Sebastian Kurz mit Donald Trump

Ex-Kanzler Sebastian Kurz: „Ein Rockstar“

Kein österreichischer Kanzler seit Bruno Kreisky hat im Ausland so viel Wind gemacht wie Sebastian Kurz. Hat das Österreich genützt oder geschadet?

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Er war das neue, junge Gesicht, das Medien gern den altbekannten vorziehen. Und so illustrierte die französische Tageszeitung "Le Monde" 2013 ihren Artikel über die eben gebildete österreichische Koalitionsregierung aus SPÖ und ÖVP mit einem Porträt von Sebastian Kurz und titelte bass erstaunt: "Der neue Außenminister ist 27 Jahre alt."

Die Verwunderung wich, das Interesse an Kurz blieb-und stieg, als Kurz Kanzler wurde. Er positionierte Österreich neu und scheute nicht davor zurück, Partner zu verstören. Am deutlichsten wurde das, als die ÖVP-FPÖ-Regierung 2018 nicht dem Migrationspakt der Vereinten Nationen beitrat, einer internationalen Vereinbarung, die Leitlinien zur "sicheren, geordneten und regulären Migration" auflistete. Österreich fand sich in seiner Position unter anderem auf einer Linie mit Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei-der sogenannten Visegrád-Gruppe-sowie mit Israel (unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu) und den USA (unter Präsident Donald Trump).

Da gingen in europäischen Staatskanzleien die Augenbrauen hoch.

Kurz fand Freunde rechts der Mitte, und diese Freundschaften verschoben Österreichs Koordinaten auf dem internationalen Parkett.

In der lange Zeit dominierenden Migrationsfrage positionierte sich Kurz gegen Deutschlands "Wir schaffen das"-Kanzlerin Angela Merkel. Gleichzeitig hielt er innerhalb der Europäischen Volkspartei Viktor Orbán und dessen Partei Fidesz noch die Stange, als die Mehrheit der konservativen Parteien längst für einen Ausschluss der zusehends autoritär und rechtspopulistisch agierenden ungarischen Partei war.

Kurz interpretierte seine internationale Rolle als die des "Brückenbauers",wobei die Brücken auffälligerweise immer nach rechts führten.

2016 trat Kurz bei einer Wahlkampfveranstaltung der Partei des nordmazedonischen Premierministers Nikola Gruevski auf, der damals bereits wegen autoritärer Tendenzen höchst umstritten war und mittlerweile wegen Korruption verurteilt ist (und sich der Haftstrafe durch Flucht entzogen hat).

Die historische Rolle Österreichs als vermittelnde Stimme im Nahost-Konflikt gab Kurz zugunsten einer Politik auf, die sich klar auf die Seite der israelischen Regierung schlug. Unübersehbares Symbol dafür war das Hissen der israelischen Flagge auf dem Bundeskanzleramt im Mai.

Auch innerhalb der EU löste sich Österreich unter Kurz' Führung von seiner traditionellen Strategie, die man so zusammenfassen konnte: "Mal sehen, was Deutschland tut."Plötzlich fand Wien andere Partner und stellte sich frech gegen Berlin - etwa als Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden sich im Juni 2020 als die "Sparsamen Vier" gegen den Plan gemeinsamer Schulden der Europäischen Union stemmten - letztlich erfolglos.

 

Das Phänomen Kurz wurde von einigen europäischen Konservativen immer wieder als Vorbild und mögliche Blaupause gesehen. Der Österreicher erzielte Erfolge, von denen konservative Parteien in anderen Ländern nur noch träumen konnten.

Steht Österreich nach dem Ende der Ära Kurz nun besser oder schlechter da?

Fraglos hat sich Österreich emanzipiert und handelt auf internationalem Parkett eigenständiger als in der Vergangenheit.

Inhaltlich hat sich Kurz dabei Applaus aus zum Teil bedenklichen Ecken erworben: "Sebastian Kurz ist ein Rockstar. Ich bin ein großer Fan. "Das Zitat stammt von Richard Grenell, Donald Trumps früherem Botschafter in Berlin - ausgerechnet auf der rechtspopulistischen Plattform "Breitbart.com".

 

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur