EU verschärft Sanktionen gegen Russland - Moskau droht mit Vergeltung
- In der Nacht auf den 24. Februar hat Russland einen groß angelegten Angriff auf die Ukraine gestartet.
- EU-Gipfel stimmt neuen Sanktionen gegen Russland zu.
- Männer zwischen 18 und 60 dürfen Land nicht verlassen.
- Aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew werden Explosionen und Schüsse nahe Regierungsviertel gemeldet.
- Präsident Selenskij berichtet von mehr als 130 gefallenen Soldaten.
- Die Ukraine hofft auf eine UN-Friedensmission.
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- 120 österreichische Soldaten werden nach Sarajevo verlegt.
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Schärfere Saktionen gegen Russland
Die EU erhöht wegen des russischen Großangriffs auf die Ukraine den Druck auf Moskau. Nach der Einigung auf ein Sanktionspaket gegen den russischen Finanz-, Energie- und Transportsektor kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag weitere Strafmaßahnen an. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow werden sanktioniert. Moskau droht dem Westen mit Vergeltung. Es würden "symmetrische und asymmetrische" Gegenmaßnahmen geprüft, hieß es.
"Der Europäische Rat vereinbart heute weitere Strafmaßnahmen, die für Russland wegen seines Vorgehens massive und ernste Folgen haben werden", hieß es in der am Donnerstagabend in Brüssel verabschiedeten Gipfelerklärung der EU-Staats- und Regierungschefs. Ein "weiteres (Sanktions-)Paket wird dringend vorbereitet", erklärte Michel am Freitag.
Russland kündigte an, mit Gegenmaßnahmen auf die Sanktionen der EU und anderer westlicher Länder zu reagieren. "Es versteht sich von selbst, dass Vergeltungsmaßnahmen folgen werden", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. "Wie symmetrisch oder asymmetrisch sie sein werden, wird von der Analyse der Beschränkungen abhängen", die Russland auferlegt worden seien.
Konkrete Schritte
Angesichts der russischen Invasion hatten auch die USA, Kanada und Japan ihre Sanktionen gegen Moskau verschärft. Dazu gehören Reisebeschränkungen, Beschränkungen des Zugangs zu Finanzmärkten sowie Exportstopps für bestimmte Güter einschließlich High-Tech-Produkten und Computerchips.
Die neuen EU-Sanktionen betreffen laut Gipfelerklärung neben den Bereichen Finanzen, Energie und Transport auch den Export von Dual-Use-Gütern, die für zivile und militärische Zwecke genutzt werden können, sowie die Visa-Vergabe und eine Reihe "russischer Einzelpersonen". Das detaillierte Sanktionspaket war von der EU-Kommission vorbereitet worden und muss noch formell vom Ministerrat der EU-Staaten verabschiedet werden. Dies soll am Freitag passieren.
Die EU-Staaten planen auch das Einfrieren der Vermögenswerte von Putin und Lawrow innerhalb der EU einzufrieren. "Wir werden das jetzt unter den Außenministern vereinbaren und dingfest machen", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Freitagnachmittag vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Das sei in "der Geschichte ein einmaliger Schritt". Visa-Sperren werde es für Putin und Lawrow aber keine geben.
Zudem verteidigte Schallenberg die EU vor der Kritik seitens der Ukraine, die Union unternehme zu wenig. Innerhalb von drei Tagen ein "massives Sanktionspaket" zu schnüren, sei "nicht ohne". Man müsse "leider davon ausgehen, dass wir noch nicht das Ende der Eskalation und Gewalt in der Ukraine gesehen haben", betonte Schallenberg. "Es gibt noch eine Steigerungsform - aber das was wir jetzt gemacht haben, wird für Russland sehr spürbar sein."
"Wir treffen das System Putin dort, wo es getroffen werden muss: eben nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern in seinem Machtkern", bekräftigte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. "Deshalb listen wir nicht nur Oligarchen, deshalb haben wir bereits nicht nur zahlreiche Abgeordnete gelistet, sondern wir listen jetzt auch den Staatspräsidenten, Herrn Putin, und den Außenminister, Herrn Lawrow."
Beratungen über SWIFT-Ausschluss
Ein Ausschluss Russlands aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk SWIFT und Ausfuhrverbote für zum Beispiel Erdgas sind zunächst nicht vorgesehen. Es wird allerdings für gut möglich gehalten, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch zu einem Ausschluss aus SWIFT kommt und dass Russland selbst die Versorgung der EU mit Erdgas einstellt. Bisher liefert der russische Staatskonzern Gazprom nach Angaben der EU-Kommission rund 40 Prozent der in der EU verbrauchten Gasmenge.
Die EU zeigte sich bisher uneins über den Ausschluss Russlands aus SWIFT. Während unter anderem die baltischen Staaten darauf pochen, reagierten etwa Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich vorerst zurückhaltend. Am Freitag erklärte sich Österreichs Regierung im Rahmen einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates aber bereit, einem SWIFT-Ausschluss Russlands zuzustimmen, wenn es eine Einigung dazu auf EU-Ebene gibt.
Am Sonntagnachmittag (15.00 Uhr) wollen die EU-Innenminister, darunter Ressortchef Gerhard Karner (ÖVP), in Brüssel zusammenkommen. Bei der Sondersitzung soll "über konkrete Antworten auf die Situation in der Ukraine" beraten werden. Die Vereinten Nationen stellen sich wegen des Krieges in der Ukraine auf bis zu vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine ein, sollte sich die Situation weiter verschlechtern.
