Drag-Shows: Das farbenfrohe Feindbild der FPÖ
Drag-Shows sind das jüngste Opfer der konservativen Politik der US-Republikaner – oder Zensur, wie es Betroffene sehen. Tennessee hat vor Kurzem als erster US-Bundesstaat Travestieshows aus der Öffentlichkeit verbannt; zumindest dort, wo auch Kinder Zutritt haben. 13 weitere Bundesstaaten planen ähnliche Gesetze. Und dieses Vorhaben ist nun auch Vorbild für die FPÖ in Wien. Der Wiener Partei-Chef Dominik Nepp warnte Anfang der Woche in einer Aussendung vor einem „Transgender-Irrsinn” und fordert ein Verbot von „kinderschädlichen” Drag-Veranstaltungen. Anlass für das lautstarke Verbot der FPÖ ist eine für April geplante Drag-Show in Wien, die auch für Kinder geeignet sein soll. Nepp hat sich laut eigenen Angaben von der Gesetzgebung der US-Bundesstaaten während eines Aufenthaltes in Washington D.C. inspirieren lassen.
Aus für Drag Shows vor Kindern
Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp fordert ein Verbot ähnlich wie in Tennessee.
In den Entwürfen zum amerikanischen Anti-Drag-Gesetz wird als Drag-Künstler definiert, „wer bei einem Auftritt Kleidung, Make-up und Gesten verwendet, die mit einem anderen Geschlecht als dem bei der Geburt zugewiesenen verbunden sind.” Kritiker verweisen dabei darauf, dass auch Theater oder Karnevals-Umzüge von dieser Restriktion betroffen sein könnten; auf Verstöße sollen Freiheitsstrafen von fast einem Jahr und eine Geldstrafe von 2500 Dollar stehen. Aus Angst davor – und auch mangels Klarheit über die Auslegung des Gesetzes – wurden zahlreiche Veranstaltungen bereits abgesagt.
Drag, Travestie und Transgender
Drag/Travestie
Drag beschreibt das Verkleiden und (oft überzogene) Darstellen einer Person als das jeweils andere Geschlecht im Zusammenhang mit einer Show oder Performance. Meistens Mann-zu-Frau! Eine Dragqueen/ein Dragking nimmt in der Regel eine Rolle ein und gibt sich einen Künstlernamen – der Künstler kreiert eine Art Alter Ego. Dies ist nicht zu verwechseln mit Trans-Personen. (siehe unten) Der Travestie-Künstler hingegen schlüpft in verschiedene Frauenrollen, imitiert oder parodiert zum Beispiel prominente Persönlichkeiten. Anders als Trans-Personen schlüpfen sie nur zeitweise in die Frauenrolle, ohne ihr biologisches Geschlecht abzulehnen.
Transgender
Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, sind trans. Nicht alle Menschen, auf die dies zutrifft, bezeichnen sich selbst so. Trans wird jedoch häufig als Selbstbezeichnung verwendet.
Bill Lee, der republikanische Gouverneur von Tennessee, geht aber noch weiter. In einer Aussendung spricht sein Büro davon, „Kinder ausdrücklich vor obszöner und sexualisierter Unterhaltung zu schützen”, und beschuldigt somit Travestie-Künstlerinnen und -Künstler fälschlicherweise der Pornographie (siehe Infobox).
„Wir fürchten, dass Politiker dieses Gesetz missbrauchen, um Menschen und ihre subjektiven Meinungen zu zensieren", twitterte kurz darauf die Bürgerrechtsorganisation ACLU mit Sitz in New York City.
Die USA im Kulturkampf
„Sie haben Gott aus der Schule geworfen und die Drag-Queens willkommen geheißen. Sie haben unsere Flagge runtergerissen und sie durch einen Regenbogen ersetzt." Diese Aussage der unterlegenen republikanischen Gouverneurskandidatin Kari Lake aus Arizona verdeutlicht den Kulturkampf, der sich in den Vereinigten Staaten immer mehr zuspitzt.
