Ari Ben-Menashe: Der PR-Berater der Despoten
Am Ende soll alles nur ein Missverständnis gewesen sein.
Mehr als 60 Demonstrierende sind seit dem Militärputsch in Myanmar am 1. Februar getötet worden. Der Westen ist empört, die USA und die EU haben Sanktionen gegen die Junta verhängt, die Vereinten Nationen fordern ein Waffenembargo.
Um ihr Image in der Welt aufzupolieren, hat das Militär Ari Ben-Menashe engagiert. Der ehemalige Spion des israelischen Geheimdienstes soll dem Westen „die wahre Situation im Land erklären“, so Ben-Menashe. Im Gespräch mit profil verrät er, wie viel die Generäle ihm dafür geboten haben: zwei Millionen Dollar.
Dafür, dass Ben-Menashe seine Version der Geschichte mit der Welt teilen will, ist es gar nicht leicht, an ihn heranzukommen. Seine Beratungsfirma „Dickens & Madson Canada“ hat keine Website. Über Umwege gelangt profil an die Mailadresse. Die Antwort kommt prompt – seine Sekretärin bittet um einen Anruf.
profil erreicht Ben Menashe Donnerstag vergangener Woche in seiner Wohnung in Montreal. Er ist soeben aus Südkorea zurückgekehrt, zuvor war er in Myanmar, um sich mit dem Militär zu beraten. In den Augen des 69-Jährigen wurden die Generäle „missverstanden“. „Das ist ein ehrlicher Versuch, sich dem Westen und den Vereinigten Staaten anzunähern anstatt den Chinesen“, erklärte Ben-Menashe der Nachrichtenagentur Reuters bereits vergangene Woche.
Spricht man ihn auf Menschenrechtsverletzungen in Myanmar an, reagiert Ben-Menashe mitunter impulsiv.
Berichte über Proteste im Land seien „übertrieben“, so der Lobbyist, die gewaltsame Niederschlagung Angelegenheit der Polizei, die Wahlen vom November, bei denen Regierungschefin Aung San Suu Kyi einen Erdrutschsieg davontrug, „manipuliert“. Dass es für letzteres keine Anzeichen gibt, Millionen Menschen auf die Straße gehen und Videos belegen, wie Soldaten auf Menschen schießen – darauf geht Ben-Menashe gar nicht erst ein. Es ist nicht sein Job, sich mit der Wahrheit aufzuhalten. Der Lobbyist poliert Images, bügelt glatt, entwirft alternative Erzählungen.
Der richtige Mann zur richtigen Zeit
Die Geschichte von Ari Ben-Menashe ist eine Aneinanderreihung von Geheimdienst-Affären, Intrigen und Millionendeals mit Despoten auf der ganzen Welt. Die Karriere des 69-Jährigen liest sich wie ein Krimi – und Ben-Menashe, der als Sohn irakischer Juden 1951 in Teheran zur Welt kommt, spielt darin die Hauptrolle.
Als Teenager zieht er mit seinen Eltern vom Iran nach Israel, in einer Zeit, als die beiden Länder noch keine Erzfeinde sind. Nach dem Studium heuert er als Übersetzer beim israelischen Militärgeheimdienst an. Ende der 1970er-Jahre ist Ben-Menashe, der Farsi, Arabisch und Englisch spricht, dort der richtige Mann zur richtigen Zeit. Im Iran ist eine Revolution im Gang, die sich gegen den von Washington gestützten Schah Reza Pahlavi richtet. Zornige Studenten besetzen die US-Botschaft in Teheran und nehmen 52 Geiseln.
