Bei einer Gedenkveranstaltung in Seattle (USA) hält eine weinende Frau ein Foto von Nawalny 
Jahresrückblick

Das war 2024: Alexej Nawalnys letzte Stunde

Die prägenden Stunden des Jahres. Freitag, 16. Februar, 14.17 Uhr: Alexej Nawalny, Putins größter Gegner, stirbt in einer sibirischen Strafkolonie.

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Was geschah am 16. Februar 2024 um 14.17 Uhr Ortszeit in der sibirischen Strafkolonie FKU IK-3, die auch unter dem Namen „Polarwolf“ bekannt ist? Laut einer Aussendung der zuständigen Gefängnisverwaltung kam zu diesem Zeitpunkt der Strafgefangene Alexej Anatoljewitsch Nawalny, 47, zu Tode. Aber Nawalny war nicht irgendein Häftling, sondern seit fast eineinhalb Jahrzehnten der erbittertste Gegner von Staatspräsident Wladimir Putin und somit Staatsfeind Nummer 1, und deshalb ist jede sogenannte Information, die Nawalny betrifft, der Propaganda verdächtig. Vielleicht stimmte der Zeitpunkt des Todes, vielleicht auch nicht, sicher war bloß, dass Nawalny nicht mehr lebte.

Die Behörden lieferten ihre Version des Vorfalls sechs Monate später in einem dreiseitigen Bericht, erstellt von einer Untersuchungskommission des Autonomen Kreises Jamal-Nenzen. Darin heißt es, Nawalny habe an jenem Tag einen Hofgang gemacht und dabei eine „plötzliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes“ erlitten. Darüber habe er den diensthabenden Aufseher informiert, der Nawalny vom Hof Nr. 2 in das Gebäude Nr. 4 brachte. Dort habe Nawalny

das Bewusstsein verloren, und aufgrund mehrerer „gleichzeitiger Erkrankungen“ sei der Insasse schließlich gestorben. Als Todesursachen wurden unter anderem Herzrhythmusstörung, Hepatitis und Bauchspeicheldrüsenentzündung genannt.

Es war nicht das erste Mal, dass die russischen Behörden sich zu Nawalnys Gesundheitszustand äußerten. Als der Regimekritiker im August 2020 an Bord eines Flugzeugs auf dem Flug von der sibirischen Stadt Tomsk nach Moskau in einen lebensbedrohlichen Zustand geriet, lautete die offizielle Version, Nawalny habe an einem „niedrigen Blutzuckerspiegel“ gelitten. Damals retteten Ärzte sein Leben, die ihm nach einer Notlandung ein Mittel gegen Nervengifte injizierten. Auf internationalen Druck konnte Nawalny nach Deutschland ausgeflogen werden. Ein Speziallabor der Bundeswehr stellte später laut deutscher Bundesregierung „zweifelsfrei“ fest, dass auf Nawalny ein Anschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok verübt worden war.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur