profil-Morgenpost

Das umstrittene profil-Interview mit dem russischen Botschafter

War es richtig oder falsch, das Q&A mit Botschafter Ljubinskij veröffentlichen?

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Guten Morgen!

Heute ist Ihre Meinung gefragt! Es ist in den sozialen Medien, vor allem auf Twitter, eine recht intensiv geführte Debatte darüber entbrannt, ob ein Interview, das Sie in der aktuellen profil-Ausgabe (Print und epaper) ab Seite 42 finden, in dieser Form hätte veröffentlicht werden sollen. Falls Sie es noch nicht gelesen haben, erkläre ich Ihnen hier alles, was Sie wissen müssen.

Es handelt sich um ein ausführliches Interview mit Dmitrij Ljubinskij, Russlands Botschafter in Österreich, das ich vergangenen Mittwoch in der russischen Botschaft geführt habe. Es ging darin logischerweise um den Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt.

In diesem Gespräch legt Ljubinskij die russische Position dar, und die besteht zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus wüsten Behauptungen: So sagt er, dass nicht etwa die russischen Streitkräfte für die Zerstörung der ukrainischen Krankenhäuser verantwortlich sein, sondern vielmehr die Ukrainer selbst Sprengsätze in ihren eigenen Krankenhäusern und Theatern platziert hätten.

Das ist ein abenteuerlicher Vorwurf. Und es ist nicht die einzige dreiste Verdrehung der Realität. Das Interview geriet so zu einem hitzigen Streitgespräch, in dem ich versucht habe, mit meinen Fragen und Gegenreden klarzumachen, wie unglaubhaft und abstrus derartige Aussagen seien.

Trotz der außergewöhnlichen Situation haben wir in der Chefredaktion entschieden, das Interview zu veröffentlichen. Nicht ohne von Anfang an darauf hinzuweisen, dass wir uns von den Aussagen des Botschafters distanzieren. Es sei seine „abstruse Sicht des Krieges“, heißt es im Vorspann.

Nachdem das Interview am Samstag online gestellt wurde, brach die Debatte los. ZiB2-Moderator Armin Wolf schrieb, er sei „wirklich unsicher“, er habe „selten (nie?) ein so verlogenes Interview gelesen“, und stellte die Frage: „Soll man ein Interview, das nur aus offensichtlichen Lügen besteht, drucken?“

Martin Weiss, Österreichs Botschafter in den USA, argumentierte ähnlich: „Wer alle Fakten – wider die Wahrheit – so schamlos verbiegt, der sollte dafür keine Plattform erhalten.“

Die „Falter“-Journalistin Barbara Tóth hingegen vertrat die entgegengesetzte Auffassung. Sie meinte, die Fragen von profil transportierten ausreichend Kontext und zeigten das Maß an Desinformation auf. Das Interview sei ein „wichtiges Zeitdokument, weil es zeigt, wie russische Propaganda funktioniert“.

Da wir uns dazu entschieden haben, dieses Interview in profil zu veröffentlichen, vertrete ich natürlich die Meinung, dass das richtig war. Doch die Argumente der Gegenseite verdienen allemal Beachtung. Deshalb möchte ich Sie fragen: Wie denken Sie? Hätte profil darauf verzichten sollen, Ihnen dieses Interview in Frage-Antwort-Form zugänglich zu machen? Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Meinung an meine Mail-Adresse [email protected] schicken.

Noch eine abschließende Bemerkung: Der Vorschlag mancher Debattenteilnehmer, die Aussagen des Botschafters einem Faktencheck zu unterziehen, ist leider kaum realisierbar. Viele der Aussagen des Botschafters – etwa, dass der Krieg begonnen wurde, weil die Ukraine für den 8. März einen Angriff im Donbass plante – entziehen sich jeglicher Möglichkeit zur Überprüfung.

Trotz der insgesamt bedrückenden Nachrichtenlage wünsche ich Ihnen einen schönen Tag!

Robert Treichler

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur