EU-Außengrenze: Kroatischer Polizist bestätigt illegale Abschiebungen
"Meine Polizistenkollegen und ich nahmen an illegalen Pushbacks von Migranten teil". So beginnt das Geständnis eines kroatischen Polizisten. Der Redaktion liegt sein Name vor – er wurde anhand von Dokumenten genauso überprüft wie seine Anstellung bei der Polizei.
„Wir brachten die Menschen von Zagreb zur grünen Grenze und wiesen sie an, nach Bosnien oder Serbien zu queren“, erzählt der Mann über die Abschiebungen an der EU-Außengrenze. "Wir haben sie nicht dokumentiert. Wir haben ihnen nicht erlaubt, Asyl zu beantragen. Das waren die Befehle unserer Vorgesetzten von der Polizeistation."
Es ist das erste Mal, dass ein kroatischer Polizist bestätigt, dass vom kroatischen Innenministerium systematisch Migranten ohne korrektes rechtsstaatliches Verfahren über die EU-Außengrenze nach Serbien und Bosnien abgeschoben werden.
Das wäre ein klarer Bruch von kroatischem Recht, den EU-Grundgesetzen und den Menschenrechten. Demnach müssen Menschen um Asyl ansuchen dürfen – und können erst mit einem rechtskräftigen Bescheid abgeschoben werden, wenn kein Fluchtgrund vorliegt. Dieses grundlegende Recht auf ein Asylverfahren habe man aber in etlichen Fällen verweigert, sagt der kroatische Polizist.
Der Mann will nicht mit vollem Namen in der Zeitung genannt oder an bestimmten Details aus seinem Lebenslauf erkennbar gemacht werden. Denn zum einen schildert der Polizist Methoden, für die er selbst zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Laut kroatischem Recht müssen Beamte sich Anordnungen ihrer Vorgesetzten verweigern, wenn diese gegen das Gesetz verstoßen.
Andererseits stehen die Aussagen des Polizisten im Widerspruch zu jenen seines Arbeitgebers, dem kroatischen Innenministerium: Dieses behauptete immer wieder, die von Journalisten befragten Migranten würden lügen, wenn sie erzählen, dass die kroatische Polizei sie in großen Gruppen über die Grenze nach Serbien oder Bosnien gedrängt habe – ohne die notwendigen rechtstaatlichen Schritte einzuhalten.
Laut dem Polizisten basierte das System auf mündlichen Befehlen. Er selbst habe zwei Gruppen von Zagreb zurück nach Bosnien gebracht, eine nach Serbien. Einmal waren es neun junge Männer, zweimal sogar vierzehn. Laut Gesetz dürfen maximal sechs Personen gleichzeitig im Rückraum eines Polizeiwagens transportiert werden.
Milena Zajovic Milka von der kroatischen NGO „Are you Syrious?“ schätzt, dass im vergangenen Jahr rund 10.000 Menschen ohne korrektes Verfahren aus Kroatien gedrängt wurden.
Das kroatische Innenministerium wollte die Aussagen des Polizeibeamten nicht kommentieren.
Die gesamten Erzählungen des Whistleblowers aus der kroatischen Polizei lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von profil.
Über diese Geschichte
profil berichtete im vergangenen Jahr mehrmals von der EU-Außengrenze zwischen Kroatien, Serbien und Bosnien. Dabei gingen wir auch der Geschichte von Madina Hussiny nach, einem afghanischen Mädchen, das bei einem versuchten illegalen Grenzübertritt ums Leben kam (die mehrfach preisgekrönte Geschichte dazu finden Sie hier, wie es für die Familie weiterging in dieser Ausgabe und einen Text über die Situation an mehreren Stellen der EU-Außengrenze in dieser). Schon damals stritt die kroatische Polizei den Vorwurf von Madinas Mutter ab, wonach die Sechsjährige bei einer illegalen Abschiebung durch die Kroaten gestorben sei. In einem zweiten Fall sprachen wir mit einem Algerier, der mit blutigen Schlagmalen von einer versuchten Grenzquerung nach Kroatien wieder in Bosnien ankam (die Covergeschichte dazu finden Sie hier). Das kroatische Innenministerium bestritt gegenüber profil mehrmals, dass kroatische Polizisten an illegalen Abschiebungen beteiligt wären. Die EU-Kommission zeigte sich damals gegenüber profil besorgt – überließ die Aufklärung aber den Kroaten.