Die US-Republikaner schüren schon seit Monaten Angst vor einer vermeintlichen „Sexualisierung” von Kindern. Lesungen von Drag-Künstlern in Bibliotheken oder Museen sind den Republikanern ein besonderer Dorn im Auge.
Dieser Kulturkampf richtet sich aber nicht nur gegen sexuelle, sondern auch gegen ethnische Minderheiten. Der neue Star der Republikaner und möglicher Präsidentschaftskandidat 2024, Ron DeSantis, führt diesen Kampf in die nächste Runde. Als Gouverneur von Florida ließ er das Schulfach African American Studies an Highschools verbieten. Ein Fach, in dem die Geschichte und die Kultur von Afroamerikanerinnen und -amerikanern aufgearbeitet wird. Außerdem soll das Lehrpersonal verpflichtende Schulungen darüber absolvieren, welches Unterrichtsmaterial verwendet werden soll. Diese Fortbildungen zielen darauf ab, Schülerinnen und Schülern Bücher über Rassismus und LGBTIQ+-Themen vorzuenthalten, in denen es um sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität geht. Ron DeSantis ist auf Kreuzzug gegen eine aus seiner Sicht „linksextreme Bildungselite, die Amerikas Jugend verdirbt”.
Ron DeSantis ist auf Kreuzzug gegen eine aus seiner Sicht „linksextreme Bildungselite, die Amerikas Jugend verdirbt”.
Ob Corona, Abtreibung, Rassismus oder sexuelle Aufklärung: In den USA sind Schulbehörden zum Brennpunkt der gesellschaftspolitischen Debatten geworden. An vielen amerikanischen Schulen tobt ein Kulturkampf um Lehrpläne. Konservative Eltern und Politiker führen einen Feldzug gegen angeblich unpatriotische Inhalte. Der Unterricht von Lehrerinnen und Lehrern wird mitgeschnitten und wegen ihrer Inhalte öffentlich angeprangert. „Schulen sind Orte gesellschaftlicher Debatten, daher lässt es sich kaum vermeiden, dass sich dort Interessensgruppen engagieren”, sagt der Politologe Kenneth Wong von der Brown University gegenüber der Deutschen Presseagentur: „Aber die Kapitol-Attacke hat den Ton verändert – und für viele ein drastischeres Verhalten legitimiert.”
In den vergangenen Jahren äußerte sich dies immer häufiger in physischer Gewalt gegen Betroffene. Die Angriffe auf Drag-Shows in den USA nahmen in den vergangenen Jahren zu. 2022 kam es zu mehr als 140 Übergriffen – teilweise mit Schusswaffen, vor allem in den traditionell konservativen Bundesstaaten Texas und North Carolina. Dies geht aus einem Bericht der Gay and Lesbian Alliance Against Defamation (GLAAD) hervor. Die Täter sind oft Anhänger extremer Gruppen wie die "Proud Boys, die "Patriot Front" oder lokale Anhänger der sogenannten "White Supremacists".
Es gibt allerdings auch einige Republikaner, die Drag-Shows in Schutz nehmen. Die konservative TV-Kommentatorin und politische Strategin Ana Navarro präsentierte sich kürzlich im rosa Hemd mit Federboa und hielt in ihrem Heimatbundesstaat Florida eine leidenschaftliche Rede für Travestie und gegen Waffenhändler. "Weißt du, was kleine Kinder tötet? Waffen töten kleine Kinder. Und ihr könnt euch um kleine Kinder und ihre Sicherheit kümmern, Waffen einschränken und die verdammten Drag-Queens in Ruhe lassen."
Auch in Österreich kam es immer wieder zu Störaktionen gegen Drag-Veranstaltungen. Zuletzt im Juni 2022. Anhänger der rechtsextremen Identitären mauerten den Eingang einer Bücherei in Wien-Mariahilf zu, in der eine Drag-Lesung stattfand. Die Mauer trug die Aufschrift „#NoPrideMonth”.
Das Thema wird die FPÖ nicht los lassen. Der Wiener Partei Chef Dominik Nepp fordert die Stadtregierung nun auf, Drag-Shows nach dem Vorbild Tennessee im Rahmen der Jugendschutzbestimmungen zu verbieten.