Flüchtlingslagerkoller: Kurz sorgt für Empörung in Georgien
Eigentlich war es ein ganz normales Interview, das Österreichs Außenminister Sebastian Kurz kürzlich der deutschen "Bild“-Zeitung gab. Die Presse im Westen kennt seinen Hardliner-Kurs beim Thema Migration und Zuwanderung ja bereits; als Kurz jedoch über die Notwendigkeit sprach, Auffanglager für Flüchtlinge außerhalb Europas einzurichten, ließ er neben Ägypten und einem nicht näher genannten Balkanland auch den Namen Georgien fallen.
In einem Land, das selbst 230.000 Flüchtlinge zu versorgen hat, kam diese Idee alles andere als gut an. Europa wolle Georgien seine Probleme aufhalsen, lautete noch die höflichste Reaktion in der Öffentlichkeit. Eine kleine Mitte-rechts-Partei im Parlament schob die Schuld sofort auf den Einfluss des Westens, und die Situation eskalierte weiter, als in Online-Medien daran erinnert wurde, dass Kurz bei einer Georgien-Visite im Februar auch die dortigen Flüchtlingslager besucht hatte. Dies sei der Beweis dafür, dass die Regierung gemeinsam mit dem Österreicher die Ansiedelung von Asylwerbern in Georgien von langer Hand geplant habe, lautete die Schlussfolgerung - allen Dementis aus der georgischen Hauptstadt Tiflis, Brüssel und Wien zum Trotz.
Es gibt keinen Gratiskäse in der Mausefalle
Das Schlimmste waren aber nicht die hochgezogenen Augenbrauen und das empörte Gefeixe in Georgien, sondern der Spin, den russische Medien und Meinungsmacher der Angelegenheit gaben. Sender wie RT, die jede Gelegenheit für ihre Zwecke nutzen, präsentierten den Fall so, als wären die Flüchtlingslager Teil eines Deals, den die georgische Regierung mit der EU abgeschlossen habe. "Österreichischer Außenminister bietet an, Flüchtlinge aus der EU nach Georgien zu schicken - das sieht ganz nach einem Tauschgeschäft für Visa-Freiheit aus“, tweetete der Duma-Abgeordnete Aleksey Pushkov. "Es gibt keinen Gratiskäse in der Mausefalle“, assistierte ein anderer User.
Georgien ist extrem anfällig für russische Propaganda, und so verschaffte der Vorschlag von Kurz den kreml-freundlichen Medien eine günstige Gelegenheit, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die westlichen Institutionen zu untergraben.
Auch wenn Georgien wohl lediglich als Platzhalter genannt wurde: Die Schadensbegrenzung erwies sich als schwierig. Am Ende musste der österreichische Botschafter Arad Benkö zu einer massiven Charmeoffensive in diversen georgischen Medien ausrücken, um die korrekte Botschaft durchzubringen: dass die Idee, wie er sagte, "Teil einer europäischen Diskussion“ sei, ohne einen konkreten Plan oder Vorschlag dahinter.
Das entspricht auch, wie der ganze Aufruhr beweist, der Mehrheitsmeinung in Georgien: dass der Vorschlag von Kurz am besten nur eine Idee bleiben sollte.
Vazha Tavberidze ist Chefredakteur der Wochenzeitung "Georgian Journal".