Verletzter Donald Trump
Morgenpost

Schüsse auf Trump: Suche nach Schuld und Verschwörung

Nach dem Mordversuch an Donald Trump eskaliert die Debatte in den USA endgültig. Ihm selbst könnte der Angriff im Wahlkampf nutzen.

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Keine eineinhalb Minuten braucht Donald Trump nach dem Schussattentat am vergangenen Samstagabend in Pennsylvania, um sich einigermaßen zu fassen. Eben hat eine Kugel aus einer halbautomatischen Waffe sein rechtes Ohr gestreift, Blutspritzer kleben an seiner Wange. Sicherheitsleute versuchen, ihn von der Bühne zu zerren, doch Trump zögert, will zuerst noch seine Schuhe finden. Dann beugt er sich vor, damit die Menschen ihn besser sehen können, und reckt die Faust empor. Er ruft etwas, es klingt wie „Fight, fight, fight“ (Kämpft!), und die Menge erwidert: „USA! USA!“.

Die Bilder des blutverschmierten Präsidentschaftskandidaten mit der erhobenen Faust werden in die Geschichtsbücher eingehen, sie sind schon jetzt Legende. Viele Beobachter halten das Attentat – und Trumps unmittelbare Reaktion darauf – gar für wahlentscheidend.

Trump führte schon davor in allen Umfragen vor US-Präsident Joe Biden, der sich trotz seiner zuletzt miserablen Performance weigert, einem anderen Kandidaten Platz zu machen

Republikaner sehen Schuld bei Demokraten

Die politische Debatte ist in den USA schon lange verroht. Doch nach dem Mordversuch eskalierte sie endgültig. In den Sozialen Medien dominierte die Frage, wie es dazu kommen konnte, immerhin sind die Sicherheitsvorschriften bei solchen Auftritten äußerst streng. Etliche republikanische Kongressabgeordnete geben Joe Biden und den Demokraten die Schuld an dem Angriff. In den Sozialen Medien machen Verschwörungstheorien die Runde, die Rede ist etwa von einem groß geplanten Mordkomplott. Matt Wallace, Geschäftsführer der Plattform X, ließ seine fast zwei Millionen Follower am Sonntag wissen, das Attentat wäre ein „inside job“ gewesen, ein von den Sicherheitskräften geplantes Verbrechen. X-Chef Elon Musk sprach von „Inkompetenz oder Absicht“ - und rief dazu auf, Trump zu wählen.

Dabei deutet nichts darauf hin, dass der Attentäter, ein 20-jähriger Mann aus Pennsylvania, nicht alleine gehandelt hat. Die insgesamt acht Schüsse gab er von einem rund 150 Meter entfernten Hausdach ab, kurz danach wurde er vom Secret Service erschossen.

Schüsse während Wahlkampfveranstaltung

Am Samstag (Ortszeit) wurde Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Gelände der Butler Farm Show in Pennsylvania (Luftbild) von einem bewaffneten Mann am Ohr getroffen. Der Schütze, der danach vom Secret Service erschossen wurde, hatte sich auf einem 150 Meter entfernten Hausdach positioniert.

Welche Folgen das Attentat auf den Wahlkampf haben wird, lässt sich noch nicht beurteilen. Wahrscheinlich ist, dass es auch beim Parteitag der Republikaner diese Woche im Zentrum steht. Trump wusste Angriffe und Kritik schon in der Vergangenheit für seine Zwecke zu nutzen. Als er im August 2023 nach einer Anklage wegen versuchten Wahlbetrugs vor Gericht zitiert wurde, verbreitete er das Polizeifoto danach selbst auf der Plattform X, darunter die Worte „Never Surrender“ (niemals aufgeben). Trump ließ seinen „Mug Shot“ auf T-Shirts und Kappen drucken und verdiente damit Millionen Dollar.

T-Shirts mit blutverschmiertem Trump

Der Angriff auf Donald Trump reiht sich eine lange Liste von Attentaten auf US-Präsidenten ein. Zuletzt wurden Mordpläne gegen Barack Obama, Bill Clinton und George W. Bush vereitelt. Doch Trump ist der erste (ehemalige oder amtierende) Präsident seit dem Schussattentat auf Ronald Reagan im Jahr 1981, der bei einem Angriff verletzt wurde.

Nur wenige Stunden vor dem Attentat hatte Biden Trump wegen dessen Einstellung zu Schusswaffen kritisiert. Er selbst wolle Handfeuerwaffen verbieten, schrieb Biden in Sozialen Medien. „Trump hat der NRA (US-Waffenlobby, Anm.) versprochen, nicht gegen Waffen vorzugehen. Und er meint es ernst.“

Doch die Debatte über die laxen Waffengesetze in den USA ging nach dem Attentat komplett unter. Alles drehte sich um Trump. „Hey Leute, Trump wurde gerade zum Präsidenten gemacht", rief einer seiner Anhänger laut „New York Times" vor der Bühne unmittelbar nach dem Attentat. In den Sozialen Medien wurde das Foto Trumps mit der blutverschmierten Wange und der zur Faust geballten Hand geteilt, noch bevor klar war, was überhaupt geschehen war.

T-Shirts mit dem Bild waren noch in der Nacht auf Sonntag im Internet bestellbar.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.