Eine Familie hinter Mauern
von Mohamed Amjahid
Hadscha Z. nimmt eines der Bilder auf dem Esstisch in die Hand, führt es wenige Zentimeter an ihre dicken Augenringe heran. Ihre Stimme stockt abrupt. Sie lächelt.
Auf dem Bild sitzt sie als junge Mutter mit langen schwarzen Haaren in einem blau-funkelnden, Gewand neben ihren beiden Söhnen Hadi und Osman. Die Kinder sind identisch gekleidet: weißes Hemd, etwas zu üppig geschneidertes schwarz-weiß kariertes Jackett, eine Fliege, Topfhaarschnitt. Auf dem Tisch stehen Cola-Dosen, in der Mitte thronen zwei Sahnetorten – eine mit fünf, die andere mit drei Kerzen verziert. Man sieht Mutter und Söhne, wie sie zum Auspusten ansetzten. Niedersachsen 1995.
„Meine Babys waren unzertrennlich“, sagt sie. „Sie haben sich sehr geliebt. Sie waren gute Kinder. Ich weiß gar nicht, wie es so weit kommen konnte, dass beide nun getrennt in Gefängnissen sitzen.“ Hadscha Z. weint, während sie diese Worte sagt. Sie trocknet ihre Wangen mit den langen Ärmeln ab. Ihre Söhne sitzen seit Ende 2020 in Untersuchungshaft. Anfang Juni begann vor dem Landgericht Osnabrück in Niedersachsen der Prozess gegen sie. 43 Verhandlungstage sind angesetzt – bis in den November hinein. Lokalzeitungen sprechen von Sicherheitsvorkehrungen, die nicht einmal bei Prozessen gegen mutmaßliche IS-Anhänger üblich sind.
Es geht um zahlreiche Straftaten: Diebstahl, Wohnungseinbrüche sowie Raub. Die Staatsanwaltschaft schätzt den Schaden auf 400.000 Euro. In den vergangenen fünf Jahren sollen die Brüder mit Unterstützung Dritter in Wohnungen, Geschäftsräume und Fitnessstudios eingebrochen sein. Sogar Weihnachtsgeschenke unter Christbäumen sollen sie mitgenommen haben. Nach der Festnahme der Brüder sprach die niedersächsische Landesregierung von einem „erfolgreichen Schlag gegen die Clankriminalität“. Zahlreiche Beweise belasten die Angeklagten.
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