir das nicht ahnden, dann sind alle anderen auch betroffen.
Einige mächtige Staaten, darunter die USA, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Deutschland, haben ein hybrid-nationales Tribunal vorgeschlagen. Stattfinden solle es in der Ukraine, Kiew müsste dafür die Verfassung ändern – ein langwieriger Prozess. Zudem genießt Putin, solange er im Amt ist, vor nationalen Gerichten Immunität. „Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass hier ein starker Präzedenzfall vermieden werden soll“, sagt Kreß, der für Deutschland bei den Verhandlungen zum IStGH dabei war.
Am Ende würde sich in der Generalversammlung eine Mehrheit für ein Sondertribunal finden, wenn man sich ernsthaft darum bemüht, glaubt der Jurist.
Wie die meisten EU-Mitgliedsländer gehört auch Österreich zu den Staaten, die ein Sondertribunal befürworten. Man sei der „Kerngruppe“ zur Errichtung eines solchen Gerichts beigetreten, heißt es aus dem Außenministerium. Für den IStGH hat Außenminister Alexander Schallenberg zudem weitere 100.000 Euro an Unterstützung angekündigt.
Bleibt die Frage, wieso die Ukraine dem IStGH nicht längst beigetreten ist, anstatt lediglich dessen Gerichtsbarkeit anzuerkennen. Darauf wissen selbst Experten wie Klaus Hoffmann keine Antwort. Der Freiburger Staatsanwalt hat sich beurlauben lassen, um Kiew juristisch zu beraten. „Es gibt einen Gesetzesentwurf zum Beitritt der Ukraine in den IStGH, aber er wurde nicht ratifiziert“, sagt Hoffmann. Womöglich gebe es Vorbehalte aus dem Militär, vielleicht fürchte Kiew, selbst strafrechtlich verfolgt zu werden – was allerdings auch ohne Beitritt möglich ist.
Der Freiburger Staatsanwalt Klaus Hoffmann ist Teil eines Ermittlerteams, das in der Ukraine Beweise für Kriegsverbrechen sammelt.
Hoffmann ist Teil eines Ermittlerteams, das in der Ukraine Beweise für Kriegsverbrechen sammelt. Die zusammengetragenen Ermittlungsergebnisse und Zeugenbefragungen könnten auch vor einem Sondergericht genutzt werden. Die Idee begrüßt er: „Es braucht eine internationale Reaktion, ein Verfahren im angegriffenen Staat reicht nicht.“ Zwar sei nicht damit zu rechnen, dass Putin ausgeliefert werde. „Doch es ist notwendig, diesen Prozess einzuleiten und alles zu dokumentieren.“
Die Doppelmoral des Westens
Doch der Haftbefehl und ein mögliches internationales Sondertribunal stoßen auch auf Kritik.
Ausgegeben wurde der Haftbefehl ausgerechnet in der Woche, auf die der 20. Jahrestag der US-geführten Invasion in den Irak fiel. Hunderttausende Irakerinnen und Iraker sind infolge des Angriffs gestorben, zur Rechenschaft gezogen wurde nie jemand. „Es war schlicht kein politischer Wille da“, sagt der Völkerrechtsexperte Ralph Janik. Für einen Diktator wie Saddam Hussein wollte sich niemand stark machen: „Es macht einen großen Unterschied, wer an der Spitze des Opferstaates steht.“ Und Kreß ergänzt: „Wir hatten im Jahr 2003 noch kein Verbrechen der Aggression. Wir waren aus Gründen, die wir kritisieren müssen, noch nicht so weit.“
Es braucht eine internationale Reaktion, ein Verfahren im angegriffenen Staat reicht nicht.
Mit dem Haftbefehl wird das Leben für Putin jedenfalls komplizierter: Im Herbst wollte er nach Südafrika zum Treffen der BRICS-Staaten, doch auch Johannesburg ist an den Haftbefehl des IStGH gebunden. „Es ist in beider Länder Interesse, dass Putin nicht nach Südafrika reist“, sagt Kreß. Der Haftbefehl schränke Putin erheblich ein, das sei auch die gewünschte Wirkung gewesen.
