Metropole Shanghai: China will Inlandsnachfrage steigern

China in Zahlen: Wirtschaftswachstum trotz Corona

Wer hat die Corona-Krise vergleichsweise gut überstanden und ist die einzige große Volkswirtschaft mit Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr? China.

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IMPFUNGEN GEGEN DAS CORONAVIRUS

Um einen Mangel an Impfdosen, der in der EU zum wachsenden Problem wird, muss China sich vorerst nicht sorgen. Die Volksrepublik hat ihre eigenen Impfstoffe entwickelt - und exportiert in großem Maß unter anderem nach Serbien, Brasilien und in die Türkei. Geimpft wird in China bereits seit Juni 2020. Im Gegensatz zu den meisten westlichen Ländern kommen Krankenhauspersonal und andere systemrelevante Personengruppen zuerst dran. Ältere und kranke Menschen müssen warten.

EXPORTE VON GÜTERN

Wirtschaftlich mag die Volksrepublik auf dem Durchmarsch sein, dennoch hat das Land gravierende ökonomische Probleme. Zwar haben die Exporte ein Rekordniveau erreicht. Doch viele Provinzen und staatliche Unternehmen sind hoch verschuldet- und die Binnennachfrage ist schwach. Dabei hat Peking alles versucht, um die Bevölkerung zum Konsum zu motivieren. "Es wurden Gutscheine verteilt, es gab großflächige Online-Aktionen", sagt die Sinologin Doris Vogl. Doch der Boom blieb aus: "Die Bevölkerung ist mit der Corona-Krise noch einmal vorsichtiger geworden."

SPARQUOTEN PRIVATER HAUSHALTE

Die hohe Sparquote chinesischer Haushalte sei auch dadurch bedingt, dass es in der Volksrepublik keine ausreichende gesundheitliche und soziale Absicherung gebe, sagt China-Experte Eberhard Sandschneider: "Wenn ich in China ins Spital gehe, muss ich oft bar bezahlen, um behandelt zu werden." Gespart werde, um für solche Ernstfälle gewappnet zu sein. Gespart wird aber auch als Investition in die Zukunft: Für die Ausbildung ihrer Kinder legen viele Eltern jahrzehntelang Geld zur Seite.

ZUFRIEDENHEIT MIT CORONA-MASSNAHMEN

Ein Jahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie steht China viel besser da als die meisten westlichen Staaten. Das liegt auch daran, dass der zentral gesteuerte Apparat rasch reagieren kann. "Die Regierung hat alles mit Brachialgewalt dichtgemacht", sagt China-Experte Eberhard Sandschneider. "In Deutschland und Österreich regiert der Föderalismus, während Chinas handlungsfähige Zentralregierung den Lockdown einfach verordnet und Zehntausende Polizisten entsendet." Zudem sei die Bevölkerung Chinas eher bereit, die Maßnahmen durchzuziehen.

WIRTSCHAFTSLEISTUNG

Bei Zahlen aus China ist Vorsicht angebracht. "Ich würde die BIP-Zahlen wie andere Quantifizierungszahlen aus China nicht überbewerten", sagt China-Experte Eberhard Sandschneider. Weil man etwa die Berechnungsgrundlage nicht kenne, könne man nicht sicher sein, dass es sich um ein realistisches Vergleichsinstrument handelt. Sicher ist jedoch: Während es der Westen in Corona-Zeiten schwer hat, geht in China schon wieder alles nach oben.

ANTEIL ERNEUERBARER ENERGIEN

In China wird Umweltpolitik großgeschrieben - kein Wunder, etliche Städte ersticken regelrecht im Smog. Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich rund 1,6 Mio. Todesfälle auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind. "Erneuerbare Energien sind ein Prioritätssektor, der sicher auch im Fünfjahresplan, der im März beschlossen werden soll, zur Geltung kommen wird",sagt Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Peking Michael Berger. Bei den erneuerbaren Energien will China weltweit die Führung übernehmen; in der Produktion von Solar-und Windenergie ist das bereits gelungen. Dass die Volksrepublik dennoch "nur" rund 26% ihrer Energie aus erneuerbaren Ressourcen bezieht, liegt am vom Wachstum getriebenen gigantischen Energiebedarf des Landes.

