Die EU-Staats- und Regierungschefs in Malta.

EU beschließt Zehn-Punkte-Plan gegen Migration aus Afrika

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf eine gemeinsame Strategie im Umgang mit der Flüchtlingskrise im zentralen Mittelmeer verständigt. Sie vereinbarten zehn "Prioritäten" zur Unterstützung des nordafrikanischen Transitlandes Libyen.

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Am Freitag beschlossen die Staats- und Regierungschefs einen Zehn-Punkte-Plan mit dem Ziel, die Route von Libyen nach Italien möglichst rasch dicht zu machen.

Ausgerechnet Libyen: Wenn die Europäische Union die Migration im zentralen Mittelmeer stoppen will, muss sie mit dem nordafrikanischen Land zusammenarbeiten. Doch dort flammt immer wieder Gewalt auf, Migranten leben im Elend. Trotzdem will es die EU versuchen.

Der 10-Punkte-Plan

1. Mehr Unterstützung für die libysche Küstenwache (Ausbildung, Ausrüstung). 2. Bündelung aller zur Verfügung stehenden Kräfte, um das Geschäftsmodell der Schleuserbanden zu zerstören. 3. Unterstützung von lokalen libyschen Gemeinschaften, die Migranten aufnehmen. 4. Aufbau von sicheren und angemessenen Aufnahmeeinrichtungen in Libyen - zusammen mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und der internationalen Organisation für Migration (IOM). 5. Förderung von Projekten, die Migranten dazu bringen sollen, freiwillig in ihre Heimatländer zurückzukehren (IOM). 6. Ausbau von Informationskampagnen, die über die Gefahren der illegalen Migration aufklären. 7. Förderung von Projekten, die wieder eine bessere Kontrolle der Grenzen zwischen Libyen und seinen Nachbarländern ermöglichen. 8. Überwachung möglicher Alternativrouten. 9. Unterstützung von bilateralen Initiativen, die positive Entwicklungen in Libyen anstoßen sollen. 10. Engere Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten Libyens - auch mit dem Ziel, nicht schutzbedürftige Menschen dorthin zurückschicken zu können.

Von wo kommen derzeit die meisten Migranten nach Europa?

Seit der Weg über den Balkan versperrt ist und die EU ihren Pakt mit der Türkei geschlossen hat, kommen deutlich weniger Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Damit rückt für die EU das zentrale Mittelmeer in den Fokus. Ungefähr 180 000 Migranten sind im vergangenen Jahr von dort nach Italien gekommen, die allermeisten fuhren aus Libyen ab. Tausende starben auf See.

Haben diese Menschen Aussicht auf Asyl?

Ihre Chancen stehen deutlich schlechter als die von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen. Die Migranten, die aus Libyen nach Europa gelangen, stammen vor allem aus afrikanischen Staaten südlich der Sahara. Die größte Gruppe unter ihnen waren im vergangenen Jahr Nigerianer (21 Prozent) und Eritreer (11 Prozent). Eritreer haben sehr gute Chancen auf Schutz in Europa, neun von zehn Migranten bekommen ihn. Bei den dann folgenden Staaten Guinea, Elfenbeinküste, Gambia, Senegal, Mali und Sudan variiert die so genannte Anerkennungsquote. Mindestens jeder fünfte Bewerber aus jedem dieser Länder erhält aber Schutz in Europa. Die EU will generell die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern von Migranten verbessern.

Ist der Plan für Libyen ein Flüchtlingspakt wie mit der Türkei?

Nein. Dazu ist die Lage in dem nordafrikanischen Land viel zu instabil: Eine von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung in Tripolis ringt mit Widersachern um die Macht. Die EU arbeitet zwar mit der Einheitsregierung in Tripolis zusammen und bildet unter anderem libysche Küstenschützer aus, die Migranten noch in den eigenen Gewässern aufhalten sollen. Alles, was die anerkannte Regierung stärkt, nützt auch Europa, so die Hoffnung.

Aber Libyen wie die Türkei als "sicheres Drittland" einzustufen, in das man Flüchtlinge zurückschicken kann, ist vorerst nicht denkbar. Und wenn Schleuser die Menschen erst in internationale Gewässer gebracht haben, können die Boote der EU-Marineoperation Sophia sie auch nicht einfach zurückbringen - die Geretteten kommen dann nach Europa.

Wie ergeht es Migranten in Libyen?

Schlecht. Die Bedingungen in manchen Lagern und teils auch im Land insgesamt schätzen internationale Beobachter als erbärmlich ein. Natalia Alonso von der Hilfsorganisation Oxfam spricht von "entsetzlichen Misshandlungen", die Migranten in Libyen erlebten: "Menschen, denen es gelang, dieser Hölle zu entkommen, berichten regelmäßig von traumatisierender Gewalt, die sie dort erfahren haben, einschließlich Hunger, Schläge und Verbrennungen."

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht von 700 000 bis zu einer Million Migranten im Land aus, hinzu kommen libysche Bürgerkriegsflüchtlinge. Wie viele von ihnen auch wirklich weiter nach Europa wollen, ist unklar. Libyen war lange ein beliebtes Zielland für afrikanische Gastarbeiter - viele von ihnen dürften angesichts der eskalierenden Gewalt aber auch den Weg nach Europa suchen, vermutet die IOM.

Will die EU nicht Lager in Nordafrika einrichten?

Das ist seit längerem im Gespräch. Deutschlands Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist ein Verfechter der Idee. Bei einem "Massenzustrom" könnten Flüchtlinge an "sichere Orte" zurückgebracht werden. Libyen käme dafür derzeit wohl kaum in Frage. Denkbar wären möglicherweise Einrichtungen in anderen nordafrikanischen Ländern. Konkrete Pläne dazu sind bisher aber nicht bekannt.

In der Abschlusserklärung des EU-Gipfels in Malta heißt es nur, Ziel sei, "angemessene Aufnahmekapazitäten und -konditionen für Migranten in Libyen sicherzustellen, zusammen mit dem UNHCR und IOM". Das muss aber nicht bedeuten, dass die EU Migranten dorthin zurückbringt. Stattdessen könnten sich dort auch Menschen melden, die in Libyen sind - oder die ausgebaute libysche Küstenwache könnte eines Tages Migranten dorthin bringen, die sie aus dem Wasser gefischt hat.