Am Montagnachmittag (ebenfalls 15.00 Uhr) treffen sich dann die EU-Energieminister in Brüssel. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) bespricht mit ihren EU-Amtskollegen über die Versorgungssicherheit.
Russland hat Vergeltung für vom Westen verhängte Sanktionen angekündigt. "Es versteht sich von selbst, dass Vergeltungsmaßnahmen folgen werden", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. "Wie symmetrisch oder asymmetrisch sie sein werden, wird von der Analyse der Beschränkungen abhängen", die Russland auferlegt worden seien. Der Westen hatte den russischen Großangriff auf die Ukraine scharf verurteilt.
Debatte über weitere EU-Sanktionen gegen Russland
Nach dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zu einem umfangreichen Sanktionspaket gegen Russland dauert die Debatte über weitere Strafmaßnahmen an. "Man geht davon aus, dass ein drittes Paket kommt, und es wird sich sehr zielgerichtet und intensiver an diejenigen richten, die im Kreml tatsächlich Macht und Einfluss haben", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Freitagfrüh nach den Beratungen in Brüssel. Dabei sei ein weiteres Sanktionspaket besprochen worden.
"Alle Optionen liegen auf dem Tisch", sagte deutsche Finanzminister Christian Lindner am Freitag in Paris, wo die EU-Finanzminister, darunter Ressortchef Magnus Brunner (ÖVP), vor allem zur Ukraine-Krise tagen. Es gebe jetzt bereits eine vollständige Blockade russischer Banken. Der Geschäftsverkehr sei nahezu beendet, nur in Einzelfällen sei es noch möglich, etwa Rechnungen für Gaslieferungen zu begleichen oder Überweisungen deutscher Firmen an ihre Töchter in Russland zu tätigen. "Weitere Schritte sind möglich, müssen aber in ihren Auswirkungen bedacht werden."
Teilweise wird gefordert, Russland nach dem Angriff auf die Ukraine aus dem internationalen Zahlungssystem Swift auszuschließen. Dies gilt als schärfste Finanzsanktion, die aber auch viele europäische Banken und Firmen treffen würde. Einige EU-Staaten, darunter Deutschland und Österreich, zeigten sich diesbezüglich zurückhaltend.
"Hintergrund des Ganzen ist, dass die Aussetzung von Swift weniger die Russische Föderation treffen würde als die Europäische Union", sagte Nehammer. Denn erstens habe Russland ein eigenes Zahlungssystem und zweitens würde Russland sofort auf das chinesische Zahlungssysteme umsteigen.
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, Putin werde einen Preis zu zahlen haben. "Wir wollen die russische Wirtschaft treffen." Swift sei dabei die letzte Option. "Aber das ist eine der Optionen, die noch auf dem Tisch ist."
Ähnlich äußerte sich der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Den Ausschluss aus Swift könne man sich vornehmen, wenn Russland Kiew weiter bombardiere, sagt er im ZDF. Aber man müsse bei Sanktionen immer sehen, wer davon stärker betroffen werde - Russland oder der Westen. Die von der EU beschlossenen Sanktionen im Finanzbereich seien aber bereits sehr schmerzhaft für Russland.
Lettland, Estland und Litauen hatten sich vor dem Gipfel für noch weiter reichende Maßnahmen ausgesprochen. In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie etwa den sofortigen Ausschluss Russlands aus Swift.
Lettlands Präsident Egils Levits sprach sich für schärfere Sanktionen aus. Die vereinbarten Sanktionen seien sehr stark und würden negative Auswirkungen auf die russische Wirtschaft und die militärischen Fähigkeiten haben, sagte er am Freitag im lettischen Fernsehen. Doch müsste Moskau seiner Ansicht nach wegen des Einmarschs in die Ukraine mit allen möglichen Sanktionen belegt werden. "Das Wichtigste ist, dieses kriminelle Regime von der Welt zu isolieren, ähnlich wie Nordkorea. Denn ein solches Regime bedroht nicht nur die Ukraine, sondern Europa und die ganze Welt", betonte Levits.
Einen Schritt weitergehen würde auch das ehemalige EU-Land Großbritannien. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace sprach sich für einen Ausschluss Russlands von Swift aus. "Wir würden gerne noch weiter gehen, wir würden gerne das Swift-System nutzen", sagt er der BBC. Falls aber nicht alle Länder für einen Ausschluss seien, würde es schwierig werden.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben am Donnerstagabend bei einem Krisengipfel nach dem Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine einem umfangreichen Sanktionspaket gegen Russland zugestimmt. Die Strafmaßnahmen betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport. Zudem soll es Exportkontrollen für bestimmte Produkte sowie Einschränkungen bei der Visavergabe geben.
Wenig zufrieden mit dem Ergebnis des EU-Gipfels zeigte sich unterdessen Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen: "Russland finanziert seine Armee aus den Milliarden Einnahmen des Öl- und Gas-Geschäfts. Während in der Ukraine Hunderte Menschen jeden Tag sterben, sind wir, mit Blick auf die Energiepreise, nicht bereit, harte Sanktionen wie ein Ende von Öl- und Gasimporten zu verhängen."