Georgescu kam bei der Wahl auf Platz eins
Rumänien

Rechter Kandidat Georgescu lebte jahrelang in Österreich

Călin Georgescu ist Überraschungssieger des ersten Wahldurchgangs bei der rumänischen Präsidentschaftswahl. Recherchen zeigen: Der rechtsradikale Putin-Fan baute sich zumindest ab 2011 Immobilienbesitz in Österreich auf.

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Er kam praktisch aus dem Nichts: Am vergangenen Wochenende erzielte der rechtsextreme rumänische Präsidentschaftskandidat Călin Georgescu bei den Wahlen in seinem Land einen Überraschungserfolg der Sonderklasse. Der 62-Jährige, der ohne herkömmlichen Wahlkampf hauptsächlich über soziale Medien um Stimmen warb, ging knapp als Erster durchs Ziel. Sollte eine Wahlanfechtung, die mittlerweile eingebracht wurde, bei Gericht keinen Erfolg haben, steht er am 8. Dezember in der Stichwahl um das Präsidentenamt.

Doch ganz aus dem Nichts kommt Georgescu dann doch nicht. Fast könnte man sagen: Er kommt aus Österreich. Wie gemeinsame Recherchen von profil und der rumänischen Investigativ-Plattform „RISE Project“ ergeben haben, lebte der nunmehrige Politiker, der den russischen Präsidenten Wladimir Putin bewundert und mit anti-amerikanischen Aussagen auffiel, jahrelang mit seiner Familie in Niederösterreich – und zwar in durchaus repräsentablen Verhältnissen. 

Die Esoterik-Schiene

Auch wenn die Familie des rechten Präsidentschaftskandidaten Österreich um das Jahr 2021 herum wieder verlassen haben dürfte – sichtbar sind ihre Spuren bis heute: zum Beispiel in einem früheren Gutshof südlich von Wien, der unter anderem eine Art Gemeinschaftspraxis beherbergt. Neben Psychotherapie werden beziehungsweise wurden dort auch Services angeboten, die eher esoterisch anmuten: einerseits „Klangtherapie“ und andererseits etwas, das als „Iridologie und Organetik“ bezeichnet wird.

Für 250 Euro plus Mehrwertsteuer konnte man sich die Fotos der eigenen Augen-Iris analysieren lassen, um eine Einschätzung des körperlichen Zustandes zu erhalten. Und für wohlfeile 85 Euro – ebenfalls plus Mehrwertsteuer – konnte man sich 90 Minuten lang allfällige aus dem Gleichgewicht geratene Körperenergien wieder geraderichten lassen. Anbieterin dieser – von der Schulmedizin meilenweit entfernten – Dienstleistungen war nicht irgendjemand, sondern die möglicherweise künftige First-Lady Rumäniens. 

Kalt baden statt Corona-Impfung

Cristela Georgescu hatte in Österreich von August 2019 bis März 2021 eine Gewerbeberechtigung als Humanenergetikerin inne. Ihr Name findet sich bis heute auf dem Schild der Gemeinschaftspraxis im niederösterreichischen Gutshof. Auf ihrer Website führt sie die Adresse ebenfalls an – inklusive einer Steuernummer beim Finanzamt Baden-Mödling sowie einem Konto bei der Volksbank Wien.

Ein unübersehbarer Hang zu Wissenschaftsfeindlichkeit und Esoterik findet sich jedoch auch im politischen Dasein ihres Mannes wieder: Laut der Plattform „politico.eu“ postete Călin Georgescu im Jahr 2020 ein Video, auf dem er in kaltem Wasser badete und behauptete, dies wäre die beste Impfung gegen das Coronavirus. 2024 sagte er in einem Podcast, Covid würde nicht existieren, niemand habe das Virus je gesehen – und die „einzige wirkliche Wissenschaft“ sei Jesus Christus. Österreich war offenbar eine gute Brutstätte für derartige Ansichten.

