Berater Paraskevopoulos über Grexit: „Sie wollen Panik schüren“
profil: Halten Sie es für klug, dass sich Ihr Finanzminister Yanis Varoufakis in den entscheidenden Verhandlungstagen taktische Spielchen erlaubt? Theodoros Paraskevopoulos: Welche taktischen Spielchen meinen Sie? Ich habe keine gesehen. Ich sehe nur einen ernsten Vorschlag, den Varoufakis unseren Partnern vorgelegt hat. Unsere Partner hingegen haben ein schnell zusammengeschriebenes Papier übermittelt, mit Forderungen, die in den vergangenen fünf Monaten nie zur Diskussion standen. Deshalb kommen die Gespräche nicht weiter.
profil: Die anderen Finanzminister berichten aber übereinstimmend davon, dass Varoufakis nur altbekannte Ideen referiert, ohne harte Zahlen vorzulegen. Paraskevopoulos: Ich weiß, was die griechische Regierung vorgelegt hat. Ich kann die Kritik nicht verstehen, milde formuliert.
profil: Was meinen Sie damit? Paraskevopoulos: Ich bin der Meinung, dass das ein taktisches Spiel ist. Die Gläubiger wollen in Griechenland Panik schüren und möglicherweise die Räumung der Konten beschleunigen. Das soll die Verhandlungsposition der griechischen Regierung schwächen.
profil: Heben die Griechen nicht ohnehin schon ihr Geld zu Milliarden von den Bankkonten ab? Paraskevopoulos: Nicht ohnehin, sondern eben deshalb. Vieles spricht dafür, dass das gewollt ist. Aus manchen europäischen Hauptstädten, und aus Brüssel.
profil: Gibt es denn noch eine Chance auf Einigung? Paraskevopoulos: Natürlich, beim Gipfeltreffen der Regierungschefs am Montag. Es muss allerdings eine politische Einigung herbeigeführt werden, nicht eine, die nur auf technischer Ebene stattfindet.
profil: Jedenfalls läuft die Zeit am 30. Juni ab. Paraskevopoulos: Vorerst.
profil: Warum vorerst? Paraskevopoulos: Weil es nicht leicht ist, in solchen Situationen Prognosen zu machen – und nicht klug, von letzten Tagen zu sprechen.
profil: Aber am 30. Juni muss Griechenland 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Außerdem endet an diesem Tag die Frist, in der man sich noch einigen kann, unter welchen Bedingungen neues Hilfsgeld an Athen ausbezahlt wird. Bleibt Griechenland zahlungsfähig ohne neues Geld am 30. Juni? Paraskevopoulos: Nein, bleibt es nicht. Griechenland hat allein heuer vier Milliarden Euro an den IWF und die EZB gezahlt. Mehr geht nicht. Ich weiß auch nicht, was nach dem 30. Juni passieren wird. Das müssen Sie auch die Gläubiger fragen.
profil: Anfang des Jahres ist die linksdominierte Syriza-Regierung in Athen unter großem Jubel angetreten. Wie schätzen Sie seither Ihren Erfolg ein? Paraskevopoulos: Sie konnte wichtige Teile ihres Programms umsetzen. Es gibt ein Gesetz zur Bekämpfung der humanitären Krise. Eine Bildungs- und Gesundheitsreform sowie rechtliche Schritte zur Bekämpfung der Steuerflucht und Korruption wurden eingeleitet. Inzwischen haben viele Menschen in Griechenland Angst davor, dass ein Brief von der Staatsanwaltschaft kommt.
profil: Welche Dinge gestalten sich schwieriger, als Sie vor dem Amtsantritt gedacht hätten? Paraskevopoulos: Es war uns bewusst, dass wir es mit einem feindlichen Umfeld zu tun haben werden. Vielleicht haben wir trotzdem gehofft, dass sich unsere Verhandlungspartner „erwachsener“ zeigen werden, wie IWF-Chefin Lagarde es ausdrückte.
profil: Bei ihrer Amtsübernahme betonte Syriza, man wolle keine neuen Schulden. Man möchte sich das Geld stattdessen von den Reichen holen, hieß es. Bislang gab es aber nur ein einziges Gesetz in diese Richtung, eine Art Erleichterung für Leute, die ihre Steuerrückstände bezahlen. Woran scheitern bisher die kompromisslosen Reichensteuern, die viele von Syriza erwartet haben? Paraskevopoulos: Daran, dass es für ein neues Steuergesetz eine Einigung mit unseren EU-Partnern geben muss. Das ist Teil eines Pakets, das Ende Februar vereinbart wurde. Aber es gibt noch ein weiteres Problem: Die früheren Regierungen haben die Besitzer großer Vermögen nicht nur steuerlich geschont, ihre Einkommen und Vermögen wurden auch nicht erfasst.
profil: Das griechische Steuersystem ist also in einem schlechten Zustand. Paraskevopoulos: Gelinde gesagt.
profil: Sie können die Steuern nicht einheben, weil Sie nicht wissen, wie hoch sie sind? Paraskevopoulos: Die Spitzensteuersätze zu erhöhen, hat überhaupt keinen Sinn: Nur 0,3 Prozent der Griechen geben offiziell ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro im Jahr an. Wir haben deshalb ein Gesetz vorgelegt, um große Einkommen und Vermögen zu erfassen. Die Griechen werden gläserne Bankkonten haben.
profil: Deutschland hat Griechenland angeboten, 500 Finanzbeamte zur Verfügung zu stellen. Eine hochnotwendige Maßnahme, sollte man meinen. Man hat aber niemals mehr von dieser Sache gelesen oder gehört. Paraskevopoulos: Sie läuft trotzdem. Es gibt im Moment Gespräche über technische Hilfen zwischen Griechenland und der Regierung des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Noch im Juni sollen sie abgeschlossen sein.
profil: Offenbar ist es derzeit nicht möglich, dass sich Griechenland das Geld von den Reichen holt. Zugleich jedoch verweigert Ihre Regierung Mehrwertsteuererhöhungen, weil sie unsozial sind. Wenn man Reichensteuern nicht haben kann und Massensteuern nicht haben will – welche Möglichkeit bleiben dann für den Staat, sich zu finanzieren? Paraskevopoulos: Man kann von einer Regierung nicht erwarten, dass sie innerhalb von fünf Monaten die Reichen erfolgreich zur Kasse bittet. Wir leben in einem Rechtsstaat. Es müssen Gesetze erlassen, vorgelegt und diskutiert werden. Zur vollen Umsetzung wird es bis Anfang 2016 dauern. Aber ich rechne damit, dass wir nach dem heurigen Sommer erste handfeste Erfolge haben werden.
profil: Griechenland leistet sich auch – in Relation zur Größe des Staates – die größte Armee Europas. Auch hier gab es bislang keine Einschnitte. Tun Sie das aus Rücksicht auf Ihren kleinen, rechtsgerichteten Koalitionspartner Anel? Paraskevopoulos: Im Rahmen der Sparprogramme der vergangenen Jahre gab es bereits einen Kahlschlag beim Militär. Die Rüstungsausgaben sind um 53 Prozent gesenkt worden. Inzwischen nehmen die Soldaten die Putzmittel von zu Hause in die Kasernen mit. Trotzdem werden wir die Militärausgaben noch heuer um 250 Millionen Euro reduzieren. Dazu werden keine neuen Rüstungsgüter gekauft – übrigens zum großen Ärger unserer Partner in Deutschland und Frankreich.