Costa und Von der Leyen empfingen Selenskyj in Brüssel
Krieg in Europa

Allein gegen Russland: Schaffen wir das?

Die USA wenden sich vom Westen ab, Europa ist konfrontiert mit seinem schlimmsten Alptraum: allein dazustehen gegen Feinde von außen, allen voran Russland. Was es braucht, um ohne die Hilfe Amerikas zu überleben – und warum Europas rechter Rand von der Aufrüstung profitieren wird.

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Die Hände waren ausgestreckt, aber es geschah nicht in versöhnlicher Absicht, sondern um zu drohen. In einem beispiellosen Affront haben US-Präsident Donald Trump und sein Vize J.D. Vance den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Freitag der Vorwoche bei dessen Besuch im Weißen Haus bloßgestellt.

Trump erklärte in dem Gespräch im Grunde seine Sympathie für Putin, Vance forderte Selenskyj schreiend auf, sich bei den USA zu bedanken (was jener in den vergangenen drei Jahren laufend gemacht hat).

Es war für die ukrainischen Teilnehmer an dem Treffen und für sehr viele internationale Beobachter ein schockierendes Schauspiel. Denn es signalisierte, dass die transatlantische Partnerschaft zwischen den USA und Europa wohl in Scheidung begriffen ist. Tatsächlich markiert der Affront vom 28. Februar eine Zeitenwende. Die USA, seit acht Jahrzehnten Schutzmacht Europas, wenden sich von ihren Verbündeten ab – und fallen ihnen womöglich sogar in den Rücken.

Europa braucht jetzt einen Schnellkurs in Selbstverteidigung.

Der US-Historiker Timothy Snyder, ein hervorragender Kenner des transatlantischen Gefüges, erklärte nach dem Gipfeltreffen zwischen Trump und Selenskyj, was hier auf dem Spiel steht – und wieso über die Motive der US-Regierung nur spekuliert werden kann.

„Warum sollte man Freunde zu Rivalen machen und so tun, als ob ein Rivale ein Freund wäre?“, fragt Snyder. Möglicherweise habe Trumps neues Verständnis für Russland gar nichts mit amerikanischen Interessen zu tun, der Friedensprozess sei lediglich ein Vorwand, um Beziehungen zu Russland aufzunehmen: „Es war von Anfang an die Politik von Musk-Trump, eine Allianz mit Russland aufzubauen.“

Bereits Mitte Februar hatte Trump einen – als sehr amikal beschriebenen – Telefontermin mit Wladimir Putin absolviert, in dem sich die beiden auf bilaterale Friedensbemühungen – ohne Einbeziehung Europas oder der Ukraine – verständigten und Trump Putin weitreichende Zugeständnisse etwa bezüglich einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine machte.

Nach diesem Telefonat begann Trump auch, Selenskyj öffentlich als demokratisch nicht legitimierten „Diktator“ zu bezeichnen und der Ukraine die Schuld an dem Krieg anzuhängen.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.

Laura Schatz

Laura Schatz

seit Februar 2025 Volontärin im Digitalteam und im Auslandsressort.