Der 34-Jährige ist jedenfalls mehr als bloß ein neues, junges Gesicht. Mamdani, Mitglied der Linkspartei „Demokratische Sozialisten Amerikas“, steht für amerikanische Verhältnisse politisch so weit links, dass sich führende Mitglieder der Demokraten erst sehr spät oder – wie ihr ranghöchster Vertreter Chuck Schumer, Minderheitsführer im Senat – gar nicht hinter Mamdanis Kandidatur gestellt haben. Paradelinke wie die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, Senator Bernie Sanders oder der frühere Arbeitsminister Robert Reich hingegen sehen in Mamdani den Erlöser. Er sei „die Zukunft der Demokratischen Partei“, schreibt Reich in einem Gastkommentar im britischen „Guardian“. Mamdani sei „authentisch“, „leidenschaftlich“, und vor allem mache er Schluss mit der aus Reichs Sicht gescheiterten Strategie der Demokraten, Wechselwähler in der politischen Mitte zu umwerben, indem sie moderate anstatt prononciert linke Positionen vertreten.
Mamdanis Gegner wiederum übergießen den Mann mit dem gewinnenden Lächeln mit Spott und Verachtung. Trump nennt ihn einen „Kommunisten, der in seinem Leben praktisch noch keinen einzigen Tag gearbeitet hat“, die republikanische Kongressabgeordnete Elise Stefanik bezeichnet ihn als „Dschihadisten“, und Curtis Sliwa, republikanischer Gegenkandidat in New York, ätzt, Mamdanis Lebenslauf passe „auf eine Cocktail-Serviette“.
Geboren in Uganda
Zohran Kwame Mamdani kommt am 18. Oktober 1991 in der ugandischen Hauptstadt Kampala zur Welt. Seine Eltern stammen aus Indien, der Vater ist Muslim, die Mutter Hindu. Zohran wächst erst in Uganda, dann in Südafrika auf, ehe die Familie nach New York übersiedelt. Dort lehrt der Vater Mahmood an der Columbia-Universität Anthropologie und Politikwissenschaft, die Mutter Mira Nair ist preisgekrönte Filmemacherin. Bei den Mamdanis gehen Intellektuelle wie etwa der prominente palästinensisch-amerikanische Literaturkritiker Edward Said ein und aus. Antikolonialismus ist eines der bestimmenden Gesprächsthemen. Das überrascht nicht angesichts einer Familiengeschichte, in der Vertreibung, Migration und Apartheid eine große Rolle spielen.
Als Zohran acht Jahre alt ist, bittet er seinen Vater, er solle ihm aus seinen akademischen Arbeiten vorlesen, erinnert sich der Vater später in einem Buch. Der wissbegierige Bub lernt politisches Denken wie Gleichaltrige Radfahren. Das Thema, das ihn von Anfang an beschäftigt und bis heute nicht loslässt, ist der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Mamdani sieht Israel als einen kolonialistischen Staat, der die Palästinenser unterdrückt. Er startet an seiner Universität eine Kampagne, um einen Boykott israelischer Institutionen zu initiieren, und scheitert.
In die Politik schnuppert Mamdani, als er einen muslimischen Kandidaten für ein Mandat im New Yorker Stadtrat unterstützt. Der erkennt Mamdanis Potenzial und erinnert sich in der „New York Times“, man habe in dem aufstrebenden jungen Mann eine Art „muslimisch-sozialistischen Ronald Reagan“ gesehen. Ein zweifellos origineller Mix, aber wie konnte das funktionieren?
2020 wird Mamdani ins New Yorker Stadtparlament gewählt. Er fordert unter anderem, das Budget der Polizei zu verkleinern („defund the police“). Das Problem Nummer eins der New Yorker Bevölkerung – die Leistbarkeit, oder besser die Unleistbarkeit der Mieten und der Lebenshaltungskosten im Allgemeinen – übersetzt er in simple, linke Forderungen: Gratis-Kinderbetreuung bis zum Alter von fünf Jahren; Gratis-Busse; je ein von der Stadt betriebenes Lebensmittelgeschäft in jedem Stadtteil; höhere Steuern für Reiche und für Unternehmen.
Auch die propalästinensische Haltung behält er bei. Er nennt Israels Krieg in Gaza einen „Genozid“ (wie das etwa auch die spanische Regierung tut) und handelt sich mit provokant-skandalträchtigen Aussagen den Vorwurf ein, Antisemit zu sein. In seinem ersten Statement nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 betrauert er die Toten „überall in Israel und Palästina“ und ruft zu einem „Ende der Besatzung und der Apartheid“ auf. In einem TV-Interview vor wenigen Tagen weicht er der Frage aus, ob die Hamas in Gaza Macht und Waffen aufgeben solle, und sagt bloß, er habe dazu „keine Meinung“.
Dennoch geben in einer Umfrage des TV-Senders Fox News 38 Prozent der jüdischen Wähler in New York an, Mamdani zu unterstützen. Der größte Konkurrent, Andrew Cuomo, ein demokratischer Ex-Gouverneur, kommt auf 42 Prozent, der Republikaner Sliwa auf 13 Prozent. Cuomo antwortete in einem Interview auf die Frage, weshalb Mamdani trotz seiner umstrittenen Aussagen so viele jüdische Stimmen bekäme: „Nun, ich denke, es gibt jüdische New Yorker, die nicht damit einverstanden sind, wie Israel die Situation in Gaza bewältigt.“
„If I can make it there …“
Am Dienstag wird sich zeigen, ob Mamdani für New York zu links, zu israelfeindlich oder zu unerfahren ist – oder ob er der jüngste Bürgermeister der Stadt seit mehr als 100 Jahren wird.
Im Falle eines Sieges ginge allerdings der wahre Streit in der Demokratischen Partei erst so richtig los. Die Linken in der Partei halten es mit der Zeile aus dem Song „New York, New York“ –„If I can make it there, I’m gonna make it anywhere“ – und wollen die Partei endlich aus der politischen Mitte holen und zu einer kompromisslos progressiven Bewegung machen. Das Parteiestablishment warnt davor. Ganz links könne man keine Wahlen gewinnen. Die „New York Times“ rechnet vor, dass alle 17 Demokraten, die im vergangenen Jahr Wahlsiege eingefahren haben, obwohl Trump in ihrem Wahlbezirk bei den Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte, keine linken, sondern moderate Programme vertraten.
Donald Trumps hat bereits angekündigt, wie er auf einen Sieg Mamdanis reagieren wird: Er werde New York Milliarden aus dem Bundeshaushalt streichen, die Nationalgarde entsenden, wie er das in anderen demokratisch regierten Städten getan hat, und er werde Mamdani verhaften lassen, wenn dieser sich den Einsätzen der Einwanderungsbehörden widersetze.
Das Match Trump gegen Mamdani wird allerdings nicht das Duell um die nächste Präsidentschaft. Mamdani ist nicht in den USA geboren, Trump hat dann bereits zwei Amtszeiten hinter sich. Beides verbietet die Verfassung. Falls diese die aktuelle Präsidentschaft unbeschadet übersteht.