ARBEITSLOSIGKEIT

Die Arbeitslosenzahlen aus China sind mit Vorsicht zu genießen. "Chinesische Statistiken beziehen sich nur auf urbane Arbeitslose mit langfristigen Arbeitsverträgen", sagt die Sinologin Doris Vogl. "Dabei werden die über 200 Mio. Wanderarbeiter - Tagelöhner und Saisonkräfte - aus ländlichen Haushalten nicht eingerechnet. Die reale Arbeitslosigkeit ist daher mindestens doppelt so hoch einzuschätzen wie die offiziellen Zahlen." Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise schätzten Experten die tatsächliche Arbeitslosenquote in China auf bis zu 20%.

WIRTSCHAFTSWACHSTUM

China ist das einzige bekannte Land, das 2020 Wachstum verbuchen konnte. Im ersten Quartal brach die Wirtschaft um 6,8% ein, erholte sich aber rasch wieder. Dafür sind vor allem Chinas Exporte verantwortlich: Güter wie Masken und Elektronik werden auch während der Corona-Krise gekauft. "Der Binnenkonsum ist im Jahr 2020 allerdings um 3,7% gesunken", sagt Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Peking. Michael Berger schätzt, dass Chinas Wirtschaft 2021 um acht bis neun Prozent wachsen könnte. Damit würde das BIP der Volksrepublik jenes der EU überholen.

FREIHANDELSABKOMMEN

Mit dem Freihandelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) sind die Chinesen endgültig zum multilateralen Spieler geworden. Die größte Freihandelszone der Welt umfasst 15 Pazifikstaaten, mehr als zwei Milliarden Menschen und ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung. "Das ist die dynamischste Wirtschaftsregion mit dem größten Wachstum", sagt Hanno Lorenz von der Denkfabrik Agenda Austria. "Da können die USA und die EU nicht mithalten." Allerdings wurden beim Abkommen der EU mit Japan (JEFTA) und dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (USMCA) auch gemeinsame Standards beschlossen: "Diese Kooperation geht tiefer als RCEP."

VERTEIDIGUNGSETAT

Das offizielle Verteidigungsbudget Chinas ist mit Vorsicht zu genießen. Viele Experten gehen davon aus, dass es etwa doppelt so hoch ist wie angegeben. Militärisch bleiben die Vereinigten Staaten dennoch mit weitem Abstand alleinige Supermacht. Sorgen machen den USA die unbemannten Mini-U-Boote Chinas. "Die Chinesen sind dabei, in dieser Technologie die Führung zu übernehmen",sagt Sinologin Vogl. Große Pläne hat China für die Eroberung des Weltraums. Eine Landung auf der Rückseite des Mondes ist bereits gelungen, bis 2024 soll ein Taikonaut (chinesischer Astronaut) folgen. "Man kann davon ausgehen, dass Chinas Ambitionen zur Nutzung des Alls für zivile und militärische Zwecke sehr groß sind", sagt der Brigadier Walter Feichtinger.

MILITÄRBASEN IM AUSLAND

Im Moment hat China tatsächlich nur eine Militärbasis im Ausland - in Dschibuti am Horn von Afrika. "Das ist als Sprungbrett nach Afrika gedacht", sagt Walter Feichtinger vom Center für Strategische Analysen. "Im Rahmen der maritimen Seidenstraße sind Militärbasen über Pakistan und Singapur eben bis nach Dschibuti geplant." China geht, was die Stützpunkte betrifft, den amerikanischen Weg: "Die USA haben nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit Militärbasen aufgebaut. China will nun über das Ökonomische hinaus auch militärisch seine Pflöcke einschlagen.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.