Außenminister Schallenberg: „Es darf keine Doppelstandards geben“
Außenminister Alexander Schallenberg beschwört eine „vertrauensvolle Beziehung“ und übt verhalten Kritik an den Plänen der israelischen Regierung.
Die neue israelische Regierung wird von vielen in Israel und im Ausland mit großer Sorge betrachtet, einige ihrer Mitglieder gelten als rechtsextrem, rassistisch, homophob. Gleichzeitig tragen Staaten wie Österreich oder Deutschland eine historische Verantwortung gegenüber dem Staat Israel. Wie planen Sie, Kritik an Handlungen dieser israelischen Regierung zu äußern?
Schallenberg
Die Regierungsbildung in Israel haben wir natürlich genau verfolgt. Israel ist für Österreich ein besonderer Partner, einerseits aufgrund unserer historischen Verantwortung, andererseits aufgrund der uns verbindenden Strategischen Partnerschaft. Diese Grundsätze gelten ganz unabhängig davon, welche Parteien gerade die israelische Regierung bilden und wer die Ministerämter bekleidet. In den engen und vertrauensvollen Beziehungen unserer Länder gibt es keine Themen, die wir in unseren Gesprächen aussparen. Auch nicht Differenzen wie die in der Frage des Baus von Siedlungen, die klar gegen das Völkerrecht verstoßen. Die sehr guten Beziehungen zu Israel erlauben es, Differenzen offen anzusprechen. Im direkten Kontakt, nicht mit dem Megaphon. Gerade das macht eine vertrauensvolle Beziehung aus. Grundsätzlich gilt, dass Israel als stabile und gefestigte Demokratie in einer von Spannungen geprägten Region einen besonderen Ruf genießt. Ich bin überzeugt, dass sich die neue israelische Regierung dieser Tatsache bewusst ist und diesen Ruf, dieses Alleinstellungsmerkmal als Demokratie, nicht aufs Spiel setzen würde.
Legen Sie an Israel dieselben Maßstäbe in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte an wie etwa im Fall Ungarns, Polens oder anderer befreundeter Staaten?
Schallenberg
Menschenrechte sind universell gültig, genau das macht ja ihren unverrückbaren Kern aus. Die Maßstäbe ihrer Einhaltung müssen folglich ebenso universelle Gültigkeit besitzen. Es darf keine Doppelstandards geben. Wir könnten es uns gar nicht leisten, hier mit zweierlei Maß zu messen. Das würde unserer eigenen Glaubwürdigkeit massiv schaden.
Konkret: Beurteilen Sie das Gesetzesvorhaben einer Justizreform der israelischen Regierung als besorgniserregend? Werden Sie sich öffentlich dazu äußern?
Schallenberg
Die Debatte in Israel habe ich verfolgt, die aktuellen Entwicklungen waren natürlich auch Thema meines Gesprächs mit meinem neuen israelischen Amtskollegen Eli Cohen in Davos. Klar ist: Ein gut funktionierendes System von „checks und balances“ ist das Rückgrat jeder Demokratie. Die angekündigten Pläne werfen Fragen zur Gewaltenteilung auf. Ich glaube nicht, dass das jenes Bild ist, das Israel vermitteln will.
Ich glaube nicht, dass das jenes Bild ist, das Israel vermitteln will.
Die Palästinensische Autonomiebehörde hat den Internationalen Gerichtshof angerufen, um eine Rechtsmeinung bezüglich der Besetzung ihrer Gebiete zu erhalten. Österreich hat in der Generalversammlung gegen dieses Vorhaben gestimmt – warum?
Schallenberg
Österreich ist mit seiner Position nicht allein. Ein Blick auf das Abstimmungsergebnis zeigt: 79 Staaten waren gegen dieses Vorhaben oder haben sich bei der Abstimmung enthalten, darunter 18 EU-Mitglieder. Das ist eine klare Mehrheit innerhalb der EU. Auch unsere engen Partner USA, Großbritannien, Kanada und Australien waren gegen diese Resolution. Der Grund für das österreichische Stimmverhalten liegt auf der Hand: Eine solche Untersuchung würde keinen Schritt näher in Richtung der angestrebten Zweistaatenlösung führen. Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass wir uns dadurch noch weiter vom politischen Dialog entfernen. Wir wollen eine verhandelte Zweistaatenlösung und eine Situation, in der Palästinenser und Israelis in Frieden leben können. Einzig direkte Gespräche zwischen den Palästinensern und Israel auf Basis des Völkerrechts können in diese Richtung führen.
Als Reaktion auf diese palästinensische Initiative hat Israel Sanktionen gegen die Palästinenser verhängt. Mehr als 90 Staaten haben nun eine Petition unterzeichnet, die Israel auffordert, diese Sanktionen fallen zu lassen. Österreich hat – anders als etwa Deutschland und 24 der 27 EU-Mitglieder – diese Petition nicht unterzeichnet. Warum nicht?
Schallenberg
Es war nur konsequent, dass Österreich diese Petition in Folge der Resolution, die ja auch auf eine Initiative der Palästinenser zurückgeht, ebenso nicht unterzeichnet hat.
Sind Sie der Meinung, dass manchen Entitäten – etwa Palästina – das Recht, den Internationalen Gerichtshof anzurufen, verwehrt bleiben soll?
Schallenberg
Es geht nicht um meine Meinung, sondern um die Rechtslage. Und dass Österreich auch in Zukunft nur jene Initiativen unterstützen wird, die uns unserem gemeinsamen Ziel – einer verhandelten Zweistaatenlösung – näherbringen.