Migration

Der große Bluff mit den Abschiebungen

Österreich und andere EU-Länder suchen hektisch nach Möglichkeiten, Asylwerber zurückzuschicken. Und basteln an Abkommen mit afrikanischen Staaten wie Ruanda und Tunesien. Laut ÖVP-Innenminister Karner ist die Zahl der Abschiebungen markant gestiegen. Doch seine Statistik ist grob irreführend.

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Die erste Strafe kommt per SMS. Eine der unzähligen Radarsäulen, die im gesamten Hügelland Ruandas scharfgestellt sind, hat 70 statt 60 km/h gemessen. Die zweite Strafe kommt mit Videobeweis: Bei einem Zebrastreifen in der Hauptstadt Kigali haben wir nicht gewartet, bis die Fußgänger mit beiden Beinen am anderen Ende angekommen sind. Die Verkehrsstrafen sind transparent im Netz abzurufen und nur ein Beleg für die Entwicklung, die Ruanda seit seiner dunkelsten Stunde vor bald 30 Jahren hingelegt hat. 1994 schlachteten Angehörige der Hutu-Volksgruppe auf Anordnung der Regierung 800.000 Tutsi ab – meist mit Macheten. Der Völkermord machte das kleine Land im Herzen Afrikas zum Sinnbild für archaische Rückständigkeit.

Fast 30 Jahre später ist Ruanda zum Hoffnungsträger avanciert. Das Land soll helfen, den Gordischen Knoten in der europäischen Flüchtlingspolitik zu durchbrechen: Pro Jahr kommen Hunderttausende Menschen übers Mittelmeer in die EU, Tausende ertrinken bei der Überfahrt, und von jenen, die es schaffen und kein Asyl erhalten, wird nur ein Bruchteil in die Heimat zurückgebracht. Das Ziel der EU-Kommission aus dem Jahr 2018, zwei Drittel der abgelehnten Asylwerber heimzuschicken, erwies sich als große Illusion: In immer weniger Länder kann abgeschoben werden, Herkunftsstaaten nehmen ihre Staatsbürger kaum zurück, Asylwerber tauchen ab.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.