Ein Mafioso aus der Türkei packt aus
Es ist der 8. Juni 2016. In der Märzstraße, im migrantisch geprägten 15. Wiener Gemeindebezirk, öffnet ein neues Lokal, das Café Göktürk. Zur Einweihungsfeier bekommt Besitzer Ulus B. ein Geschenk: eine Holztafel mit roten und weißen Rosenköpfen, die den Namen des Absenders bilden. Im grauen Slim-Fit- Anzug posiert er neben dem Kranz für ein Foto und postet es auf Facebook, versehen mit einem Gruß „Mein lieber Führer, hoffentlich treffen wir uns einmal in Wien.“ Der Name des Mannes, der den Kranz geschickt hat: Sedat Peker.
24 Likes bekommt der Beitrag von Ulus B. damals. Heute, fünf Jahre später, ist derselbe Sedat Peker jede Woche in den internationalen Schlagzeilen und zudem ein veritables Internet-Phänomen. 1,2 Millionen folgen ihm auf Twitter, eine ganze Nation wartet wie gebannt auf seine YouTube Videos.
Peker – ein 49-Jähriger mit einem Faible für Goldkettchen und Gewaltverbrechen – gilt als der bekannteste Mafiaboss der Türkei. Doch seit kurzem hat er eine neue, für einen Kriminellen ungewöhnliche Beschäftigung. Jeden Sonntag stellt er ein Enthüllungsvideo ins Netz, in dem er türkischen Regierungsmitgliedern kriminelle Verwicklungen vorwirft, darunter auch Politikern aus dem nahen Umfeld von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. (Siehe Interview mit Sinem Adar) Das bislang letzte der Videos wurde von elf Millionen Menschen angeklickt.
Den Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım bezeichnet Peker als „Drogenhändler“, und erzählt freimütig, wie er Kokain von Kolumbien über Panama in die Türkei geschmuggelt haben soll. Yıldırım Senior gilt als einer der engsten Vertrauten Erdogans. Jetzt wartet eine ganze Nation wie gebannt auf das Serienfinale: Was hat Peker noch in der Schublade?
Bisher wurden die „Peker Tapes“ vor allem als eine Türkei-interne Geschichte gesehen. Doch die Mafia-Affäre hat auch in Deutschland eine Diskussion losgetreten. Denn so manche Namen, die Peker enthüllt, haben Beziehungen in die Diaspora.
Der Blumenkranz im Café Göktürk in der Märzstraße ist nicht die einzige Spur, die von den „Peker Tapes“ nach Österreich führt. In Video Nummer Neun belastet Peker einen Mann namens Metin Külünk, einen Erdogan-Vertrauten, der die AKP-Lobbyorganisation „Union Internationaler Demokraten“ (UID) mitaufgebaut hat. Der Verein war bis 2018 unter dem Kürzel UETD bekannt und hat einen Ableger in Österreich. Doch dazu später und vorerst zurück zu Peker. Wer ist dieser Mann?
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