Christoph Zotter: Haltet die Luft an!

Die USA ziehen sich aus dem globalen Klimaschutz zurück. Ist die Erde noch zu retten?

Drucken

Schriftgröße

Die Nachricht kam über Twitter. Gerade einmal 60 Zeichen enthielt der Satz im englischen Original. „Ich werde meine endgültige Entscheidung über das Pariser Abkommen in der nächsten Woche treffen“, schrieb Donald Trump am vergangenen Samstag über das jüngste und größte Klimaschutzprojekt der Welt. Es sieht so aus, als würde er es wirklich tun. Die USA dürften sich vom globalen Klimaschutz verabschieden.

Der 45. US-Präsident hat früh klargestellt, dass er nicht viel vom aufgeregten Gerede um den Klimawandel hält. Dieser rührt laut der Expertise der überwiegenden Mehrheit der globalen Wissenschaftsgemeinde daher, dass die Menschen riesige Mengen an Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen in die Atmosphäre pumpen, was dazu führt, dass die Erde sich schneller erwärmt, als es für viele Pflanzen und Tiere – und Menschen – gut ist.

Trump bezeichnete den Kampf gegen die Erderwärmung trotzdem als „Hoax“ (erraten, auf Twitter), der den asiatischen Konkurrenten wirtschaftliche Vorteile bringe. Dann berief er einen Mann an die Spitze der US-Umweltbehörde, der nicht an den Klimawandel glaubt. Dass Trump aus dem Klima-Kampf aussteigen will, sagte er schon im Wahlkampf. Denn im Pariser Abkommen sicherten die USA zu, zwischen 2020 und 2030 rund ein Viertel weniger Treibhausgase zu produzieren als im Jahr 2005. In Trumps Logik heißt das: weniger schnelles Wirtschaftswachstum.

Was genau passiert, wenn die USA die Riege der Klimaschützer verlassen, weiß niemand. Die Nachrichtenagentur Associated Press befragte einige Forscher, die verschiedene Modelle durchrechneten. Demnach läge der erwartete Anstieg der Erdtemperatur durch ungebrochene US-Treibhausgasausstoßerei ab 2020 wohl irgendwo zwischen 0,1 bis 0,3 Grad Celsius. Einige der Wissenschafter empfinden solche Prognosen jedoch generell als unseriös.

Beim Weltklima lief schon vor Donald Trump etwas schief.

Selbst wie groß der Schaden für das politische Projekt Weltrettung sein wird, bleibt abzuwarten. Dass nun andere mit den USA gemeinsam austreten, ist unwahrscheinlich: Das Pariser Abkommen wurde eben von so vielen Ländern unterschrieben (nur Syrien und Nicaragua blieben fern), weil es nicht bindend war und sich die Staaten ihre oft bescheidenen Ziele selbst aussuchen konnten.

Wenn eine Weltmacht sich von ihrer Verantwortung für die Atmosphäre abwendet, schmerzt das aber, noch dazu in jener Woche, in der sich der Start der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro zum 25. Mal jährt. Dort wurde der Grundstein für alle Klimaschutz-Verträge gelegt: Kyoto, Kopenhagen, Paris. Es folgten Emissionszertifikate, Windradparks schossen aus dem Boden, Solaranlagen strahlten. Das Ergebnis all der Mühen: Die Menschen verursachen heute so viele der schädlichen Gase wie nie zuvor in ihrer Geschichte. In anderen Worten: Es lief schon vor Donald Trump etwas schief. Drei Lehren aus dem letzten für das nächste Vierteljahrhundert:

1. Aufholjagden haben ihre Tücken

Im Jahr 1992 klang es logisch: Die USA lagen mit weitem Abstand an der Spitze der Tabelle der Treibhausgas-Sünder. Also sollten sich vor allem sie und die anderen industriell höher entwickelten Länder darum kümmern, die Emissionen zu reduzieren. Die ärmeren Länder bekamen einen Freibrief. Rückwirkend gesehen war dies ein – nur schwer zu vermeidendes – Versäumnis: Das damals zweitplatzierte China heizte den Kohleofen an und verursacht heute jedes Jahr so viel Treibhausgase wie USA und EU zusammen. Sich deswegen auf China einzuschießen, mag ungerecht sein: Der Westen konnte viel länger ungestraft die Luft verschmutzen. Pro Kopf gesehen liegen die Chinesen im Mittelfeld, und ihre Schlote rauchen zum Gutteil, um den Westen mit Handys oder Kühlschränken zu versorgen. Nur: Das Klima hat von diesen Schuldzuweisungen und Entschuldigungen nichts.

2. Noch ein China geht sich nicht aus

In China werden mittlerweile jedes Jahr so viele Treibhausgase in die Luft geblasen wie nirgendwo zuvor in der Menschheitsgeschichte. Zwar unterschrieb auch Peking auf Drängen von Obama das Paris-Abkommen. Statt einer sofortigen Reduktion sehen die Pläne zunächst aber vor, dass der Treibhausgas-Ausstoß steigt. Vor 2030 soll er seinen Höhepunkt erreichen und erst danach sinken. Das ist nicht nur dramatisch, sondern ein schlechtes Vorbild: Auch andere aufstrebende Länder hungern nach Energie. Allein 300 Millionen Inder leben ohne Strom, dabei liegt das Land schon jetzt auf Platz vier des globalen Treibhausgas-Rankings. Noch ein großes Land, das sich im Zeitraffer industrialisiert und später über die Umwelt nachdenkt, wird sich der Planet kaum leisten können.

3. Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die Lösung: ein wirtschaftlicher Aufstieg ohne allzu viele Treibhausgase. Dass dieser möglich ist, deutet ausgerechnet China an. Entgegen den Prognosen wuchs der CO2-Ausstoß in den vergangenen drei Jahren kaum, die Wirtschaft brummte trotzdem nahezu ungebrochen. Aus Sorge um die versmogte Luft hatte Peking begonnen, alte Fabriken und Kohlekraftwerke zu schließen. Dazu kommt ein Infrastrukturprogramm, das die Wirtschaft weiter ankurbeln soll – Windräder und Sonnenfarmen inklusive.

Die Chinesen sind aufgewacht. Vielleicht retten sie ja am Ende noch die Welt.

[email protected] Twitter: @christophzotter