Präsident Jimmy Carter, ein Demokrat, setzt auf diplomatische Verhandlungen – ohne Erfolg. Bei den Präsidentschaftswahlen 1980 unterliegt er dem Republikaner Ronald Reagan. Am Tag von Reagans Antrittsrede gibt der Iran die Freilassung der Geiseln bekannt. Ben-Menashe behauptet, dass der Zeitpunkt im Vorfeld vereinbart wurde, damit die Republikaner den Sieg als den ihren verbuchen konnten. Im Oktober 1980 will er George W. Bush bei Verhandlungen mit den Iranern im Hotel Ritz in Paris gesehen haben. Ein Bericht des Außenpolitik Ausschuss des UN-Senats vom November 1992 widerlegt das akribisch anhand von CIA-Akten und beeideten Zeugenaussagen. Das Ergebnis: Bush sei den gesamten Oktober in den USA gewesen.
Ari Ben-Menashe ist bekannt dafür, unglaubliche Geschichten zu erzählen. 1992 beschrieb die New Yorker Wochenzeitung „The Village Voice“, wie der Ex-Spion Reporter um den Finger wickelt: „Vertrauen Sie ihm, drucken Sie seine Geschichte wortwörtlich – und sehen Sie dann zu, wie Ihre Karriere in Flammen aufgeht.“
Gleichzeitig hat Ben-Menashe mit Pulitzerpreis-Gewinnern wie dem investigativen US-Journalisten Seymour Hersh zusammengearbeitet, zum Beispiel für dessen 1991 erschienenes Buch „The Samson Option“
1989 wird Ben-Menashe in den USA festgenommen. Er hatte versucht, drei militärische Transportflugzeuge an den Iran zu verkaufen und damit gegen die Ausfuhrgenehmigungspflichten verstoßen. Der israelische Geheimdienst lässt ihn fallen, er landet in einem Gefängnis in New York. „Ich habe mich noch nie so alleine gefühlt wie damals“, heißt es in seinen Memoiren.
„Er behauptet, dass er es nicht war, okay?“
Nach seiner Entlassung zieht Ben-Menashe nach Kanada, heiratet und beginnt ein neues Leben als Lobbyist. In den nächsten zehn Jahren wird er zum Multimillionär. Wo hat er all das Geld her?
Zum Beispiel aus dem Sudan, wo er 2019 einen Sechs-Millionen-Dollar-Vertrag mit General Mohamed Hamdan Dagalo abschloss, der sich an die Macht geputscht hatte. Zwei Monate später richtete das Militär ein Blutbad in der Hauptstadt Khartum an – mindestens 100 Menschen sterben, zahlreiche Frauen werden vergewaltigt. „Dagalo hat dem Land die Demokratie gebracht“, so Ben-Menashe gegenüber profil. Auf das Massaker angesprochen kommt er ins Stottern, lenkt ein, dass er deswegen mit Dagalo gestritten habe. „Er behauptet, dass er es nicht war, okay?“, sagt Ben-Menashe.
Auch Simbabwes Langzeit-Präsident Robert Mugabe hat zu Ben-Menashes Reichtum beigetragen. Ihm half der Lobbyist bei seiner umstrittenen Landreform. „Darauf bin ich sehr stolz“, sagt Ben-Menashe heute. Rund 4000 Nachkommen weißer Siedler wurden dabei enteignet, es kam zu Gewalt und einem Einbruch der Wirtschaft, der Westen verhängte Sanktionen.
Sein Ziel, sagt Ben-Menashe, sei dabei zu helfen, „stabile Demokratien“ und „Wohlstand“ zu schaffen.
In Myanmar wird sich sein Erfolg daran messen, ob der Westen die Sanktionen zurücknimmt – ein höchst unwahrscheinliches Szenario. Auch Österreich zeigt sich unbeeindruckt vom Narrativ des Lobbyisten: „Der Einsatz letaler Gewalt gegen friedliche Demonstrierende ist eine schwere Menschenrechtsverletzung, die dafür Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, heißt es aus dem Außenministerium.
Auf die zwei Millionen Dollar, die ihm die Junta geboten hat, könne er wegen der Sanktionen nicht zugreifen, sagt Ben-Menashe. Fließen kann das Geld erst, wenn sein Job getan ist – und die Maßnahmen gegen die Generäle gelockert werden.