Beschert uns TTIP neues Wachstum – oder doch nur Hormon-Schnitzel?
Am Anfang des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges stand ein Zollkonflikt. Am 16. Dezember 1773 stürmten erboste Bostoner Bürger, einige davon als Mohikaner verkleidet, drei Schiffe der East India Trading Company und warfen 342 Kisten Tee über Bord. Die als „Boston Tea Party“ in die Geschichte eingegangene Protestaktion richtete sich gegen Importzölle, die das Mutterland Großbritannien auf Tee einhob.
Abschluss ungewiss
240 Jahre später behindern Zölle und andere Hemmnisse noch immer den Freihandel zwischen Europa und den USA. Statt Wutbürgern in Indianeraufzug kümmern sich nun Diplomaten und Spitzenbeamte in dunklen Anzügen und Business-Kostümen um die Pflege der Wirtschaftsbeziehungen. Anfang Februar fand in Brüssel die achte Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) statt. Nach dem eher schleppenden Verlauf der im Juni 2013 gestarteten Gespräche hatten EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und der US-Handelsbeauftragte Michael Froman im Dezember vergangenen Jahres einen „fresh start“ verkündet. Bis Ende 2015, so die Vorgabe von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Barack Obama höchstpersönlich, sollen die TTIP-Verhandler einen Vertragsentwurf vorlegen. Der US-Präsident will das Abkommen als Teil seines politischen Vermächtnisses vor Ende seiner Amtszeit 2017 durch den Kongress bringen – und im Gegensatz zu seinen jüngsten Reformen im Gesundheitswesen und im Einwanderungsrecht darf Obama sogar mit der Unterstützung der Republikaner rechnen. Freihandel gilt in Washington seit jeher als parteiübergreifendes Anliegen zum Wohle der Nation.
Tatsächlich rechnet angesichts der Komplexität der Materie niemand der Beteiligten mit allzu großen Fortschritten bis Jahresende. Das soeben abgeschlossene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) wurde fünf Jahre lang verhandelt.
Noch nie in der Geschichte des Welthandels standen sich zwei derart mächtige und miteinander verwobene Wirtschaftssysteme mit insgesamt 800 Millionen Konsumenten gegenüber.
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