Die Verteidigung
Wie würde sich Putin vor Gericht verteidigen? Könnte er etwa seine Behauptung wiederholen, mit dem Angriff auf die Ukraine einen Genozid im Donbas gestoppt zu haben? „Seine Anwälte würden wahrscheinlich genau so argumentieren“, sagt Janik, „aber das würde nicht funktionieren, denn es ändert nichts daran, dass der Krieg mehrere völkerstrafrechtliche Tatbestände erfüllt.“ Als Staatschef habe Putin zudem die Pflicht, sich zu Informieren, und könnte nicht einfach behaupten, in einer Blase gelebt zu haben.
Um vor Gericht zu beweisen, dass Putin von den Kriegsverbrechen seiner Armee in der Ukraine gewusst hat, könnten auch westliche Spitzenpolitiker vorgeladen werden, darunter Bundeskanzler Karl Nehammer. „Er hat Putin auf die Kriegsverbrechen angesprochen“, erinnert Reisinger Coracini, „und kann daher bezeugen, dass Putin davon wusste.“
Am Ende, da sind sich die Experten einig, muss der Internationale Strafgerichtshof gestärkt werden. Es geht darum, die Bestimmungen über das Verbrechen der Aggression im Statut so zu formulieren, dass es tatsächlich verfolgt werden kann – und Prozesse künftig in Den Haag stattfinden können.
Lücken schließen
Ein erster Schritt in diese Richtung könnte im Herbst in Wien getan werden. Reisinger Coracini erinnert daran, dass es die Delegation aus Österreich war, die 2010 in Kampala eine wichtige Klausel in das Statut zur Aggression hineinreklamierte: 2025 muss eine Evaluierung der Bestimmung zur Aggression stattfinden. Bekommt man das Schlupfloch, dass der IStGH nur bei Angriffen von Mitgliedstaaten tätig werden kann, aus den Verträgen heraus?
„Es ist das Gebot der historischen Stunde, dass die Staaten, die bisher skeptisch waren, ihre Skepsis überwinden“, sagt Kreß. „Es ist nicht verboten, klüger zu werden – und dabei zu helfen, das Gewaltverbot zu stärken.“
Einfach wird das nicht: Jene mächtigen Staaten, die sich heute gegen ein internationales Sondertribunal und für ein national-hybrides Gericht aussprechen, haben einst in Kampala das Schlupfloch in die Bestimmung über das Verbrechen der Aggression hineinverhandelt.
Es ist nicht verboten, klüger zu werden – und dabei zu helfen, das Gewaltverbot zu stärken.
Der Völkerrechtler Claus Kreß ist auch Sonderberater des Chefanklägers am IStGH zum Straftatbestand der Aggression
Die Länder des globalen Südens fordern hingegen schon lange, die Aggression genauso zu behandeln wie die anderen Kernverbrechen. „Wir müssen das Statut des Strafgerichtshofs ändern und die Lücke, die wir leider vor allem westlichen Staaten zu verdanken haben, schließen“, sagt Kreß.
Bevor es so weit ist, muss ein Sondertribunal die Lücke füllen. Es wäre eine Warnung für potenzielle Kriegsherren der Zukunft, wie es einst die Nürnberger Prozesse waren.
Am Ende ihrer Rede kommt auch Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk darauf zu sprechen, warum ein Sondertribunal für Putin für die gesamte Welt von Relevanz ist. „Die Hölle, die wir in der Ukraine durchmachen, ist ein Resultat der Straffreiheit, die Russland jahrzehntelang genießen konnte“, sagt sie, „in Tschetschenien, in Georgien oder Moldawien.“
Am Ende des Verfahrens in dem Hotel in Den Haag stand kein Urteil über Putin, sondern die dringende Empfehlung, Russlands Präsidenten zu verhaften und vor ein internationales Tribunal zu stellen.
Ein echtes Urteil über Russlands Präsidenten ist noch lange nicht gesprochen.