Die Immobilien-Deals

Nur wenige hundert Meter vom Gutshof mit der Energetiker-Praxis entfernt findet sich die letzte bekannte Bleibe von Călin Georgescu in dessen Zeit in Österreich. Es handelt sich um ein durchaus repräsentables Einfamilienhaus in einer Siedlung – schmucke Fassade, Garten mit Pool. Wie Urkunden aus dem Grundbuch zeigen, kauften Călin und Cristela Georgescu das Anwesen im Jahr 2017 um 530.000 Euro. Verkauft haben sie es 2021, als sie – soweit bekannt – Österreich den Rücken kehrten, um 599.000 Euro.

Das nötige Kleingeld für den Erwerb hatten die Georgescus 2017 jedenfalls. Sie veräußerten damals nämlich das eigentliche Prunkstück ihres österreichischen Immobilienvermögens: eine etwas abseitsgelegene, moderne Villa in einer Wienerwald-Gemeinde. Das Anwesen hatten sie bereits 2011 erworben – laut Grundbuch um 410.000 Euro. Das Haus, das ursprünglich auf dem Grundstück stand, ließen sie jedoch abreißen und einen pompösen Neubau errichten, wie Recherchen von profil und „RISE Project“ ergaben. Die Georgescus müssen hier noch jede Menge zusätzliches Geld in die Hand genommen haben. Als sie das Grundstück samt dem neuen Haus 2017 verkauften, um in die Nähe des Gutshofs zu ziehen, erhielten sie dafür 950.000 Euro – 90.000 Euro davon alleine fürs Inventar.

Zunächst besaßen die Georgescus auch noch eine Eigentumswohnung in Mödling südlich von Wien. Diese hatten sie ebenfalls 2011 um 110.000 Euro erworben. 2014 veräußerten sie die Wohnung um 130.000 Euro. Möglicherweise diente diese der Familie in der Bauphase der Villa als Bleibe. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Georgescus laut Grundbuch zumindest von 2011 bis 2021 Immobilienvermögen in Österreich besessen haben. Und dabei war offenbar auch einiges an Geld im Spiel.

Die Spur des Geldes

Aber woher hatte die Familie des nunmehrigen Präsidentschaftskandidaten die nötigen Mittel, um sich in Österreich niederzulassen? Einerseits verdiente das Ehepaar vermutlich nicht schlecht:  Călin Georgescu arbeitete für die UNO, seine Frau war – Medienberichten zufolge – jahrelang im Management des Rumänien-Ablegers der Citibank tätig gewesen. Doch es dürfte auch noch andere Geldquellen gegeben haben, wie Recherchen von „RISE Project“ zeigen.

Demnach sollen die Georgescus rund eine Euro-Million an flüssigen Mitteln aus einem Immobilien-Deal in Rumänien bezogen haben: Im Juli 2011 erwarb ein Geschäftsmann aus der Stadt Constanta, der den rumänischen Sozialdemokraten (SDP) nahegestanden sein soll, ein Anwesen in einer Kleinstadt nahe Bukarest um umgerechnet fast eine Millionen Euro. Das Geld soll an Cristela Georgescu gegangen sein. Im November 2011 erwarb derselbe Geschäftsmann dann eine Wohnung von Călin Georgescus Mutter um weitere 100.000 Euro. „RISE Project“ führt die Gelder auf eine Personengruppe im Umfeld der SDP zurück, deren Mitglieder später wegen Korruptionsvorwürfen verurteilt wurden. Vom Zeitverlauf her ist nicht auszuschließen, dass ein Teil des Geldes in die ersten Immobilienkäufe der Georgescus in Österreich geflossen ist.

Auf Anfrage von „RISE Project“ erklärte der Geschäftsmann, es sei reiner Zufall gewesen, dass er sowohl das Haus als auch die Wohnung von der Familie Georgescu gekauft habe. Er behauptete, Georgescu gar nicht zu kennen und nicht zu wissen, ob dieser der SDP-Gruppe aus Constanta nahegestanden sei. Eine Million Euro klinge für ihn nicht nach viel Geld. Es sei ein guter Preis gewesen.

„RISE Project“ versuchte auch, mit den Georgescus über die Transaktionen zu sprechen. Eine Antwort blieb bis Redaktionsschluss aus.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).